Otto Dix und der Nationalsozialismus
Ein Maler zwischen Schwarz und Weiß

Die Kunstwissenschaftlerin Ina Jessen (links) hat sich ausgiebig mit dem Künstler Otto Dix auseinandergesetzt. Im Bild rechts ist der Künstler selbst im Jahr 1933 zu sehen.  | Foto: (links) Tobias Lange; (rechts) Archiv/Franz Fiedler/Herbert Boswank
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  • Die Kunstwissenschaftlerin Ina Jessen (links) hat sich ausgiebig mit dem Künstler Otto Dix auseinandergesetzt. Im Bild rechts ist der Künstler selbst im Jahr 1933 zu sehen.
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Singen. Wie hat sich der Maler Otto Dix in der Zeit des Nationalsozialismus verhalten? Hat er sich den Vorstellungen der Machthaber angepasst oder blieb er sich treu? Von beidem etwas meint die Kunstwissenschaftlerin Dr. Ina Jessen, die sich intensiv mit dem Kunstschaffenden auseinandergesetzt und ihre Argumente auf Einladung des Fördervereins Museum Haus Dix Hemmenhofen und des Kunstmuseums Singen im Singener Rathaus vorgetragen hat.

Otto Dix im Jahr 1933 nach einer Fotografie von Franz Fiedler | Foto: Archiv/Franz Fiedler/Herbert Boswank
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Bei oberflächlicher Betrachtung zeige sich ein künstlerischer Umbruch zwischen den Werken, die vor 1933 entstanden sind, und jenen, die Dix nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten geschaffen hat. So stellen Werke aus der Zeit der Weimarer Republik (1918 bis 1933) kriegskritische Szenen oder Szenen aus dem Rotlichtmilieu dar, die gesellschaftliche Missstände aufzeigten. Diese seien zwar auch vor 1933 nicht immer unumstritten gewesen - so habe es in den 1920er-Jahren einen Gerichtsprozess um das Werk "Mädchen am Spiegel" gegeben - gerieten aber nach der "Machtergreifung" endgültig in Verruf.

Ina Jessen zeigt während ihrem Vortrag den Wandel in Dix' Werken von menschlichen Darstellungen zu Landschaften auf. | Foto: Tobias Lange
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Die Kunstwissenschaftlerin zitierte dazu den NS-Politiker Manfred von Killinger, der 1933 in einem Brief an Dix von Bildern schreibt, "die das sittliche Gefühl aufs Schwerste verletzen" und "die geeignet sind, den Wehrwillen zu beeinträchtigen". Dix wurde von seinem Lehrstuhl in Dresden entlassen und "als Kunstbolschewik" diskreditiert, erläuterte Jessen.

Wechsel zur Landschaftsmalerei

Ab 1933 veränderten sich die Motive in Dix' Werken, wie die Kunsthistorikerin klar darstellte. Es mehrten sich Porträts, christliche Motive und Landschaften, die den Kunstgeschmack der NS-Ideologie widerspiegelten. Zudem wurde er Mitglied der Reichskulturkammer, was laut Ina Jessen einen Antrag des Künstlers erfordert habe.

Otto Dix' Mitgliedsausweis bei der Reichskulturkammer, den Ina Jessen bei ihrer Präsentation zeigte. | Foto: Deutsches Kunstarchiv
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Eine vollständige Abkehr von der Gesellschaftskritik sieht die Kunstwissenschaftlerin dennoch nicht. Dix' Landschaften zeigen Düsternis, Unwetter und zersplitterte Bäume und hätten eine "morbide Konnotation". So habe das Werk "Judenfriedhof in Randegg im Winter mit Hoffenstoffeln" aus dem Jahr 1935, dem Jahr der antisemitischen Nürnberger Gesetze, einen kritischen Ton. "Das Gemälde ist als Kommentar gegen die verheerende Politik zu dekodieren."

Als ein weiteres Beispiel führte sie das 1940 entstandene Werk "Aufbrechendes Eis" an, das den von einem Regenbogen erleuchteten Schweizer Ort Steckborn zeigt, welcher gegenüber Dix' damaliger Heimat Hemmenhofen liegt, und auf dem Bild "hoffnungsvoll erscheint". Den Betrachter trennt allerdings der von Eisschollen bedeckte Untersee von diesem erleuchteten Ort. Das zerbrochene Eis repräsentiere einen versperrten Ausweg. Dunkle Gewitterwolken "zeigen die gegenwärtige Naturkatastrophe, wobei 'Natur' in Klammern zu setzen ist".

Eine künstlerische Gratwanderung

Otto Dix drückte demnach auch nach 1933 Kritik an Gesellschaft und Politik aus. "Er war kritisch. Das liest sich in den Briefen, das liest sich aber auch in den Bildern", schlussfolgerte Ina Jessen. Dabei habe er sich aber fortlaufend geschützt. Einerseits war Dix Mitglied der Reichskulturkammer, andererseits waren seine Werke "entartete Kunst".

Die Kunstwissenschaftlerin Ina Jessen hat sich ausgiebig mit dem Künstler Otto Dix auseinandergesetzt. In Singen referierte sie nun über sein Schaffen in der Zeit des Nationalsozialismus. | Foto: Tobias Lange
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Er durfte malen und konnte sich einen kleinen Absatzmarkt mit Auftragsarbeiten halten, beispielsweise mit dem Auftrag einer Gebirgslandschaft für das Heeresbauamt Magdeburg in 1937. Ausstellen durfte er aber nicht. "Wir müssen uns davon lösen, in Kategorien von Schwarz und Weiß zu denken", so das abschließende Fazit der Referentin.

Autor:

Tobias Lange aus Singen

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