Politischer Aschermittwoch
Wo es im Landkreis Konstanz hakt

Mit dem Aschermittwoch fängt für die Narren der Ernst des Lebens wieder an. Vorbei ist die unbeschwerte Zeit des Feierns. Nun geht es wieder um die Krisen, Probleme, Ängste und Sorgen, die von der fünften Jahreszeit etwas in den Hintergund gerückt wurden. swb-Bild: Amrit Raj
6Bilder
  • Mit dem Aschermittwoch fängt für die Narren der Ernst des Lebens wieder an. Vorbei ist die unbeschwerte Zeit des Feierns. Nun geht es wieder um die Krisen, Probleme, Ängste und Sorgen, die von der fünften Jahreszeit etwas in den Hintergund gerückt wurden. swb-Bild: Amrit Raj
  • hochgeladen von Tobias Lange

Landkreis Konstanz. Die Ballons sind geplatzt, die Luftschlangen geblasen, das Konfetti auf den Straßen verteilt: Mit dem Aschermittwoch geht die fünfte Jahreszeit mit all ihrer Unbeschwertheit zu Ende. Besonders in der Politik wird dieser Tag traditionell dazu benutzt, die Versäumnisse der anderen aufzuzeigen und sich in rhetorischen Schlagabtäuschen gegenseitig Vorwürfe und Verfehlungen an den Kopf zu werfen.

Wir vom WOCHENBLATT haben uns dies zum Vorbild genommen und bei regionalen Akteuren aus der Politik und der Gesellschaft nachgefragt, was aus deren Sicht alles schiefläuft und was hier besser gemacht werden muss: von Bürokratiewahnsinn über Energiesorgen bis hin zur Klimakrise. Da der Aschermittwoch aber ursprünglich den Beginn der Fastenzeit einläutete, haben wir uns auch dahingehend erkundigt, was »Fasten« eigentlich bedeutet und warum es noch immer sinnvoll sein kann.

Klimaschützer prangert Zögerlichkeit an

Bei einer Krise nach der anderen gibt es ein Thema, dass sich wie ein Grundton durch die Geschichte zieht: der Klimawandel. Keine Überraschung also, dass die Klimaschützer von Fridays for Future nicht müde werden, hier aktiv zu werden. »Mich stört ganz allgemein, wie die Debatte läuft«, sagt Marcel Maier von Fridays for Future Konstanz. »Der IPCC sagt ganz glatt, 3,3 bis etwa 3,8 Milliarden Menschen werden hochgradig vom Klimawandel betroffen sein. Das ist eine Welt, die will niemand von uns.« Dabei bestehe eigentlich ein Grundkonsens: »Wir müssen was gegen den Klimawandel machen. Und dann kommt aber ganz schnell: Aber hier sind Jobs gefährdet. Und dann ist es schon wieder ein Argument, nichts oder weniger für den Klimawandel zu machen.«

Marcel Maier von Fridays for Future Konstanz möchte ein entschlossenes Vorgehen beim Klimaschutz. swb-Bild: Anatol Hennig
  • Marcel Maier von Fridays for Future Konstanz möchte ein entschlossenes Vorgehen beim Klimaschutz. swb-Bild: Anatol Hennig
  • hochgeladen von Tobias Lange

Es müsse erst einmal wirklich dieser Grundkonsens über alle Parteien hinweg gefunden werden. »Wir müssen diesen Weg gehen und dann lass uns unsere Strukturen, unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft so umbauen, dass wir das hinkriegen. Dann können wir gerne über alles reden. Und da gibt es sicherlich verschiedene Ansätze, von marktnah bis hin zu Umverteilungsansätzen. Aber dass man dann ganz schnell wieder dieses Argument hat: Nein, wir können das jetzt nicht machen, weil da sind Arbeitsplätze oder unsere Wirtschaft in Gefahr. Das frustriert mich immer.« Mehr von der Fridays-for-Future-Bewegung gibt es in einem weitergehenden Bericht in der kommenden Ausgabe. (tol)

Der Kreis braucht eine Ermöglichungskultur

Bei Tengens Bürgermeister Marian Schreier dürften die Klimaaktivisten auf offene Ohren stoßen. Denn auch ihn stört, wie langsam es in Sachen erneuerbare Energie vorangeht. »Hegau und Bodensee sind eine der schönsten Regionen Deutschlands. Wirtschaftlich stark und mit einem großen sozialen Zusammenhalt«, sagt Bürgermeister Schreier. »Wenn wir wollen, dass dies so bleibt, müssen wir gerade hier in der Region einen Beitrag zu den großen Herausforderungen unserer Zeit leisten, allen voran zur Bekämpfung des Klimawandels.«

Marian Schreier, Bürgermeister von Tengen, will, dass im Kreis eine Ermöglichungskultur für den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen wächst. swb-Bild: Ansgar Wörner
  • Marian Schreier, Bürgermeister von Tengen, will, dass im Kreis eine Ermöglichungskultur für den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen wächst. swb-Bild: Ansgar Wörner
  • hochgeladen von Tobias Lange

Er fordert Bewegung in der Kreisverwaltung. »Der Landkreis Konstanz zählt beim Ausbau erneuerbarer Energien zu den Schlusslichtern in Baden-Württemberg. Das muss sich dringend ändern. Nicht nur beim Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik – hier gibt es positive Entwicklungen –, sondern auch bei der Windkraft. Ich wünsche mir, dass im Landkreis endlich eine Ermöglichungskultur wächst und wir die Energiewende als gemeinsame Gestaltungsaufgabe begreifen.« (pf)

Die Energiewende ist gescheitert

Eine andere Sicht vertritt Markus Bihler, Unternehmer aus Eigeltingen in Sachen Kaffee mit der Firma Maromas. »In Deutschland und in Baden-Württemberg liegt für mich aktuell mehr im Argen als sich zum Guten wendet. Die Bundesregierung macht es sich aber mit gleich zwei Generalausreden einfach. Für fast alles gibt es scheinbar zwei Hauptschuldige: den Krieg in der Ukraine und den Klimawandel. In Wirklichkeit liegt der größte Teil fast aller Probleme in politischen Fehlentscheidungen, welche zum Teil mit falschen Weichenstellungen in der Vergangenheit begonnen haben, aber durch die radikal ideologischen Entscheidungen und ›Notverordnungen‹ der Ampel zum größten Schaden Deutschlands wurden, auch wenn dies von den ideologisch geneigten Medien gerne übertüncht und geschönt wird. Das gilt sowohl für die tatsächliche Situation der Wirtschaft als auch für die Energiewende und die Migrationspolitik und deren Folgeprobleme.

Markus Bihler, Unternehmer aus Eigeltingen, sieht die Energiewende als gescheitert an und argumentiert für eine Weiterentwicklung der Atomenergie. swb-Bild: Privat/LinkedIn
  • Markus Bihler, Unternehmer aus Eigeltingen, sieht die Energiewende als gescheitert an und argumentiert für eine Weiterentwicklung der Atomenergie. swb-Bild: Privat/LinkedIn
  • hochgeladen von Tobias Lange

Die deutsche Energiewende ist krachend gescheitert und wir sind wirtschaftlich nicht mehr wettbewerbsfähig, was aber auch direkt die Arbeitsplätze angeht. Viele Unternehmen ›hören einfach auf‹, wie Habeck sagt, oder verlagern ihre zukunftsträchtigen Projekte zunehmend ins Ausland, weil in Deutschland die Energiekosten und andere Auflagen zu hoch sind. Aber, seit dem ersten Weltklimagipfel 1992 in Rio de Janeiro und unzähligen Klimakonferenzen und internationalen Abkommen sind die CO₂-Emissionen, auch in Deutschland, jüngst wieder höher geworden. Im letzten Jahrzehnt, mit Milliardeninvestitionen und riesigen Opfern für die Wirtschaft und Bürger, wurde nicht einmal ansatzweise wirklich etwas erreicht. 30.000 Windräder und riesige Solarfelder produzieren zwar mal kurzfristig ungefähr die Hälfte des benötigten Stroms und dann bis zu zwei Wochen fast keinen, was selbst mit einer Vervielfachung der installierten Leistung zum totalen Zusammenbruch von Wirtschaft und öffentlichem Leben und Infrastruktur führen würde, wenn nicht täglich die Kohlemeiler und die Atomkraftwerke des Auslands weiterlaufen würden.

Es ist an der Zeit, den mit der deutschen ›Energiewende‹ beschlossenen Atomausstieg zu revidieren und sich an der Forschung und Entwicklung der nächsten Generation von Kernenergie zu beteiligen. Die vierte Generation Kernkraft steht vor der Türe. China baut bereits und in vielen, auch europäischen Ländern laufen Entwicklungen und Versuche. Die meisten davon werden absehbar in wenigen Jahren am Netz sein. Damit kann auch Wasserstoff klimaneutral produziert werden.« (of)

Es muss miteinander gesprochen werden

Rainer Stolz, seit 30 Jahren Bürgermeisterin Stockach und Vertreter des Präsidenten des Städtetags Baden-Württemberg, der zum Jahresende aus gesundheitlichen Gründen sein Amt vorzeitig niederlegt, hatte schon bei der Haushaltsplanung der Stadt deutliche Worte an die Politik ausgesprochen. Woran es inzwischen krankt, sagte er hier dem WOCHENBLATT.

Der Stockacher Bürgermeister Rainer Stolz wünscht sich mehr Dialog zwischen Gesetzgeber und Kommunen. swb-Bild: Oliver Fielder
  • Der Stockacher Bürgermeister Rainer Stolz wünscht sich mehr Dialog zwischen Gesetzgeber und Kommunen. swb-Bild: Oliver Fielder
  • hochgeladen von Tobias Lange

»Was wir für die Zukunft wollen, sollte durchdacht und auch besprochen sein. Denn nur gemeinsam können wir auch ein Ziel erreichen, und wenn wir alle ehrlich zu uns selbst sind. Die letzten Jahre haben eine enorme Beschleunigung in vielen Dingen gebracht, aber es war vieles eben nicht durchdacht und musste immer wieder korrigiert werden. Wenn wir auf das Jahr 2030 blicken, ist es illusorisch, bis dahin die Ziele, zum Beispiel für Klima oder Mobilität, zu erreichen. Da wird das Ziel als Heiligtum hingestellt, obwohl es einfach ehrlicher wäre, jetzt darüber zu reden, was man wirklich bis dahin erreichen könnte und welche Schritte dafür wie vorgenommen werden und wie wir dafür auch den gesellschaftlichen Konsens finden, der angesichts der Herausforderungen nötig ist.

Die doch immer gängigere Praxis ist, dass oben etwas beschlossen wird, ohne wirklich mit den Gemeinden zu sprechen, die vieles davon umsetzen sollen. Da sollte man einfach vorher miteinander reden. Das beste Beispiel ist für mich da die Schweiz, wo bei wichtigen Schritten sogar das Volk gefragt wird in einer Volksabstimmung, vor die die Diskussion über das Thema gesetzt ist. Wenn dann die Entscheidung getroffen ist, wird sie auch von einer Mehrheit getragen. Wie es nicht gehen sollte, zeigte bei uns die Abstimmung zu Stuttgart 21.

Ein Beispiel ist da auch der Umgang mit der Sprachfähigkeit der Kinder oder auch der nun postulierte Ganztagesanspruch für die Grundschulen, der 2026 umgesetzt werden soll. Es ist letztlich unser Problem, damit umgehen zu können, aber dafür müssten wir entsprechend ausgestattet werden durch die Politik von oben. Also sollten wir auch die Rahmenbedingungen dafür gemeinsam gestalten können, nur so können wir als Gemeinden auch wirksam etwas verändern. Und dafür müssen wir uns auch die Zeit lassen können, die es dafür braucht.« (of)

Fasten als Bereicherung für Körper und Seele

Mit dem Aschermittwoch beginnt die 40-tägige Fastenzeit, bei der sich viele Menschen zwischen Fasnet und Ostern im Verzicht üben. Dabei ist es ganz egal, ob man »digitales Fasten« ausprobiert, also die Zeit im Internet und am Handy reduziert, oder bestimmte Lebensmittel oder Lebensmittelgruppen aus der täglichen Ernährung streicht. Wenn man etwas aus seinem täglichen Leben verbannt, entsteht dadurch unweigerlich eine gewisse Leere. Aber was tun mit dem »Loch«, das hier entsteht? Eine Antwort darauf liefert Nicole U. Kisters vom Vorstand des Samariter Fastenzentrums, die über das Heilfasten berichtet, eine extreme Fastenform, bei der man meist gänzlich auf feste Nahrung verzichtet.

Nicole U. Kisters ist im Vorstand des Samariter Fastenzentrums, das einen seiner zwei Standorte in Volkertshausen hat. Hier werden die Fastenden professionell begleitet. swb-Bild: Samariter Fastenzentrum | Foto: Samariter Fastenzentrum
  • Nicole U. Kisters ist im Vorstand des Samariter Fastenzentrums, das einen seiner zwei Standorte in Volkertshausen hat. Hier werden die Fastenden professionell begleitet. swb-Bild: Samariter Fastenzentrum
  • Foto: Samariter Fastenzentrum
  • hochgeladen von Tobias Lange

»Erst wenn man im Samariter-Fastenprozess ist, merkt man, wie viel Zeit man normalerweise täglich mit dem Thema Essen verbringt: Planung, Einkauf, Zubereitung und die Mahlzeit selbst. Wenn der Körper die Kapazitäten, die er sonst zum Verdauen braucht, frei hat, wird der Kopf ganz klar und man bekommt völlig neue Ideen und Energien. ›Knoten‹ in den Gedanken und im Körper lösen sich und man wird nicht nur leichter, man fühlt sich auch so.

Das ist eine riesige Bereicherung für Körper, Geist und Seele und zeigt sich oft auch in den Laborwerten. Der Effekt ist auch ohne professionelle Begleitung da, nur nicht so deutlich, insgesamt ist es von großem Vorteil, sich wirklich Zeit für sich selbst zu nehmen. Ich bin selbst erfahrene Fasterin und beobachte natürlich auch sehr viele Gäste, die bei uns ein und aus gehen. Ich habe hier einen Konsens beschrieben, natürlich sind die Auswirkungen aber bei jedem individuell.« (ak)

Autor:

Redaktion aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.