1875 Jahre nach Christus

Schiesser: Ein Trikot-Pionier im Tanzsaal

Es war das Jahr 1875, als der damals 27jährige Jacques Schiesser aus dem Kanton Glarus in Radolfzell auftauchte. Schiesser wollte eigentlich ganz woanders hin, nämlich nach Königsberg in Ostpreussen. Doch dem jungen Fabrikanten, der bereits im Thurgau eine Buntweberei betrieb, hatte eine junge Radolfzellerin, die damals den Haushalt der Schiessers bewirtschaftete, Radolfzell als Standort wärmstens empfohlen. Flächen gäbe es dort in Hülle und Fülle. Und Jacques Schiesser biss an.

Im Tanzsaal des Gasthauses "Schwert" begann die Unternehmensgeschichte, schon 1876 wird mit dem ersten Fabrikbau begonnen, dem noch viele folgen sollten. Schon 1900 hatte Schiesser einen Exportanteil von 80 Prozent, als Jaques Schiesser 1913 stirbt, hat das Unternehmen 1300 Mitarbeiter und hat sich den Ruf einer Weltmarke erarbeitet, die fast jeder kennt. Schon 1890 wird in Stockach der erste Filialbetrieb eröffnet, es folgt 1896 ein Werk in Engen. Die Zeit nach den beiden Weltkriegen waren mit heftigen Unternehmenskrisen verbunden, doch ab 1950 startet das Unternehmen in den Aufschwung: 1959 kommen Standorte in Rielasingen und Mimmenhausen dazu, bis 1966 gibt es weitere Filialen in Waldshut, Steisslingen, Mühlhofen, Geislingen, Tengen, Dettingen und Hohentengen sowie Donndorf in Oberfranken. Nach den "Wende" kamen Werke in Sachsen und Tschechien hinzu. 1966 wird das 1916 zur Aktiengesellschaft erklärte Unternehmen für eine kurze Zeitspanne in eine GmbH umgewandelt, jetzt will Schiessser als AG wieder an die Börse.

Die große Strukturkrise des Textilstandorts Deutschland erfasst auch Schiesser, wenngleich mit Verspätung: Viele der Filialen gibt es inzwischen nicht mehr, das Unternehmen ist gegenwärtig dabei, seine Produktion auf den Kernstandort und Tschechien zu konzentrieren. 7000 Mitarbeiter hatte Schiesser 1996 weltweit, dann kam das Signal zum "Relaunch", das für unserer Region bislang den Verlust von über 1000 Arbeitsplätzen bedeutete. Im Jahr 2000 will Schiesser fit sein für die Börse.

Oliver Fiedler