"Ich brauche keine Ehre"
Oberbürgermeister a.D. Friedhelm Möhrle wird 90 Jahre alt

Bis heute lebt Friedhelm Möhrle mit seiner Frau im Herzen der Stadt Singen. | Foto: Anja Kurz
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Singen. Von 1969 bis 1993 war Friedhelm Möhrle der Oberbürgermeister von Singen. 24 Jahre, in denen er die Stadt sehr geprägt hat. Bei seinem Amtsantritt noch 35 Jahre jung, ist er seit dem 24. Juli stolze 90 Jahre alt.

„Für mein Alter geht es mir verhältnismäßig gut, sehr gut sogar“, findet er. „Ich laufe jeden Tag zwei Kilometer, um beweglich zu bleiben“, wenn auch inzwischen mit zwei Stöcken. „Ich sage ‚Ja‘ zu meinem Alter“, betont Friedhelm Möhrle. „Ich akzeptiere, dass ich nicht mehr so gut laufen kann und viel Hilfe im Haushalt brauche.“

Autorennen mitten in Singen

In das politische Geschehen in der Stadt will er sich dabei nicht mehr einmischen: „Ich meckere nicht mehr rum. Ich habe meinen Nachfolgern nie reingeredet. Das eine oder andere habe ich wütend registriert, bin aber immer still geblieben.“ Einzig das Ende der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM), die Anfang der 90er auf den Straßen des Singener Südens, dem „Alemannenring“ stattgefunden hatten, scheint er sehr zu bedauern. „Das ist ideal gewesen, mit den breiten Straßen dort. Über 40.000 Zuschauer haben wir jeweils gehabt.“

Mit einem Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen und in Paris, sowie einigen Jahren auf der „großen“ Politikbühne beim Innensenator Berlins, standen Friedhelm Möhrle einige Möglichkeiten offen. Trotzdem blieb er bis heute bei seiner Heimatstadt Singen. „Ich habe ganz bewusst ‚Adieu‘ gesagt auf der großen Ebene der Landes- und Bundespolitik. Ich wollte an den Ursprung der Politik, zu den Menschen“, erklärt er seine Rückkehr in den Hegau. „Etwas Schöneres, als Oberbürgermeister zu sein, kann ich mir nicht vorstellen.“

"Ich weiß gar nicht, welche Partei ich noch wählen soll"

Sorge bereite ihm die Zukunft Europas und Deutschlands: Es werde zu viel gefördert und nicht mehr gefordert. Auch seine ursprüngliche Begeisterung für die AfD spricht er an: „Ich dachte, das ist was Neues. Inzwischen ist es aber eine reine Putin-Partei und für mich nicht mehr diskussionsfähig.“ Das stellt den Ex-SPD-Mann vor eine Herausforderung: „Ich weiß gar nicht, welche Partei ich wählen soll.“

Bei der Oberbürgermeisterwahl 1969 setzte er sich gegen den Amtsinhaber Theopont Diez durch. „Mein Vorgänger hat mir eine wunderbare Mannschaft hinterlassen“, erinnert sich Möhrle an seinen Amtsantritt. „Wenn ich so überlege, die Stadt hat schon wunderbare Chancen gehabt. Ich habe im Grunde mit dem gewuchert, was mir Theopont Diez als Erbe hinterlassen hat.“ Was ihn mit seinem Vorgänger verband, war besonders die Begeisterung und der Einsatz für die Kultur. Verlassen konnte er sich dabei auf Dr. Herbert Berner, der als Leiter im Kulturamt maßgeblich für die Verknüpfung der Stadt Singen mit dem heutigen Hausberg Hohentwiel gesorgt hatte.

Integration der Gastarbeiter

Friedhelm Möhrle selbst begründete das Sportamt, mit Alfred Klaiber als dessen Leiter. „Der Sport war vernachlässigt“, erinnert er sich. Generell sei ihm das Vereinsleben der Stadt stets wichtig gewesen, „weil das Gefühl der Gemeinsamkeit in Singen dadurch gefördert worden ist“. Während seiner Amtszeit seien durch die florierende Industrie und die vielen Großbetriebe jährlich viele Menschen hergezogen, aus Deutschland, aber auch Gastarbeiter aus Italien, Portugal oder dem damaligen Jugoslawien. Auch für sie gab es Vereine und Zentren: „Das war für mich eine Vorstufe der Integration und die ist auch gut geglückt.“

Neben dem Kultur- und Sozialleben habe er auch das damals städtische Krankenhaus „enorm gefördert“ und die Interessengemeinschaft (IG) Singen Süd mitgegründet. „Allein diese Gründung hat die Südstadt aufgewertet. Sie ist sehr stark geworden.“ Dadurch und durch die planerische Entwicklung des Südens, habe sich die Südstadt zum gleichwertigen Stadtteil gemausert.

Seinen 90. Geburtstag feiert Möhrle in kleiner Runde. „Der Oberbürgermeister Bernd Häusler hat sich angekündigt, der wird die Gratulation der Stadt überbringen.“ Sonst werde er den Tag mit dem engeren Kreis an Freunden und Verwandten verbringen.
Trotz seiner Verdienste lehnt er nach wie vor ab, durch die Stadt in Form der Ehrenbürgerwürde oder ähnlichem geehrt zu werden. „Ich brauche keine Ehre. Der Beruf war wunderschön und genau nach meinem Geschmack.“

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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