Fachkräftemangel im sozialen
Es knarzt im System

Es passt nicht mehr zusammen, das Puzzle an Aufgaben und Herausforderungen im Arbeits- und Lebensalltag. 
Grafik: Kim Kroll
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Landkreis Konstanz. Sie werden händeringend gesucht, denn ohne sie gibt es Probleme, die derzeit viele Eltern und Angehörige zu spüren bekommen: ErzieherInnen und weitere Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst sind rar. Manche Kita muss wegen Personalknappheit ihre Betreuungszeiten einschränken und sogar ganze Gruppen temporär schließen. In Einrichtungen wie Behindertenwohnheimen herrscht Mangelverwaltung statt Betreuung und Förderung. Das hat Auswirkungen auf die Gesellschaft, denn gerade ErzieherInnen und Sozialtätige stützen ein System, das durch den Fachkräftemangel bedenklich ins Wanken gerät.

Die verlässliche Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen durch genügend gut ausgebildetes Personal ist eine wichtige Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gut ausgebildete Frauen möchten ihren Beruf ebenso ausüben wie ihre männlichen Pendants, und auf weibliche Fachkräfte können Unternehmen nicht mehr verzichten. Sollten sie wegen Care-Arbeit in der Familie ausfallen, würde dies nicht nur Gehalt und Rente verringern, sondern auch der Wirtschaft und dem Handel schaden.

Auf der anderen Seite werden die Bedarfe der Familien größer, weiß Julia Theile von der Stadtverwaltung Radolfzell. Denn »steigende Lebenshaltungskosten« zwingen viele Familien, dass beide Sorgeberechtigten einer Arbeit nachgehen, was eine Ganztagsbetreuung in den Kitas nach sich zieht. Also wird der Bedarf nach Kita-Plätzen steigen, zusätzlich wird voraussichtlich auch der kommende Rechtsanspruch auf einen Platz an einer Ganztagsgrundschule Auswirkungen zeigen. Mehr Plätze bedeuten mehr Fachkräfte«, zeigt sie das Dilemma auf, das für Einrichtungsträger wie für die Eltern wiederum mit Mehrkosten verbunden ist.

Theile sieht vor allem im Ausbau der Ausbildungsplätze einen Faktor für eine Verbesserung der Situation. Doch die klassische drei- bis fünfjährige ErzieherInnen-Ausbildung ist wenig attraktiv und wird nur teilvergütet. Angehende ErzieherInnen erhalten lediglich im abschließenden Berufspraktikum ein Gehalt (je nach Träger etwa 1.200 Euro monatlich). Das Anfangsgehalt liegt dann zwischen 2.500 bis 2.800 Euro, steigt aber mit den Berufsjahren und mit Leitungsfunktion. Daneben gibt es als weitere Möglichkeit Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben und Quereinsteiger könnten helfen, den Mangel zu verringern und die Verlässlichkeit für Familien zu sichern. Vorausgesetzt Sprachkenntnisse sowie Ausbildungsqualität sind garantiert.

Klare Worte zur derzeitigen Betreuungssituation, findet Heike Gotzmann aus Singen. Die 55-Jährige ist Referentin für Arbeitnehmerseelsorge der Erzdiözese Freiburg und Ansprechpartnerin für ArbeitnehmerInnen in Konfliktsituationen und sagt: »Ohne die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst könnten viele Eltern nicht arbeiten gehen. Ohne sie würde die Wirtschaft nicht funktionieren und ohne sie wären die Folgen der sozialen Spaltung noch gravierender«, ist sie überzeugt. Aus eigener Erfahrung aus ihrem Arbeitsalltag bestätigt sie aktuell eine gesellschaftliche Entwicklung, in der Arbeitsdruck und Belastung durch Beruf, Care-Arbeit wie Kinderbetreuung und Pflege der älteren Generation immer mehr zunehmen und dadurch das Familienkonstrukt zunehmend instabil wird.

Besonders für Frauen sieht sie die Gefahr in einen Kreislauf zu geraten, der nur schwer zu durchbrechen ist. »Soziale Berufe sind überwiegend weiblich und werden tariflich weit schlechter bezahlt als zum Beispiel technische Berufe, obwohl sie Dienst am Menschen leisten und hohe Anforderungen erfüllen müssen«, weiß die Betriebsseelsorgerin und bedauert die geringe Wertschätzung für die Beschäftigten im sozialen Arbeitsbereich.
Gleichzeitig übernehmen überwiegend Frauen die Sorge-Arbeit für die Jungen und Alten, wenn die externe Betreuung zu teuer oder nicht möglich ist. Für mehr Gerechtigkeit im sozialen Bereich braucht es Veränderungen, ist für Heike Gotzmann klar: »Wir brauchen neue Arbeitsmodelle, mehr Flexibilität für Angebote wie Teilzeit und Homeoffice und unsere Gesellschaft muss sich entscheiden, wo investiert werden soll. Da muss ein Umdenken stattfinden und das ist Aufgabe der Politik«, fordert Heike Gotzmann, und macht unmissverständlich klar: »Ich bin immer dafür in Menschen zu investieren«.

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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