Wolfgang Schäuble wahrer Meister zum Schluss
An Günther Jauch scheiden sich Geister
Talk-Shows haben immer noch Konjunktur, auch wenn sich an Günther Jauch offenbar die Geister scheiden. Und der nimmt sich zum Abschied mit Wolfgang Schäuble noch den Altmeister mit Hang zu Späßle und einen Schuß Humor vor! Da ist die einschlägige Medienschelte gesichert! An Millionär Jauch reibt man sich gerne – und Schäuble ist ein wahrer Fels in der Brandung! Wer oft in Interviews getalkt hat, hat einen anderen Zugang zu Themen und Personen. Ganz schwierig ist es, wenn man den Gesprächspartner von früher kennt oder ihn selbst schon im Interview vor sich hatte. Mein Fazit: Jauch hat sich respektabel geschlagen! Natürlich führt nicht jede Fragestellung zum Antwort-Erfolg; vor allem nicht beim freundlichen Abschied!
Zum Abschied gehört der Anfang: Wie kam also Schäuble vor 43 Jahren zum Bundestagsmandat? Da habe ihm seine Frau Absolution erteilt! Denn bevor der Finanzbeamte aus altbadischem Haus zu den Schwaben nach Stuttgart gehen würde, dürfte er sich nach Bonn in den Bundestag bewerben! Schäubles Vorgänger als Vorsitzender der Jungen Union Südbaden erlebte ich bei einer Wahlkampfreise in Engen: Dr. Eyrich beriet mit seinen Vorstandskollegen, welche Mandatsträger in Südbaden aufhören würden? Wo also würde sich die nächste Kandidatur lohnen? Ich war über die Offenheit schockiert! Alle voll postengeil? Beim nächsten Landestag der Jungen Union in Bad Dürrheim stellte ich den Antrag auf Nichtentlastung von Dr. Eyrich und Co. Sie hätten ihre Amtszeit so verlängert, dass für sie noch ein Mandat herausspringen könnte! Wenige Jahre später ähnliche Szene in Überlingen am See: Anton Pfeiffer ging verspätet als Landesvorsitzender der Jungen Union. Er wollte noch auf Hans Filbingers Kabinettliste. Doch da gab es einen anderen Jungstar: Erwin Teufel, den späteren Umweltminister und Filbingers später Erbe. Doch Anton Pfeiffer musste auf den Platz bei Helmut Kohl im Kanzleramt warten! In Überlingen kassierte er einen Rügeantrag von Volker Kauder und mir. Mit der Mehrheit der Delegiertenstimmen präsentierten wir dem Präsidium den Antrag. Sie fragten zurück: „Was sollen wir damit machen?“ – „Zur Kenntnis nehmen!“ „Dann ist es beschlossen!“
Der Weg zu Amt und Mandat war bei Wolfgang Schäuble sauber eingefädelt. Er wurde Kandidat in seinem Heimatwahlkreis! In seiner Schulzeit war er Freier Mitarbeiter des „Schwarzwälder Boten“. Mit Blick auf den künftigen Wahlkreis fand der Programmtag der Jungen Union Südbaden 1970 in Offenburg statt, wo das gleichnamige Programm verabschiedet wurde. Als Antragskommission fungierten Sven von Ungern-Sternberg und ich. Der Dritte im Bunde ging über Bord. So teilten wir uns beide den Rest. An diesem Morgen war der Warschauer Vertrag im Wortlaut veröffentlicht worden. Den Vortragsantrag dazu sollte ich formulieren. Einen Tag später stimmte der Deutschlandtag der Jungen Union zu. Das war bei der umstrittenen Materie natürlich großartig. Wenige Monate zuvor hatten sich die Befürworter der Ostpolitik auf der Burg Hohenzollern bei Hechingen mit Jürgen Echternach, dem Bundesvorsitzenden, zusammengefunden, um ihn in seiner Position zu stärken. Anerkennungen irgendwelcher Grenzen hatte ich längst aus meinem Vokabular gestrichen. Ich sprach nur noch von der „Anerkennung der politischen Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa“.
Das waren meine Monate mit Vortragsterminen zur Ostpolitik in Gengenbach, dem Wohnort Schäubles, den beiden Teufel-Brüdern in Trossingen und Spaichingen sowie in Immendingen, wo der spätere Finanzstaatssekretär von Franz Josef Strauß, Dr. Hansjörg Häfele, eine Wahlveranstaltung verpennt hatte. Und plötzlich sprach ich vor 200 Bürgern in Uniform!
Man trifft sich auch nicht nur zweimal im Leben. Im Blick auf die Bundestagswahl 1998 hatte Kanzler Helmut Kohl erklärt, er kandidiere wieder und ließ damit Wolfgang Schäuble im Regen stehen. Wenige Tage später war dieser Hauptredner des internationalen Bodensee-Treffens christlich-demokratischer Politiker in Ludwigshafen am Bodensee. Mit oder ohne Kohls-Erklärung war dies ein Interview-Termin für mich. „Was nun, Herr….?“ fragt heute das ZDF. Ich wollte dies damals von Wolfgang Schäuble wissen. Er wirkte betroffen und getroffen. Er wollte mit aller Kraft in den Wahlkampf ziehen, ein echter Parteisoldat. Daran denke ich bei der jetzigen Kritik an Günther Jauch: Schäuble ist ein Profi, Meister seines Fachs. Er bestimmt, wer wie weit an ihn herankommen darf! Interviews sind wie ein Spiel: Was ist der andere bereit, einem anderen preis zu geben!? Vor Wahlen ist der Spielraum geringer als im Alltag. Regine Hildebrandt, Rainer Eppelmann, Wolfgang Gerhardt, Cem Özdemir ragen auf den Interview-Terminen heraus. Man kommt einander näher, plötzlich geht eine Tür auf! Bei Günther Jauch erlebt man es immer wieder: Sein Konzept geht auf. Guten Talk gibt es nicht jeden Abend frei Haus. Manchmal kann man nach drei oder vier Fragenbereichen abschalten. Das ist dann der kleine Unterschied! Jauch werde ich vermissen. Zudem weiss er, wie weit er gehen darf. Manche Persönlichkeit gibt in der Sache auch nicht mehr her. Mein härtester Brocken war Günther Netzer, Sport und Geschäft. Nur Beckenbauer und Blatter wären interessanter . . . .
Von Hans Paul Lichtwald
- Redaktion
Autor:Redaktion aus Singen |
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