Karin Pietzek und Matthias Zimmermann
Kontrovers: Katholische Kirche oder Druidentum
Matthias Zimmermann ist im Hegau Dekan und gemäß seinen Worten so etwas ähnliches wie ein Landrat in der römisch-katholischen Kirche von der Höri bis nach Emmingen-Liptingen und Pfarrer für Engen, Tengen, Mühlhausen-Ehingen, Aach und seit neuestem auch für Singen. Karin Pietzek ist Druidin mit zwölfjähriger Ausbildung und gleichzeitig Christin. Sie ist internationale Mentorin im ‚Order of Bards, Ovates and Druids‘, OBOD und im Hegauer Grove der Lindovicer aktiv. Der Orden hat über 25.000 Mitglieder weltweit, die in Ausbildungen gelistet sind. Früher leitete sie Kindergottesdienste in der evangelischen Kirche, trat dann jedoch aus der Kirche aus. In rund zwei Stunden diskutierten die beiden im kühlen Franziskussaal der Engener Pfarrgemeinde mit dem Wochenblatt über Ihren Glauben und Ihre Weltanschauung. Im Kern blieb die Frage offen: Wie mit Schuld umgehen und der Verantwortung? Ist sie Sache des einzelnen oder gibt es Leitplanken und eine Institution, die darüber wacht, dass diese Leitplanken eingehalten werden? Und kann sie das überhaupt? Ein etwas tiefergehendes Gespräch von Glauben, Weltanschauung, über die Institutionen und Selbstverantwortung bis hin zur Frage: Was tun mit den Missbrauchsfällen …
Wochenblatt: Lassen Sie uns über Ihren Glauben reden und über das, was sie tun …
Karin Pietzek: Früher leitete ich Kindergottesdienste in der evangelischen Kirche. Doch dann trat ich aus der Kirche aus. Ich fand es unpassend, dass die Ökumene sehr viel Geld für den Besuch des katholischen Papst bezahlte, als er in München war. Zur katholischen Kirche hat es mich nie gezogen. Mich interessierte schon immer die Natur und Naturspiritualität, das war ein Mitgrund für die knapp 12jährige Ausbildung. Heute bin ich Druidin und ehrenamtliche, internationale Mentorin beim OBOD.
Matthias Zimmermann: Ich habe hier in meinen Pfarreien 15 hauptberufliche Seelsorgerinnen und Seelsorger, die mit mir die Menschen in diesem Gebiet begleiten, die ganz viel dafür tun, dass Menschen selbständig werden und mitentscheiden, das ist ein Ziel, das lange Zeit in der katholischen Kirche sehr stiefmütterlich behandelt wurde. Ich glaube, dass das wichtig ist. Das ist auch gar nicht modern, sondern eine Rückbesinnung aufs Evangelium, weil ich überzeugt davon bin, dass Jesus das ständig getan hat. Ich bin jetzt gespannt und neugierig auf dieses Gespräch, weil Druiden kenne ich bislang nur aus Asterix und Obelix.
Karin Pietzek: So war es bei mir auch, als mich mein damaliger Freund fragte, ob wir druidischheiraten wollen. Das war vor 14 Jahren. Er fand dann den OBOD. Wir begannen beide die Ausbildungsreihe und heirateten. Beim OBOD inspiriert mich der Freiheitsgedanke und der Umgang mit der Natur. Weg von Dogmen, hin zu Selbstverantwortung und gelebtem Miteinander.
Matthias Zimmermann: Diese Vereinigung legt dann auch gemeinsame Spielregeln fest?
Karin Pietzek: Die Spielregeln bestehen darin, dass die Menschen achtsam miteinander umgehen. Gemeinsam feiern wir Rituale und acht Jahreskreisfeste, deren Zeiten sind im gleichen Zeitfenster wie die der christlichen Feste.
Matthias Zimmermann: Die Christen haben diese Daten ja gar nicht selbst erfunden, sondern übernommen. Die Termine wie Weihnachten und Ostern waren schon vorher da, die hat man damals genommen und mit einem neuen Deutungshorizont gefüllt.
Karin Pietzek: Ja, Astronomen und Historiker konnten einige Unschärfen beim Christentum aufdecken. Die Essenz der Feste ist relativ gleich.
Matthias Zimmermann: Dass die Essenz der Feste relativ gleich ist, stimmt. Wir haben mal so große Plakate gehabt, wo die wesentlichen Kernaussagen der Weltreligionen aufgezeigt waren. Diese Plakate haben zu 70 oder 80 Prozent übereingestimmt, was die Feste und ihre Bedeutung anbelangt. Die Schnittmengen zwischen den Religionen sind so groß, dass es einem wundert, warum es zwischen den Religionen so wenig Konsens gibt. Zu sehen, was uns eint, um den Menschen zu sagen, wir wollen die Individualität stützen, damit die Schöpfung auch für kommende Generationen erhalten bleibt, nicht zuschanden gefahren wird, da haben wir – glaube ich – großen Entwicklungsbedarf, gut miteinander ins Gespräch zu kommen.
Wochenblatt: Sie haben ja gesagt, sie sind aus der Organisation der Kirche ausgestiegen, in der Sie ehrenamtlich engagiert waren. Jetzt haben wir gerade festgestellt, dass mindestens 80 Prozent identisch sind zwischen den großen Religionen und wahrscheinlich auch im Druidentum. Was trennt denn dann? Und was ist der Sinn dieser Trennung?
Karin Pietzek: Macht.
Matthias Zimmermann: Macht ist glaube ich, tatsächlich etwas Wesentliches. Die Angst, den Überblick zu verlieren, ist glaube ich auch etwas Wesentliches. Es gibt ja viele Strukturen in der Kirche, da wollen die Leute von mir: Pfarrer, sag uns wie es geschieht, sprich mal ein Machtwort. Nein. Ich will keine Machtwörter sprechen. Ich will zu einer guten Entscheidung herbeihelfen. Ich will mich nicht instrumentalisieren lassen, um Machtwörter zu sprechen, auch wenn in finanziellen Dingen manchmal entschieden werden muss. Dem Gott, an den ich glaube, dem geht es um gelingendes Leben. Eine kurze Geschichte. „Moses kommt in den Himmel und fragt Gott: Welche Religion ist denn die, die nach Deinem Sinne ist? Der liebe Gott antwortet ihm: Ach weißt Du, mit Religionen habe ich mich gar nie so auseinandergesetzt, die sind mir nicht so wichtig.«
Karin Pietzek: Es kommt auf den Menschen an.
Matthias Zimmermann: Das glaube ich fest. Jesus hat sich im Evangelium dauernd für den Menschen eingesetzt. Und klar hat sich dann die Institution Kirche gegründet und immer wieder auch aufgespaltet und hat immer wieder auch das Wesentliche aus dem Blick verloren, weil sie sich institutionalisiert hat. Ich bin trotzdem gerne in dieser Kirche, weil ich keine bessere Alternative kenne. Bei allem, was mich an dieser Institution stört, sehe ich, was im Bereich Sozialstationen, Schulen, Kindergärten, Altenpflegeheim, Seelsorge, alles an Gutem geschieht. Trotzdem leide ich an vielem in dieser Institution. Ich bin zwar in der Machthierarchie in der mittleren Ebene, bin der Vertreter des Bischofs im Hegau und dennoch bin ich nicht mit allem einverstanden. Das geht doch, wenn man ehrlich hinschaut, jedem Menschen in allen Beziehungen so. Ich glaube, es braucht dieser Institutionen, damit Menschen zusammengehalten werden, aber die Institutionen haben immer die große Gefahr, sich selbst erhalten zu wollen.
Wochenblatt: Warum soll ich zu Ihnen kommen, Frau Pietzek, warum soll ich mich dem Druidentum zuwenden?
Karin Pietzek: Das dürfen Sie selbst entscheiden.
Wochenblatt: Und zu Ihnen?
Matthias Zimmermann: Ich freue mich über jeden, der sich da engagiert. Ich darf einen personalen Gott verkünden und glaube an einen Gott, der diese Welt geschaffen hat, der in Jesus Christus Mensch geworden ist und uns den Geist Gottes gegeben hat, der diese Welt erfüllt. Es gibt ja immer wieder Menschen, die in schwierige Lagen kommen. Die können mir dann sagen, da brauche ich eure Kirche nicht, ich kann auch im Wald beten, da sage ich: Stimmt. Aber es geht auch darum, eine Gemeinschaft zu haben, die mich zum einen trägt, wenn ich getragen werden muss, die aber mir auch die Möglichkeit gibt, andere zu tragen. Mir ist klar: Ich bin katholisch getauft, bin katholisch aufgewachsen. Wäre ich in einem aktiven evangelischen Elternhaus groß geworden, wäre ich jetzt wahrscheinlich evangelisch, ich bin da reingeboren. Trotzdem glaube ich, dass die römisch-katholische Kirche bei allen vielen Defiziten, die sie hat, für mich eine Institution ist, wo Menschen sehr viel verändern konnten und wo ich auch heute noch die Hoffnung habe, dass wir in einem guten Miteinander unterwegs sind. Dass das nur in Gemeinschaft möglich ist, das ist Fluch und Segen zugleich. Segen, weil die Kirche ganz viel Gutes tun kann, und Fluch, weil durch diese Institution auch ganz viel Leid in die Welt kommt und gekommen ist, aktuell durch Missbrauchsgeschichten. Wenn ich die ganze Geschichte der Kirche anschaue, wenn ich denke, wie Missionare den Glauben in Menschen hineingeprügelt haben, dann bekomme ich regelmäßig einen Würgereiz. Es beelendet mich wahnsinnig, was im Namen Gottes bereits alles getan wurde. Und dennoch ist es für mich die Institution, von der ich sage, ich habe noch keine bessere gefunden, die auch so schon so vieles Gutes bewirkt hat.
Karin Pietzek: Da fängt es an: Sie wurden in die Kirche hineingeboren. Viele überlegen sich gar nicht mehr, was das bedeutet. Sie sind hineingeboren in einen Glauben und bleiben da ohne die Religion oder die Institution zu hinterfragen. In meinem Glauben gibt es den einen Gott. Er ist die Einheit, die in allem ist und durch alles fließt. Für mich zeigt sich Gott, durch die Art, wie ich lebe. Dazu kommt mir eine Metapher in den Sinn: »Gott hatte darauf hingewiesen, es kommt ein Unwetter und die Gläubigen sind alle weggegangen. Nur ein ganz besonders Gläubiger ist dageblieben und hat gesagt: Gott wird mir helfen. Dann kam das Unwetter. Es regnete und regnete, das Wasser stieg. Es kamen Helfer, doch der Gläubige lehnte jede Hilfe mit den Worten ab: Gott wird mir helfen. Er stieg Stockwerk um Stockwerk höher bis aufs Dach. Es kamen immer wieder Helfer, er antwortete immer wieder das Gleiche. Und irgendwann ertrank er, klopfte ans Himmelstor und beklagte sich bitterlich: Ich habe immer geglaubt und immer treu gebetet, warum Gott, hast Du mir nicht geholfen? Und dann bekam er zur Antwort: ich hab dir geholfen, nur du hast meine Hilfe nicht angenommen.« Diese Geschichte spiegelt die Selbstverantwortung, die jeder Mensch für sich trägt. In meinem Glaubensbild ist wichtig, dass ich die Verantwortung für mein Tun übernehme. Dazu gehört auch mich und mein Handeln zu reflektieren und wenn ich einen Fehler mache um Entschuldigung zu bitten. Heute ist es im gängigen Sprachgebrauch oft so, dass jemand, wenn ein Fehler gemacht wurde, einfach sagt: Entschuldigung. Das wirkt auf mich unüberlegt. Denn wie kann jemand, der jemand anderem einen Schaden zugefügt hat, sich selbst entschuldigen? Eine Tat entschuldigen kann nur der, dem ein Schaden zugefügt wurde.
Matthias Zimmermann: Das ist richtig. Das ist das, was am katholischen Glauben oft falsch verstanden wird, wenn Leute glauben, das ist praktisch, da kann man Böses tun, da kann man sündigen, dann kann man es beichten und dann ist wieder gut.
Wochenblatt: War nicht die Schlange zum Schluss schuld? (Lachen) Spaß beiseite: Wir hatten es vorher von der Institution: Sind Sie mit allem einverstanden in Ihrer Organisation, Frau Pietzek?
Karin Pietzek: Wo Menschen sind, da menschelt es. Bei Konflikten finde ich entscheidend, dass die individuellen Gefühle wahrgenommen werden und dann geprüft wird, was tatsächlich passiert ist. Wer eine Lösung finden möchte, kann dann aus der Ich-Perspektive sprechen: Mir geht es jetzt soundso, ich würde das gerne mit dir klären und den Konflikt so lösen, dass es für beide passt. Dann kann der andere sagen: Das möchte ich auch oder ich möchte das nicht. Dazu gehört Verantwortungsbewusstsein von beiden Seiten. Bei einer Organisation wie dem OBOD ist das noch einfach. Wir können aufeinander zugehen und reden.
Wochenblatt: Was macht Ihre Kirche und Ihren Glauben aus?
Matthias Zimmermann: Für mich ist das eben der dreieine Gott als Schöpfer, als Jesus als menschgewordener Gott und dem Heiligen Geist, der uns durchdringt. Und ich kann sagen: Ich bin immer noch auf der Suche nach 14 Semestern Theologie und viele Jahre Praxis. Wir haben natürlich bei uns sogenannte Dogmen, die aus langen Streits entstanden ist. ich verwende gerne das Bild: Das ist wie eine breite Autobahn, die einen Randstreifen hat, eine Standspur und es gibt Leitplanken, das sind die Dogmen etc. Als ich Ihnen, Frau Pietzek, zugehört habe, würde mich interessieren, wie ist das, wenn jemand zu Ihnen kommt und sie fragt: In welche Richtung geht Ihr Glauben? Muss das bei Ihnen jeder selbst finden?
Karin Pietzek: Ja. Für mich ist das Druidentum eine Weltanschauung. In unserem Orden gibt es keine Dogmen, alle Religionen sind willkommen. Durch Dogmen würde eine Struktur vorgegeben und mit der Struktur die Verantwortung und teilweise der freie Wille abgegeben. Wir übernehmen die individuelle Selbstverantwortung und sind da auch in der Ausbildung immer wieder angehalten, uns selbst zu reflektieren. Ich bin davon überzeugt nur glücklich leben zu können, wenn ich mich selbst kenne, mich respektiere und entsprechend handle.
Matthias Zimmermann: Wenn da jetzt eine Druidin oder ein Druide sagen würde, so muss es sein und die anderen haben Unrecht, dann gibt es da doch Grenzen.
Karin Pietzek: Dann höre ich mir das an und gleiche es ab mit dem, was ich denke und glaube. Wenn die Dogmen weg sind, ist die Akzeptanz im Miteinander eine ganz andere. Wenn der andere Recht hat in seinem Glaubenssystem, dann habe ich auch Recht in meinem. Das ist gelebte Gleichberechtigung, frei von ‚ich will dich überzeugen von dem was ich denke und glaube, dass es so sei‘. Die Grenzen werden definiert durch das, was wir als zehn Gebote kennen. Sie sind die Grundlagen des Miteinanders.
Matthias Zimmermann: Die zehn Gebote gibt es ja in allen großen Buchreligionen. Die goldene Regel: Das was Du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu, ist ja in allen Weltreligionen zu finden.
Karin Pietzek: Was du nicht willst, das man dir tu, stimmt. Wie geht die katholische Kirche mit den Priestern um, die Kinder vergewaltigt haben?
Matthias Zimmermann: In der Geschichte, die ich erlebt habe, ist der Priester am nächsten Tag verhaftet worden und ins Gefängnis gekommen und ist seiner Taten überführt worden. Lange Zeit ist es natürlich, weil man die Institution (nicht den Glauben) retten wollte, vertuscht worden. Das ist auch heute noch eines der ganz großen Probleme, die wir haben und da bin ich mit meiner Institution nicht in allem im reinen. Ich weiß aber von meinem Bischof, dem ich unterstellt bin, dass er da sehr klar ist und da können Menschen, die gegen das Recht handeln, und Menschen missbrauchen, keinen Schutz erwarten und müssen sich vor dem weltlichen Gesetz verantworten. Aber man hat da lange Zeit Priester versetzt, es vertuscht, das ist in meiner Organisation einer der vielen Stacheln, wo viel Leid unter die Menschen gebracht wurde, zumal wir als Seelsorger noch eine besondere Vertrauensposition haben.
Wochenblatt: Wie ist das bei Ihnen, Frau Pietzek. Gibt es nicht in jeder Institution die Frage, wie geht man mit Verfehlungen um? Gibt es Strafe, gibt es Ausschluss?
Karin Pietzek: Der OBOD ist keine Organisation wie die katholische Kirche, die mit dem Staat einen Vertrag hat und innere Autonomie lebt. Der einzige Rahmen könnte in Form der Ausbildungslektüre verstanden werden, die international gleich ist. Die Aufgaben während der Ausbildung dienen der Selbstfindung und werden individuell gelöst.
Wochenblatt: Ich würde Ihnen beiden gerne die Frage stellen, was Ihnen an Ihrer Weltanschauung und an Ihrem Glauben Kraft gibt.
Matthias Zimmermann: Der dreieine Gott ist für mich so wichtig, weil es zum Ausdruck bringt, dass er in den unterschiedlichsten Konstellationen in dieser Welt wirkt. Da gibt es ja Menschen, die glauben, da saß Gott da, hat die Menschen gebastelt und hat Ihnen in die Nase reingeblasen. Das hat mit meinem römisch-katholischen Glauben nichts zu tun. Wer das behauptet, lebt da außerhalb der genannten Autobahn. Es kam Jesus, der gezeigt hat, Gott ist nicht fern von uns, Jesus hat gelitten und er hat gezeigt, was Feindesliebe ist. Als er geschlagen wurde auf die rechte Wange, hat er nicht gesagt, da hast Du die linke Wange, hau da auch nochmal drauf. Ich find das gut …
Wochenblatt: … also ging es nicht um Masochismus …
Matthias Zimmermann: … nein, es ging nicht darum, sich dummdoof jedem hinzugeben, der einem quälen will, sondern er fragte: Warum schlägst Du mich. Und trotzdem sagt er am Kreuz: Vergib Ihnen, denn Sie wissen nicht, was Sie tun. Und Jesus hat die Jünger ermächtigt, selbst die Welt zu gestalten und dabei zu wissen, dass sie nicht alleine sind. Jesus hat den Tod überwunden und dann diesen heiligen Geist geschickt, um jedem Menschen zu sagen: ich will mit meinem Geist in Dir leben. Das gibt mir Kraft. Gott nimmt nicht die Last von mir, aber er hilft mir, sie zu tragen.
Karin Pietzek: In meiner Weltanschauung ist Gott in allem und fließt durch alles. Er ist in allem was lebt, in allem was war, was ist und was je sein wird. Das bedeutet, wir sind alle im morphogenetischen Feld miteinander verbunden. Verändert sich an einer Stelle etwas, kann sich das ganze Feld verändern. So nehme ich Gott wahr. Ich bin ein ganz kleiner Teil vom großen Ganzen. Je mehr Menschen dieses göttliche Prinzip in sich spüren, um so mehr kommt der Christusgedanke, der für mich reine Liebe ist, ins Bewusstsein. Das beinhaltet auch, wenn ich jemandem Schaden zufüge, dann füge ich diesen Schaden mir zu. Wenn ich jemandem etwas schenke, dann ist das ein Geschenk, weil ich etwas geben möchte. Frei von der Erwartung, etwas zurück zu erhalten.
Matthias Zimmermann: Hat dieser Gott einen aktiven Teil?
Karin Pietzek: Ja, den spüre ich und kann ihn mit Worten schwer greifbar machen. Es ist ein Gefühl von Bewusstheit im Alltag und dass ich diese Dankbarkeit für dieses bewusste Sein wirklich lebe. Das bedeutet beispielsweise auch erkennen, wenn ich wütend bin. In dem Bewusstsein, dass wir alle eins sind, heißt das, dass ich mit mir streiten würde, wenn ich wütend bin. Sich dann klar darüber werden, wie können wir so miteinander umgehen, dass es lebenstauglich ist, ohne den andern in eine Schublade zu schieben, das ist manchmal eine Herausforderung. Und gleichzeitig hilft es mir beim Erkennen von dem, was hinter einer Wut steht.
Matthias Zimmermann: Die Aktive sind dann Sie selbst, wie ist Gott aktiv?
Karin Pietzek: Wenn Gott in allem ist, dann fließt er ja auch durch mich, wobei ich nicht Gott bin, das ist der aktive Anteil. Vielleicht wird es mit einer Metapher deutlicher. Mein Körper ist in dem Vergleich ein Auto, das ich pflegen kann. Der Geist ist der Chauffeur und die Seele ist das Bewusstsein. Wenn ich dem, was mein Seelenauftrag ist, nicht entspreche, dann geht mein Geist mit meinem Körper so um, dass er kaputt geht. Ich bekomme innere Konflikte. Gott ist dabei das bewusste Sein. Wenn ich mir meiner Selbst bewusst bin, dann spüre ich den inneren Konflikt, werde mir bewusst was ist und was ich will. Das ist das Gesetz der Anziehung. Ich ziehe energetisch an, was ich glaube. Sehe ich mich in einer Opferrolle, dann werde ich zum Opfer. Sehe ich mich lösungsorientiert handlungsfähig, dann komme ich ins Tun.
Matthias Zimmermann: Ich glaube, dass ich am Ende des Lebens meinem Schöpfer irgendwie Rechenschaft ablegen muss. Wie das funktioniert, weiß ich letztlich nicht. Ich glaube daran, dass wir irgendwie auferstehen, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie. Und ich glaube, dass da mein Vater, meine Freunde, viele Menschen an einem guten Ort sind und ich denen wieder begegne. Daran glaube ich. Gibt es da etwas entsprechendes bei Ihnen?
Karin Pietzek: Den Teil vom ewigen Leben glaube ich auch. Rechenschaft, das weiß ich nicht. In meinem Glaube geht das individuelle Seelenbewusstsein ins All-Eins über. Dabei gibt es Inkarnation, Reinkarnation und verschiedene Raumzeitdimensionen, die Entwicklungsdimensionen entsprechen. Das Seelenpotenzial kann sich mit dem freien Willen weiterentwickeln. Das glaube ich für mich, dieser Teil hat jedoch nichts mit dem Druidentum zu tun. Im Druidentum gibt es auch den Ort, an dem wir den verstorbenen Ahnen, Freunden und anderen begegnen.
Matthias Zimmermann: Ich glaube nicht an eine Hölle wie auf dem Chorbogenbildern der Engener Kirche dargestellt, aber bei all dem unerträglichen Leid, das sich Menschen antun, glaube ich daran, dass Menschen im Angesichts Ihres Todes damit konfrontiert werden, was sie in diesem Leben getan haben oder versäumt haben zu tun.
Karin Pietzek: Wenn ich sterbe, dann legt sich mein Körper zur Ruhe, der Geist löst sich auf und die Seele lebt weiter. Mit 19 hatte ich ein Nahtoderlebnis nach einem schweren Unfall. Damals ist mein Leben in einem hellen Licht ganz schnell an mir vorbeigezogen, dann war es plötzlich wieder dunkel und ich wachte wieder auf. Es war noch nicht Zeit zu gehen.
Wochenblatt: In unserer Diskussion geht es gerade um die wertende Instanz, oder?
Matthias Zimmermann: Ja, ich glaube, dass ich Rechenschaft ablegen muss.
Karin Pietzek: Ach, darauf möchten Sie hinaus. Wenn ich in diesem Leben viele Fehlentscheidungen getroffen habe, dann glaube ich, dass mein Seelenbewusstsein im nächsten Leben eine ähnliche Erfahrungsebene nochmal durchlaufen wird.
Wochenblatt: So in etwa karmamässig?
Karin Pietzek: Genau. Ich darf das Leben solange auf der vergleichbaren Ebene durchlaufen, bis das Thema meines Seelenauftrags verstanden wurde.
Matthias Zimmermann: Darf ich etwas provozieren: Dann kommen ja nur die Dummen hierher zurück, oder?
Karin Pietzek: Nein. Es gibt den freien Willen. Sie können sich bewusst entscheiden, nochmal eine Runde drehen und andere inspirieren.
Wochenblatt: In der römisch-katholischen Kirche wird man getauft, bekommt die Kommunion und wird gefirmt. Wie wird man bei Ihnen aufgenommen, Frau Pietzek?
Karin Pietzek: Mit einer Initiation. Diese ist individuell und geht auf den Menschen ein. Das Ritual wird von zwei Druiden geleitet.
Das Gespräch führte Anatol Hennig
Wie im Druidentum ein Hochzeitsritual aussehen kann und einige weitere tiefergehenden Aspekte mehr können Sie im kompletten Gespräch hier als Audiodatei auf Youtube anhören.
Autor:Anatol Hennig aus Singen |
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