Übungsfirmenmesse in der Stadthalle
"Mit echtem Geld muss man sich anders reinhängen"

- Zu Recht stolze Veranstalter der diesjährigen Internationalen Bodensee Schülermesse in der Singener Stadthalle: Ein Teil des Teams der Robert-Gerwigschule mit Marina Bußmann und Stefan Klocke als betreuende Lehrer*innen.
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Es ist die 13te Internationale Bodensee-Schülerfirmenmesse (IBS) mittlerweile, die in Singen in der Stadthalle Singen letzte Woche veranstaltet wurde. Die größte Verantwortung dabei hatten die Schülerinnen und Schüler des BK 1 von der Singener Robert-Gerwig-Schule: Sie organisierten die Messe mit rund 40 Ausstellern und das mit echtem Geld und echtem Erfolgsdruck, was offensichtlich einen Riesenunterschied zu anderen Übungsfirmen ausmachte.
Luciana Alves von der Robert-Gerwigschule sagte: „ Wir hatten mit echtem Geld zu tun, da muss man sich anders reinhängen“. Die Schülerinnen und Schüler haben das Logo der IBS neu entwickelt, Sponsoren an Land gezogen, mit den Ausstellern, die sogar aus Vorarlberg anreisten, kommuniziert, Gäste empfangen, eine eigene Webseite aufgesetzt, die Presse eingeladen und einen B.Free-Stand vor der Halle betrieben. Ivano Bahovic: „Wir mussten Mails professionell beantworten und dafür auch mal im Homeoffice arbeiten.“ Beide lobten ihre Lehrer: Marina Bußmann und Stefan Klocke hätten sie super durch die anspruchsvolle Aufgabe geleitet. Die Schülerinnen und Schüler erlebten dabei nicht nur, was es bedeutet, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen in der echten Welt, sondern waren aufgrund der Benotung der Arbeit auch im Wettbewerb untereinander. Näher an der Wirklichkeit können Übungsfirmen nicht sein, ist doch bei aller Kooperation in Betrieben auch der Wettbewerb zwischen allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Teil der Realität.
Das Black Forest Wonderland (Berufsfachschule Wirtschaft in Villingen) war eines der ausstellenden Schülerunternehmen in der Stadthalle. Gerhard Weber, einer der betreuenden Lehrer der dortigen Übungsfirma, erklärt: „Jede Übungsfirma hat eine Patenunternehmen aus der Realwirtschaft, in unserem Fall die Drogerie Müller.“ Abgebildet werden dann Marketing, Bestellungen, Bestellabwicklung, Rechnungslegung und natürlich geschäftliche formal korrekte Kommunikation. Weber und seine Kollegin Melanie Horn beobachten, dass in den Übungsfirmen oft Schüler und Schülerinnen aufblühen, die im Unterricht eher weniger präsent wirken. „Vor allem bei den Jungs ist das zu beobachten“, so Weber. Praxis motiviert offensichtlich, was logisch scheint, sind doch die Erfolgserlebnisse auch irgendwie echter. Übrigens: Der Name Black Forest Wonderland wurde entwickelt an der Schule, bevor die Tourismusregion Schwarzwald die englische Übersetzung als Marketingclaim entdeckte.
Mika Schürmann, Schüler vom Berufsschulzentrum Stockach, verkauft mit seinen Kolleginnen und Kollegen am Stand von „AGF: All Generation Furniture“ Möbel in Partnerschaft mit dem Möbelhaus Stumpp. Er hat gelernt: „Man muss schon hinterher sein, dass nach dem Verkauf auch alles funktioniert.“ Aber genau darum geht es: Die Prozesse, die in den meisten Unternehmen vom Grunde her ähnlich sind, in der gespielten Praxis kennenzulernen.
Dem Autor fällt auf der Messe auf: Es gibt überall Rabatte (bis zu 50 Prozent). Die Frage „warum so viele Rabatte überall?“ beantwortet Matthias Stocker von der Erwin-Teufel-Schule aus Spaichingen für den Live Fresh-Stand seiner Schülerinnen und Schüler: „50 Prozent bekommen nur die wenigen, die gewinnen und die mindestens für 40 Euro einkaufen.“ Ob das noch mit dem Gesetz mit dem Unlauteren Wettbewerb vereinbar wäre, muss offen bleiben, aber das Prinzip wird gelernt: Konsumenten bekommen Anreize und der Spieltrieb, der in uns allen ist, wird angeregt. Beim Testkauf des Autors am Stand wurden die Produkte (Säfte und Shots) gewinnend präsentiert, alleine beim Thema Allergene in den Produkten versagte das Detailwissen und damit sind bekanntlich Schülerinnen und Schüler nicht alleine.
Die Übungsfirmenmesse wird natürlich in den Schulen reflektiert: Die Übungsfirmen spielen gegenseitig Kundinnen und Kunden und bewerten sich gegenseitig beispielsweise für den Aufbau des Messestandes, die Produktauswahl und –präsentation, für die Verkaufsgespräche. Die Lehrerinnen und Lehrer bewerten die Proaktivität der Schülerinnen und Schüler.
„Die Arbeit in den Übungsfirmen ist für die Schülerinnen und Schüler ein Baustein zur Berufsfindung“, sagt Melanie Horn aus Villingen. Nochmals Luciana Alves: „Ich habe mir während der Organisation der Messe schon auch überlegt, ob ich Marketingmanagement studieren möchte. Aber wahrscheinlich bleibe ich doch beim Studienfach Wirtschaftsrecht.“ Auch das ist eine Funktion der Übungsfirmen: Sich ausprobieren und schauen, was einem liegt, für was man sich einsetzen möchte im Berufsleben, was man gut kann und was man einem weniger liegt.
Autor:Anatol Hennig aus Singen |
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