Kontroverse Diskussionen über das Gutachten zum Handel in Singen
Die Schweiz wird zum Einkaufszentrums-Joker

Foto: Am Mittwoch Abend wurden die beiden Analysen zur Handelsentwicklung in Singen in der Pausenhalle der Ekkehard-Realschule ausführlich diskutiert. swb-Bild: of
  • Foto: Am Mittwoch Abend wurden die beiden Analysen zur Handelsentwicklung in Singen in der Pausenhalle der Ekkehard-Realschule ausführlich diskutiert. swb-Bild: of
  • hochgeladen von Redaktion

Singen (of). Im Rahmen einer über vierstündigen Arbeitstagung wurden am Freitag Gemeinderäten und Vertretern des Handels die beiden Gutachten und Potenzialanalysen zur Fortentwicklung des Handelsstandorts Singen vorgestellt und diskutiert. Die Studien sollen darstellen, ob Singen ein großes Shopping-Center verkraftet und welche Auswirkungen das auf die bestehenden Angebote haben könnte. Wie Oberbürgermeister Bernd Häusler deutlich machte, ist das eine erste Stufe der Untersuchungen, denn bis zum April soll dann auch noch eine so genannte Verträglichkeitsstudie vorliegen, die bereits Grundlage für ein notwendiges raumplanerisches Verfahren wäre.

Häusler hätte gerne bis zum Mai auch grundlegende Entscheidungen, um im positiven Falle bis zur Sommerpause entsprechende Bebauungspläne anzustoßen. Aus den Reihen der Gemeinderäte wurde dazu von Walafried Schrott deutlich gemacht, dass man hier schon sehr gründliche Überlegungen anstellen müsse, was nicht dem Zeitdruck geopfert werden solle.

Nach den Angaben von OB Häusler habe das Hamburger Unternehmen ECE, welches ein großes Shopping-Center im Holzer Areal beim Bahnhof plant, bislang rund eine Million Euro in Optionen investiert, um sich die Grundstücke zu sichern.

Andreas Q. Schuder von Büro „Stadt und Handel“ aus Karlsruhe stelle die Studie vor, die auch auf Betreiben der Händler in Singen im Nachgang zum GMA Gutachten erstellt wurde. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass in Singen schon etwas passieren müsse um die erreichte hohe Handelszentralität auch zu sichern, denn Singen habe zwar in manchen Bereichen eine phänomenal hohe Außenwirkung bei den Kunden, zum Beispiel bei Sportartikeln und Bekleidung, aber um die Stadt herum sei in den letzten Jahren auch einiges passiert. Die Studie hält im günstigsten Fall ein Shopping-Center mit einer Verkaufsfläche von 12.200 Quadratmetern durchaus für sinnvoll. Dabei spielt allerdings die Kundschaft aus der Schweiz eine wesentliche Rolle, denn ihr Anteil von rund 15 Prozent ist auch mit einer wesentlich höheren Kaufkraft ausgestattet.

Auch die ursprüngliche GMA-Potentialanalyse, die nochmals von Dr. Stefan Holl präsentiert wurde, ist der Ansicht, dass Singen mit Verkaufsflächen aufrüsten solle und nennt für die Innenstadt eine Zahl von bis zu 25.000 Quadratmetern, allerdings nicht direkt auf das Shopping-Center bezogen. „Wir haben hier keine Verträglichkeitsstudie für ein Shopping-Center erstellt“, unterstrich auch Holl in seiner Präsentation. Allerdings: Wenn ein solches komme, müsse das so attraktiv sein wie möglich, sonst habe es auch keine Wirkung um zusätzliche Kundenströme zu generieren. Auch die GMA-Studie setzt auf einen starken Zustrom Schweizer Kunden.

Bertram Paganini von der IHK sieht die Chancen auf eine weitere Steigerung des Einzugsbereichs nicht sehr stark. Wenn Singen schon so sagenhafte Zahlen habe, werde es schwer sein, diese noch weiter zu steigern. Singen habe, was dem Umsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche angehe, schon jetzt unterdurchschnittliche Zahlen. „Ein Shopping-Center bräuchte eine erheblich größere Produktivität“, gab er zu bedenken. Da würden auf Singen sicher an die 60 Ladeneinheiten zukommen. „Die Schweiz soll das alles retten“, so Paganini, der zu bedenken gab, dass der Peak mit Umsätzen aus der Schweiz schon 2011 erreicht worden sei und bereits wieder sinke. Auch Utz Geiselhart vom Handelsverband gab sich skeptisch. Singen liege der Verkaufsfläche von 3,9 Quadratmeter pro Einwohner (Konstanz hat zum Vergleich 1,9) schon weit über dem Landesschnitt von 1,4 Quadratmetern. Im Bereich Bekleidung decke man jetzt schon ein Potential von 150.000 Einwohnern ab. Die Schweiz ist für ihn ein „fragiles Einzugsgebiet“.

Karl Wager als Vertreter des City Ring zeigte sich ablehnend diesen Plänen gegenüber. Konstanz könne sicher noch zwei weitere „Lagos“ vertragen, aber in Singen seien eigentlich Grenzen erreicht. „70 Prozent der Umsatzverlagerung wird aus den bisherigen Kassen kommen müssen“ gab er zu bedenken. „Der Einzelhandel spricht sich deshalb gegen ein großflächiges Einkaufscenter aus“, machte er deutlich und kündigte an, dieses Thema noch detailliert in die Fraktionen zu tragen. Auch Helmut F. Wessendorf vom lokalen Handelsverband sieht in dem avisierten Zuschlag von 30 Prozent zusätzlicher Verkaufsfläche einen „Keulenschlag“ für den bestehenden Handel. Bereiche wie die Scheffelstraße sieht er dann vor dem Aus.

Anderer Meinung zeigte sich Dirk Oehle von der IG Süd, der für den Vorstand der Organisation sprach. Ihn bekümmerte, dass bei der Umfrage von „Stadt und Handel“ von 166 Geschäften in der Stadt gerade mal 47 die Fragen beantwortet hatten. „Wir finden eine Belebung der Innenstadt für notwendig und auch verträglich“, unterstrich er. Vor allem das Portal der Stadt am Bahnhof habe eine Aufwertung dringend nötig.

Für Dr. Springe als Vorstand des Stadtmarketing „Singen aktiv“ gibt es einige Fragen, deren Antwort noch sucht. Freilich analysierte er, dass eigentlich nach dem großen Schub zur Landesgartenschau 2000 nicht mehr viel in der Stadt passiert sei. Da sei über in den anderen Städten einiges gelaufen wie das Lago in Konstanz oder das Seemaxx in Radolfzell, dessen Erweiterung wohl bald abgesegnet werde. Singen habe aber dann die besten Chancen, wenn auf Individualität statt Austauschbarkeit gesetzt werde. „Wie schaffen wir das, zusätzliche Lust am Einkaufen in der Stadt zu machen“, ist sein eigentliches Anliegen, denn auch der Online-Handel werde das Gesicht der Städte immer stärker beeinflussen und auch den Handel immer mehr herausfordern.

Am 24 März will der Gemeinderat nach Kempten und Passau fahren, um sich dort ähnliche ECE-Projekte vor Ort anzusehen. Für den 7. April ist eine öffentliche Veranstaltung geplant, bei der auch Vertreter von ECE erstmals öffentlich über ihrer Pläne in Singen sprechen.

- Oliver Fiedler

Autor:

Redaktion aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.