Der Bunte Hund ist wieder da
Heute wirklich schlecht gelaunt

Foto: Redaktion

Ich war ein paar Wochen weg. Wollte vor der Wahl ein bisschen schnuppern, die Ohren spitzen. Und darüber bin ich ernst geworden, sehr ernst sogar.

Den meisten Menschen geht es nicht schlecht, habe ich das Gefühl, wenn man es mit ganz früheren Zeiten vergleicht, aber den Menschen geht es schlechter als vor ein paar Jahren. Sie haben Angst, sozial abzusteigen, viele junge Leute haben Angst, dass immer mehr Rentner und Rentnerinnen ihr Einkommen auffressen. Viele haben Angst, dass das Klima uns Probleme machen wird. Und viele haben Angst vor Krieg. Solche Ängste muss man ernst nehmen, was vor allem dann, wenn man selbst in einer gesicherten Lebenssituation ist, nicht ganz einfach ist. Die Angst, es nicht zu schaffen, kommt hinzu, weil viele nach den letzten Jahren der Unsicherheit erschöpft sind.

Viele Menschen fühlen sich verschaukelt, nicht ernst genommen. Die Coronazeit ist von den Mächtigen nicht ordentlich reflektiert worden, sagen viele. Hinter vorgehaltener Hand, weil sie das Gefühl haben, dass man darüber nicht so laut sprechen sollte. Viele Menschen schauen auf den Umgang mit Flüchtlingen und der Ernsthaftigkeit von Integrationsbemühungen kritisch. Viele haben eine sehr differenzierte Meinung zu Putins Angriff auf die Ukraine und den Kriegsverlauf oder den palästinensischen Terrorangriff auf Israel, den Gegenschlag und den Kriegsverlauf. Sehen auch die Menschen, die leiden. Aber auch sie haben das Gefühl, dass sie darüber nicht so reden sollten. Wenn über all das offen geredet würde, weil wir ein Klima hätten, das das erlaubt, dann würden Konflikte in der Gesellschaft offensichtlich, die so verdeckt werden.

Für die Mächtigen hat das den gleichen Vorteil, wie wenn in einer Firma der Chef seinen Mitarbeitern nicht mehr zuhört: Man muss sich nicht damit beschäftigen und kann recht behalten. Doch Konflikte, die nicht bearbeitet werden, schwelen weiter. Als kalte Konflikte. Und das ist gefährlich. In Familien, in Unternehmen, in Deutschland, in Europa.

Und jetzt sind die Ergebnisse da. Und es wird diskutiert. Und die Bevölkerung muss zuschauen, wie sich Mächtige gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben. War es nicht so, dass den Menschen in der Bevölkerung immer gesagt wurde: Fang bei Dir an. Verändere Dich. Sie bekamen das in Hauruckreden, in ihren Unternehmen und in unzähligen schlauen Ratgeberbüchern zu hören und zu lesen. Warum tun das die Mächtigen jetzt nicht? Es ist eine verlotterte Moral dort. Und sie ist gefährlich. Und das betrifft nicht nur die Ampel, sondern auch die Verantwortlichen der vorigen Regierung.

Und bei allem habe ich auch immer mehr das Gefühl, dass die Mächtigen gar nicht mehr so kommunizieren können, wie sie gerne wollten, weil in Social Media und in seriösen und unseriösen Clickbaitingmedien alles aus dem Kontext gerissen wird und mit Emotionen versehen wird, die nicht der Demokratie dienen, sondern immer mehr der Triebabfuhr derer, die (siehe oben) ein Problem mit ihrer Lebenssituation und dem Stress in ihrem Leben haben. Blinde (erst einmal verständliche) Wut. Deshalb hat die scheinbare Alternative so viele Stimmen bekommen, selbst bei den Kommunalwahlen, wo sich deren Repräsentanten doch bislang zumeist auch nicht als mithelfender und konstruktiver Teil der Gesellschaft gezeigt haben, sondern eher als reine Wutkatalysatoren. Es hätte andere kleine Parteien gegeben, manche haben diese auch gewählt.

Das werden schwierige Jahre jetzt. Der Rat eines alten bunten Hundes an alle, die Macht haben, in den Gemeinden, den Städten, im Land, im Bund und in Europa: Hört auch den Wütenden zu und integriert sie wieder in eure Gedanken, Worte und Taten. Versucht zu verstehen, was sie treibt. Versucht zu verstehen, was die treibt, die in der Wirtschaft und im Ehrenamt den Karren ziehen. Und steigt in die tiefen Konflikte ein, als nur nach dem nächsten Serotoninschub beim nächsten öffentlichen Auftritt zu suchen. Macht und Demut sind ein gutes Paar. Und mein geheimer Wunsch ist, dass die Menschen der blinden Wut schnell nein sagen lernen. Solch blinde Wut hat Europa von West bis Ost zu einem unmenschlichen Trümmerfeld gemacht. Doch das spüren vor allem die jungen Menschen nicht mehr, weil Uroma und Uropa, die die Gefühle hatten, sind zumeist unter der Erde. Was sie uns wohl jetzt sagen würden?

Heute wirklich schlecht gelaunt.
Euer Bunter Hund
bunterhund@wochenblatt.net

Autor:

Redaktion aus Singen

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