Narretei in sich wandelnder Gesellschaft
Warum braucht es in der jetzigen Zeit die Fastnacht?

Stephan Glunk, Zunftmeister der Singener Poppele-Zunft. | Foto: Oliver Fiedler/Archiv
4Bilder
  • Stephan Glunk, Zunftmeister der Singener Poppele-Zunft.
  • Foto: Oliver Fiedler/Archiv
  • hochgeladen von Philipp Findling

Kreis Konstanz. Eigentlich gibt es aufgrund der aktuellen Situation in der Gesellschaft und Politik wenig Grund zur Freude, nach der Bundestagswahl eher sogar zur Skepsis. Warum dann in dieser Zeit die Fastnacht bedeutender denn je ist, haben wir die lokalen Narrenoberhäupter gefragt.

Stephan Glunk, Zunftmeister der Singener Poppele-Zunft. | Foto: Oliver Fiedler/Archiv
  • Stephan Glunk, Zunftmeister der Singener Poppele-Zunft.
  • Foto: Oliver Fiedler/Archiv
  • hochgeladen von Philipp Findling

Stephan Glunk, Zunftmeister der Singener Poppele-Zunft
Die Fasnet ist eine ganz besondere Zeit. Im Jahresablauf ist sie, was die Vorfreude darauf anbelangt, durchaus gleichrangig zu vergleichen mit Weihnachten: Ein Fest, das mit Inbrunst gefeiert wird und bei dem man sich nach Abschluss schon wieder auf die Wiederkehr nach einem Jahr freut.

Warum braucht es die Fasnet? Diese Frage lässt sich zum einen beantworten mit der Faszination, die das Sich-Verkleiden und das gemeinsame Singen auf die Menschen ausübt. Zu keiner anderen Zeit im Jahr kommen so viele zusammen, um miteinander fröhlich zu sein. Im Kleinen wird dies wunderbar deutlich, wenn die Narren vor der Fasnet Kindergärten und Schulen besuchen, um dort ihre Fasnachtsbräuche vorzustellen. Dann leuchten die Augen der Kinder, wenn die Narren Hoorig rufen und die Fasnetslieder anstimmen. Oft sind die Kinder von ihren Erzieherinnen und Erziehern oder Lehrerinnen und Lehrer schon auf den Besuch vorbereitet und sind in der Lage, das wohl bekannteste Singener Fasnetslied, das „S goht degege, Mamme häng de Schurz a d’Wand“, mit den Narren zusammen zu singen. Da beteiligt sich auch das kleinste Kind, obwohl es den Text des im Dialekt verfassten Liedes noch gar nicht so recht verstehen kann. Aber das gemeinsame Singen schafft eine Atmosphäre, die einzigartig ist, und wenn dann noch der im Lied erwähnte Poppele persönlich anwesend ist, dann ist die Begeisterung der Kinder nicht zu übertreffen. Und dies schafft eine Identität, die heutzutage immer wichtiger wird angesichts der überbordenden Einflüsse durch das Handy und die sozialen Medien.

Zum anderen braucht es die Fasnet, weil sie den Menschen die Möglichkeit gibt, Dinge zu hinterfragen und damit anderen den Spiegel vorzuhalten. Im Kleinen geschieht das durch das „Schnurren“, also durch die Gespräche, die man unerkannt, weil maskiert, mit anderen führt und dabei, ohne den Gesprächspartner zu verletzen, auch kritische Dinge anspricht. Im Großen geschieht das in den Narrenzeitungen oder in den Narrenspiegeln, in denen gesellschaftliche oder kommunalpolitische Themen behandelt werden mit der Absicht, auf Ungereimtheiten oder Missstände hinzuweisen. So kann man Gemeinderäte oder Bürgermeister närrisch unter die Lupe nehmen, immer auch in der Hoffnung, dass die angebrachte Kritik bei den Angesprochenen zu einer positiven Reaktion führen wird. Die Voraussetzung bei den Narrenspiegelmachern ist dabei, dass sie sich für die Geschehnisse in der Kommunalpolitik interessieren und dabei klare Standpunkte vertreten. Und der Anspruch muss dabei sein, wie es Bernd Beck, der Regisseur des ersten Narrenspiegels der Poppele-Zunft, einmal formuliert hat: „Unser Ehrgeiz besteht darin, dass der Narrenspiegel für die Gemeinschaft von Singen einen Nutzen hat.“

Martin Schäuble, Präsident der Narrizella Ratoldi aus Radolfzell. | Foto: Philipp Findling
  • Martin Schäuble, Präsident der Narrizella Ratoldi aus Radolfzell.
  • Foto: Philipp Findling
  • hochgeladen von Philipp Findling

Martin Schäuble, Präsident der Narrizella Ratoldi (Radolfzell)
Jo wir Zeller machet Fasnet,
des isch überall bekannt………..

Endlich ist es wieder so weit, jetzt beginnt die fünfte Jahreszeit.
jetzt können wir wieder schunkeln, auch im dunkel munkeln,
diese Tage muss man einfach genießen, und wir lassen sie uns nicht vermiesen, in der heutigen angestrengten Zeit,
brauchen das nicht nur die „närrischen“ Leut.

Die Welt wird immer komplizierter, die Menschheit ist immer irritierter, verloren geht die Leichtigkeit,
auf der Strecke bleibt die Fröhlichkeit, im Vordergrund steht oft das ich, ist es gut, gestellt, allein auf sich, oder ist es nicht besser, es macht doch Sinn, miteinander bekommen wir doch viel mehr hin, um dann zu teilen, das macht doch Spaß, den Erfolg, bei einem kühlen Glas.

Der Mensch braucht die Geselligkeit, Gemeinschaft, Freundschaft und die Fröhlichkeit,
braucht seinesgleichen, die Runden sind oft groß, auch mal Zweisamkeit, man sitzt sich auf dem Schoß,
egal wie es denn jeder mag, es soll doch schön sein jeder Tag,
und von einzelnen, oft seltsamen Gestalten, diese können sich davon gern fernhalten.

Die Fasnet ist für Jedermann, ob, oder auch nicht, er singen und tanzen kann,
in jeder Stadt ist dann was los, egal ob die Stadt ist klein oder groß,
und jede Stadt hat ihre Besonderheiten, jeder Narr hat spezielle Fähigkeiten,
dann sitzt man zusammen und tauscht sich aus, trinkt, singt, schunkelt bis man muss nach Haus,
und schläft dann glücklich ein, so muss unsere Fasnet sein.

Geklepperet wird bei uns in Radolfzell, das kann man langsam oder auch schnell,
eine Kunst ist das, man muss es üben, wer was anderes sagt, der würde lügen,
lernen kann das jeder Mensch, zeigen tut Dir es ein Zeller, den du kennsch,
mit Musik oder Sprüchle lernt man es besonders gut, am Anfang brauchst du ein wenig Mut,
dann kannst es, lässt die Brettle scheppern, bist jetzt ein Künstler, Du kannst kleppern.

Woanders gibt es auch Künstler bei den Narren, nimm Dir dann Zeit, tu dort verharren,
schau Dir das Narrentreiben an, schau was dort der Narr so kann,
bei guter Laune wirst Du es erleben, nach ein paar Glas die man tut heben,
auch wenn man sich vielleicht kaum kennt, zum Schluss sich man ein Freund dann nennt.

Drum genießt die Zeit jetzt miteinander, lacht, singt, schunkelt bleibt beieinander,
keiner weiß wie lang sein Leben geht, wann das nächste Mal die Erde bebt,
dann zu sagen „hät ich doch blos“, nein, jetzt legen wir wieder richtig los,
jetzt das sag ich Euch, bei allem Respekt, das sind dieser Tage deren Zweck.

Jetzt lasst uns schnurren und auch tanzen, lasst uns im Städtle umme schwanzen,
dass es Euch dann wieder gefiel, ja, das ist unser großes Ziel,
nach dem Motto, allen zur Freud und niemand zum Leid,
machet mit bei der fünften Jahreszeit, schöne Fasnet und bleibet froh, ein dreifaches Narri-Narro!

Jürgen Koterzyna, Narrenrichter des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken. | Foto: Philipp Findling
  • Jürgen Koterzyna, Narrenrichter des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken.
  • Foto: Philipp Findling
  • hochgeladen von Philipp Findling

Jürgen Koterzyna, Narrenrichter des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken
„Warum braucht’s Fastnacht grade heut’? Des wurd de Narrerichter g‘fragt ihr liebe Leut.
Warum ist sie in schweren Zeiten ein Lichtblick voller Fröhlichkeiten?
Die Welt, sie tobt, sie ist in Not, manch’ einer kämpft ums täglich Brot.
Die Preise steigen, Kriege droh’n, die Sorgen wachsen – das ist Hohn!
Doch mittendrin, ihr glaubt es kaum, steht fest verwurzelt, wie ein Baum,
die Fastnacht, die uns Freud’ beschert, die alte Tradition, bewährt!

Ein Ventil gegen Frust und Sorgen
Die Fastnacht gibt uns neuen Mut, sie tut uns allen herzlich gut.
Hier darf man lachen, Freundschaft suchen, die Obrigkeit auch mal verfluchen.
Denn Narren reden, wie sie woll’n, ganz ohne Angst vor strengem Groll.
Mit Witz und Schalk und viel Humor nimmt man die Mächt’gen fein aufs Korn!
So ist die Fastnacht – schlau und keck, ein Spiegel unsrer Zeit, doch immer nett.
Hier wird au geschumpfen, doch nicht im Wahn, damit man wieder lachen kann!

Fastnacht bringt uns Menschen näher
Und denkt daran – vor geraumer Zeit, da gab es kaum Gemeinsamkeit.
Corona hielt uns lang in Schranken, man konnt’ nicht feiern, nicht mal wanken!
Es gab nur Facebook, X und Instagramm, statt Fasnachtstrubel mit viel Tamtam.
Statt Party feiern bis nachts um five a Clock Starrten die Junge nur noch auf ihr TikTok.

Doch heut’, da strahlt der Fastnacht-Glanz, wir feiern wieder – voller Tanz!
Ob jung, ob alt, ob arm, ob reich, zur Fastnacht sind doch alle gleich.
Wir singen, trinken, lachen laut, weil das auf wahre Freundschaft baut.
Gemeinsam feiern – das ist wichtig, denn nur vereint, da sind wir richtig!

Kultur, die uns zusammenhält
Die Fastnacht ist ein Stück Kultur, ein altes Erbe – hat Tradition pur!
Von Ahnen wurde sie geprägt, bis heut’ von uns so hochgepflegt.
Wer Tradition nicht mehr begehrt, der hat sein Herz wohl umgekehrt.
Denn Fastnacht ist Identität, die zeigt, was in uns wirklich steht!

Ein Wirtschaftsmotor, der uns hilft
Doch nicht nur Spaß, nein, hört gut zu, die Fastnacht bringt uns Geld dazu!
Von Kneipen, Bands und Maskenläden, bis hin zum Wirt – die soll’n nicht sterben!
Die Wirtschaft lebt vom bunten Treiben, drum muss sie immer uns verbleiben!
Denn was passiert, wenn’d Fastnacht fehlt? Dann ist es öde – und zu spät!

Ein Fest fürs Herz und für die Seele
Drum sag’ ich euch aus gutem Grund: Die Fastnacht macht das Leben bunt!
Sie hilft uns, all das Grau vertreiben, den Frohsinn in uns einzuschreiben.
Denn was ist besser als ein Lachen, anstatt im Frust sich nen den Kopf zu machen?
Wer feiern kann, der lebt gesünder, das wissen Alte und auch Kinder.

Das Schlusswort, kurz und klar!
Drum, liebe Leut‘, seid mit dabei, macht mit bei der Fastnachts-Narretei!
Vergesst den Alltag, seid bereit, für eine Zeit voll Heiterkeit!
Denn ohne Fastnacht – glaubt es mir, da fehlte uns doch was - mir und dir!
Sie gibt uns Kraft, sie gibt uns Leben, drum soll’s sie ewig weiterleben!
NARRO!

John Weber Zunftmeister der Narrenzunft Gerstensack Gottmadingen. | Foto: Philipp Findling
  • John Weber Zunftmeister der Narrenzunft Gerstensack Gottmadingen.
  • Foto: Philipp Findling
  • hochgeladen von Philipp Findling

John Weber, Zunftmeister der Narrenzunft Gerstensack Gottmadingen
Die Schwäbisch Alemannische Fasnet, isch gar it so klein,
In dieser närrischen Zeit, da isch des Doch echt fein.
Tradition und Gemeinschaft, das schweißt uns zusammen,
In Zeiten von Hektik, da got des oft auf in Flammen.

Mit 150 Jahr Gerstensack, da feierten wir groß,
Unsre närrische Wurzeln bewahren, das ist mein Los.
Als Zunftmeister versuch ich zu gebe Halt,
In onere schnellen lebige Welt, die oft isch so kalt.

Das Häs, es wird getragen mit Stolz und mit Schwung,
Die Farben und die Muster, sie erzählen von jung.
Von alten Bräuchen, die die Zeit überdauern,
Die unsere Seelen nähren, sie lassen uns erstrahlen.

Im Ehrenamt en Traditions Verein zu führen,
heißt‘s für mich andre zum mitmache animiere.
Ich stecke gern die Mensche an
Mit Freud und Elan,

Wenn die Trommeln erklingen und die Lieder ertönen,
Sieh, wie die Masken tanzen, in bunten Tönen.
Die Straßen sind voll, die Herzen sind weit,
Die Fasnet bringt Lachen, und vertreibt jede Zeit.

Im Häs zu feiern und Freud zu bringe,
isch doch eins der Schönscht Dinge.
Wenn man noch hat im Verein so tolle Begleiter,
Bringt des uns alle viel viel Weiter.

Die bunte Pracht der viele Häser, jo die bringt Freude und Licht,
Mir sehet so viele mit Närrischem G‘sicht.
Dazu gehört altes bewahre aber neues au zulasse,
Zum ereiche die breite Masse.

Die Kinder mit ihren Augen, so leuchtend und klar,
Sie träumen von Narren, die tanzen fürwahr.
Die Erwachsenen, sie lächeln, vergessen die Sorgen,
In dieser bunten Welt blühen Freude und Morgen.

Die Fasnet, die lebt, in meinem Herzen drin,
Sie gibt Freud, jo gibt meinem schaffe en Sinn.
So lass uns Zusammen feire im bunten Gewand,
Die Schwäbisch Alemannische Fasnet ist doch ein tolles Band!

Die Masken erzählen Geschichten, von Zeiten, die einst waren,
Von Helden und von Mythen, die wir nie verloren.
Sie tragen die Vergangenheit, in jedem kleinen Stich,
Die Fasnet ist ein Spiegel, der zeigt uns das Licht.

Die Narren, sie lachen, sie tanzen und singen,
In dieser Zeit des Lebens, da lässt sich’s gut bringen.
Die Sorgen des Alltags, sie werden zur Nebensache,
Inmitten von Freunden, da gibt’s keine Schwäche.

Die Gemeinschaft, sie blüht, sie wächst und gedeiht,
In der Schwäbisch Alemannischen Fasnet, da sind wir bereit.
Die Traditionen, sie leben, sie werden weitergegeben,
In jedem neuen Narren, da pulsiert das Leben.

Wenn der Zunftmeister spricht und alles vereint,
Spürt man die Energie, die durch die Menge scheint.
Gemeinsam sind wir stark, so viel mehr als allein,
In der Fasnet, da strahlen wir, in Freude und Schein.

Die vielen Veranstaltungen, sie laden uns ein,
Zu tanzen und zu feiern, und das Leben zu sein.
In jedem Dorf, in jeder Stadt, da wird es gefeiert,
Die Schwäbisch Alemannische Fasnet, ja da wird it rumg‘eiert.

Die Lieder der Narren, sie klingen durch die Nacht,
Jeder singt mit Freude, jeder ist entfacht.
Die Gläser werden erhoben, auf Freundschaft und Glück,
In dieser närrischen Zeit, da schauen wir nicht zurück.

Stephan Glunk, Zunftmeister der Singener Poppele-Zunft. | Foto: Oliver Fiedler/Archiv
Martin Schäuble, Präsident der Narrizella Ratoldi aus Radolfzell. | Foto: Philipp Findling
Jürgen Koterzyna, Narrenrichter des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken. | Foto: Philipp Findling
John Weber Zunftmeister der Narrenzunft Gerstensack Gottmadingen. | Foto: Philipp Findling
Autor:

Redaktion aus Singen

3 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.