In der vergangenen Woche erinnerte die Radolfzeller Fridays-for-Future-Gruppe mit einer Mahnwache vor dem Rathaus an die »Klimakrise Radolfzell aktiv«, die vor einem Jahr vom Gemeinderat beschlossen wurde.
Bilanz über ein Jahr »Klimakrise Radolfzell aktiv«

Mahnwache Klimakrise | Foto: Um an das einjährige Jubiläum der »Klimakrise Radolfzell aktiv« zu erinnern gab es am Donnerstag eine Mahnwache. swb-Bild: dh
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Radolfzell. Ein Jahr ist es her, dass der Radolfzeller Gemeinderat den Beschluss gefasst hat, für die Stadt die »Klimakrise Radolfzell aktiv« zu erklären und damit alles städtische Handeln auf den Klima-Prüfstand zu stellen. Aus diesem Grund veranstaltete die Fridays-for-Future-Bewegung eine Mahnwache vor dem Rathaus. »Wir haben im Laufe des vergangenen Jahres einen großen Einblick in die Arbeit der Stadt bekommen«, erklärt Carolina Groß, die nicht nur Mitglied im Organisationsteam der Radolfzeller Fridays-for- Future-Gruppe ist, sondern auch im Jugendgemeinderat sitzt. »Wir wurden offen empfangen und ernst genommen«, so ihr Fazit nach einem Jahr Klimakrise. Allerdings: Den Aktivistinnen und Aktivisten ist das Erreichte insgesamt noch nicht genug. »Wir sind noch weit von dem 1,5-Grad-Ziel entfernt«, mahnt Groß.

Vor einem Jahr sind die Jugendlichen mit einem 60 Punkte umfassenden Maßnahmenplan an die Stadtverwaltung getreten. Einiges davon war bereits in der Umsetzung, anderes konnte im Laufe des Jahres umgesetzt werden, sodass die Liste immerhin inzwischen auf 25 Punkte geschrumpft ist, berichtet Groß. Ein Erfolg, auf den sie sich stolz zeigt, ist etwa die Einführung eines kinderfreundlichen, biologischen und vegetarischen Essensangebots an den Radolfzeller Kitas. Die Schulen sollen folgen. Doch auch für die Zukunft gibt es noch viele Pläne. So soll es nach dem Wunsch von Fridays for Future einen Nachhaltigkeitswettbewerb geben, an dem sich die Bürgerinnen und Bürger beteiligen können. »Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger nach Corona auf jeden Fall wieder für den Klimaschutz sensibilisieren. Denn ohne eine breite Beteiligung in der Bürgerschaft wird eine wirkliche Wende nicht klappen«, sind sich die Jugendlichen sicher.

Dieses Fazit ziehen die Gemeinderatsfraktionen über ein Jahr »Klimakrise Radolfzell aktiv«:

Siegfried Lehmann (Freie Grüne Liste): »Leider wurde mit der Umsetzung der wesentlichen Beschlüsse noch nicht begonnen. Weder liegt die Bilanzierung des bisher Erreichten vor, noch wurde das beschlossene integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept ausgeschrieben.« Nachjustierungsbedarf sieht Lehmann darin, dass die »vernachlässigte energetische Sanierung der städtischen Gebäude«, die Modernisierung der Heizungsanlagen und die schnelle Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED auf den Weg zu bringen über Contracting-Modelle seien. Auch die Verpflichtung zur Installation von Photovoltaikanlagen in den baulandpolitischen Grundsätzen festzuschreiben, sei ein wichtiger Punkt.

Dietmar Baumgartner (Freie Wähler)
, ist zufrieden mit dem, was die Stadt getan hat, um der Klimakrise gerecht zu werden. »Wir haben zum Beispiel beschlossen, dass alle klimaförderlichen Schlüsselprojekte in die höchste Priorität kommen. So sind das klimaneutrale Gewerbegebiet, die ÖPNV- und Fahrradmobilität sowie die Verbesserung des Stadtgrüns und Baumbepflanzungen besonders dringlich und wichtig«, so Baumgartner.
Er ist sich indes sicher, dass man beim Thema Klimaschutz immer wieder einmal nacharbeiten muss, zum Beispiel beim Thema Stadtklimaanalyse. »Erst kürzlich haben wir beschlossen, den Gemeinderat stärker in die Diskussion einzubinden und einen Klimabeirat zu bilden. Auch die Bürger müssen eingebunden werden«, so Baumgartner. Zugleich mahnt er: »Die städtischen Finanzen in Coronazeiten werden eine große Rolle dabei spielen.«

Norbert Lumbe (SPD)
, will den Bogen weiter spannen. »Begründung: nicht erst seit einem Jahr beschäftigt uns das Thema, auch wenn es durch den Beschluss ›Klimakrise‹ eine noch größere Aufmerksamkeit erhalten hat«, so Lumbe. »Der eingeschlagene ›Radolfzeller Weg‹ zu einer klimaneutralen Stadt ist weniger spektakulär, dafür aber konsequent und sozial ausgewogen: European Energy Award, mittlerweile auf Silberniveau, Bioenergiedorf Möggingen, Solarenergiedorf Liggeringen, ein Mobilitätskonzept, das Fußgänger und Radfahrer privilegiert, 10.000-Bäume-Aktion, Photovoltaik als eine Bedingung der baupolitischen Grundsätze, finanzielle Hilfe zur Sicherung des brasilianischen Regenwaldes. Die SPD-Fraktion ist sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und wird Schritt für Schritt den Weg in eine klimapositive Stadt gehen«, so Lumbe.

Berhnard Diehl (CDU):
»Der Beschluss ›Klimakrise Radolfzell aktiv‹ war ein wichtiger Impuls, aber bedingt durch die Corona-Pandemie hat dieser Beschluss an Energie verloren. Gestartet mit vielen Ansatzpunkten, auch durch die FFF-Bewegung, haben wir nicht genug getan. 10.000 Bäume, Pflicht zur Installation einer Solar- oder Photovoltaikanlage beim Kauf von städtischen Grundstücken und Hausbau, Solarpark Reichenauer Wiesen beispielsweise sind alles richtige Projekte, aber noch in der Umsetzung. Es genügt nicht, Symbolpolitik mit großen Projekten zu machen. Die kleinen Schritte sind auch wichtig. Auch wenn uns jetzt die Sorge durch Corona umtreibt«, so Diehl. In jedem Fall wolle »die CDU-Fraktion den Beschluss ›Klimakrise Radolfzell aktiv‹ weiter umsetzen und beschleunigen«, so Diehl.

Jürgen Keck (FDP) fehlen klare Ziele bei diesem Beschluss. »Hier wurde im letzten Jahr etwas beschlossen, ohne konkrete Maßnahmen zu definieren. Wir hatten uns bei der Abstimmung daher auch enthalten. Aufgrund dieser undefinierten Ziele kann man leider nicht sagen, ob diese erreicht wurden.
Es muss mehr für den Klimaschutz getan werden. Als Freie Demokraten möchten wir den Menschen allerdings keine solche Maßnahmen vorschreiben, die für den Einzelnen überbordende Kosten verursachen. Wir appellieren an die Eigenverantwortung. Von städtischer Seite gibt es enormes Potenzial an Liegenschaften, die durch die eigenen Stadtwerke mit Photovoltaik belegt werden können. Auch Nahwärmenetze und energetische Sanierungen bedeuten gemeinschaftlich kommunaler Klimaschutz.«

- Dominique Hahn

Autor:

Redaktion aus Singen

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