Christoph Blocher diskutiert mit SVP über Zukunft mit Europa
EU kontra »sauberen Schweizer Lösungen«

- Blocher, SPV,
- Foto: Christoph Blocher argumentierte gegen die Unterzeichnung eines Rahmenvertrages mit der EU. swb-Bild: Ritter
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Diessenhofen. Die Politiker Christoph Blocher (SVP) und Hansjörg Fehr (SP) diskutierten am Dienstag darüber, wie das Zusammengehen der Schweiz mit der Europäischen Union EU in Zukunft aussehen soll. Die Rodenberghalle in Schlattingen war an diesem Abend mit rund 330 Besuchern bis auf den letzten Platz besetzt. David Angst moderierte die Veranstaltung. Er ist seit 2011 Chefredaktor der Thurgauer Zeitung. Er gab Fehr und Blocher je zwanzig Minuten Zeit um ihren Standpunkt zu vertreten.
Fehr durfte den Anfang machen. „Wir befinden uns in einer Sackgasse“ sagte er. Die Verhandlungen über den Rahmenvertrag, mit dem die Umsetzung der bilateralen Verträge geregelt wird, müssten endlich zu einer Einigung führen. Ohne diesen Vertrag seien die bestehenden Verträge gefährdet. Die Schweiz habe freiwillig bei der Hälfte aller neuen Gesetze EU-Recht übernommen. Damit sei das „i“ geschrieben, es fehle nur noch das „i-Tüpfelchen“, sagte er. Ein Knackpunkt sei derzeit die Frage der Zuwanderung. Sie könne ohne Konflikt mit der EU gebremst werden. „Souverän handeln statt klagen“ betonte Fehr. Er schlägt vor, den Inländervorrang durchzusetzen, die Erwerbsquote der Frauen zu erhöhen und ältere Arbeitnehmer besser zu schützen. „Vorwärts machen mit sauberen, schweizerischen Lösungen“ fasst er zusammen.
Blocher begann mit einem Loblied auf die Schweiz. „Leben wir in einer Sackgasse?“ fragte er und antwortete gleich selber mit „Nein, ich weiss nichts davon“. Die EU sei undemokratisch, findet er. Die Mitgliedsänder hätten ihre Macht nach Brüssel abgegeben. Das Rahmenabkommen mit der EU sieht nach heutigem Vorschlag der EU vor, dass die Schweiz mit jedem Vertrag automatisch die damit zusammenhängenden EU-Gesetze übernimmt. Bei Streitigkeiten würde der Europäische Gerichtshof entscheiden. Es sei unhaltbar, wenn bei Vertragsstreitigkeiten eine der Vertragsparteien richtet, betonte Blocher. Zur Frage der Einwanderungsbremse sagte er, man dürfe den Politikern nicht glauben. Bundesrat Couchepin habe seinerzeit geschätzt, dass mit dem Personenfreizügigkeits-Vertrag etwa 10.000 Einwanderer in die Schweiz kommen. Heute seien es mehr als 70‘000, stellte Blocher fest. „Wir werden alles unternehmen, damit der Rahmenvertrag abgelehnt wird“ fasste er zusammen.
„Sie behaupten, wir seien nicht in einer Sackgasse“ sagte Angst an Blocher gerichtet. Wie er das Dilemma lösen wolle, das aus der Zuwanderungsinitiative und dem Personenfreizügigkeits-Abkommen entstand, fragte er. Die Schweiz müsse die Personenfreizügigkeit kündigen. Fehr ergänzte, es brauche einen neuen Volksentscheid, um diesen Knopf zu lösen. Jeder Vertrag könne gekündigt werden, betonte Blocher. „Wenn wir uns befehlen lassen, sind wir eine EU-Kolonie“ erklärte er.
Blocher wollte von Fehr wissen, ob er auch heute noch für einen EU-Beitritt sei. Fehr antwortete mit einem klaren Ja. Angst stellte fest, die EU wolle zuerst das Rahmenabkommen, bevor weitere Verträge verhandelt werden. Dazu betonten beide Referenten, dass sie gegen die automatische Anpassung der Gesetze sind, wie sie derzeit von der EU verlangt wird.
Als Schlusswort sagte Blocher, dass die EU in der heutigen Form kaum überleben werde. Fehr bestätigte, dass die EU in einer Krise steckt. Trotzdem wünsche er der EU ein langes Leben. Obwohl die Meinungen der Podiumsteilnehmer weit auseinander liegen, verlief das Gespräch sachlich und von gegenseitigem Respekt geprägt.
Die SVP Region Diessenhofen organisierte den Anlass. Walter Widmer, Präsident, dankte den Referenten und dem Moderator und übergab ihnen ein Geschenk.
Zwei der prominentesten Politiker der Schweiz
Hansjörg Fehr wurde in Rheinklingen geboren und wohnt heute in Schaffhausen. Er arbeitete als Mittelschullehrer, Verleger und Autor. Von 2004 bis 2008 war er Präsident der SP Schweiz und von 1999 bis 2014 SP-Nationalrat. Er ist Verwaltungsratspräsident der Wochenzeitung AZ Schaffhausen. Fehr bekennt sich zu einer aussenpolitischen Öffnung der Schweiz.
Christoph Blocher wurde in Schaffhausen geboren und wohnt heute in Herrliberg. Er doktorierte in Rechtswissenschaften. Vor 34 Jahren kaufte er die Ems-Chemie und übergab sie nach seiner Wahl in den Bundesrat seiner Tochter Magdalena. Von 1979 bis 2003 war er Nationalrat und von 2003 bis 2007 Bundesrat. Blocher politisiert am rechten Flügel der SVP.
(Dieter Ritter).
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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