Reform
Die Grundsteuer soll ab 2025 gerechter sein
Kreis Konstanz. In vielen Gemeinderäten wird sie gerade heiß diskutiert und auch für Grundstücksbesitzer ist sie ein brennendes Thema: die Grundsteuer. Denn ab 2025 wird dort eine Reform, weil die „alte“ Grundsteuer als verfassungswidrig eingestuft wurde. Wie funktioniert die Grundsteuer und welche Folgen hat die Reform?
Die Grundsteuer ist eine gesetzlich definierte Abgabe für Besitzer eines Grundstücks. Dabei betrifft sie auch Personen die in Miete wohnen, dann kann die Grundsteuer Teil der Nebenkosten sein. Die Einnahmen aus der Grundsteuer gehen an die Kommune.
Grundsteuer ABC
Es werden mehrere Arten der Grundsteuer unterschieden: Die Grundsteuer A betrifft land- und forstwirtschaftliche Flächen. Die Grundsteuer B ist für jeden weiteren unbebauten und bebauten Boden fällig. Von ihr befreit sind aber beispielsweise Genossenschaften oder öffentliche Verkehrsflächen wie Straßen. 1960 erstmalig eingeführt, aber nur für zwei Jahre gültig war, die Grundsteuer C. Sie ist Teil der Grundsteuerreform, wird ab 1. Januar 2025 wieder gelten und betrifft baureife, aber unbebaute Grundstücke. Sie soll vor spekulativen Grundstückskäufen abschrecken und baureife Grundstücke auch zur Bebauung bringen. Dafür haben die Gemeinden die Möglichkeit, dort einen höheren Hebesatz zu verlangen.
Warum eine Reform?
Die Reform betrifft maßgeblich die Grundsteuer B, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. Der Grundsteuerwert eines Grundstücks ist hierbei einer von drei Faktoren um die Höhe der Grundsteuer zu bemessen. Lange galt als Bewertungsgrundlage ein Einheitswert zum sogenannten „Hauptfeststellungszeitpunkt“ aus dem Jahr 1964 in westdeutschen beziehungsweise 1935 in ostdeutschen Bundesländern. Ursprünglich war vorgesehen, diesen Wert regelmäßig zu überprüfen und anzupassen. Weil das nicht umgesetzt wurde, ist das „alte“ Grundsteuergesetz im April 2018 durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig gekippt worden.
Durch die veraltete Rechengrundlage ergaben sich teils ungerechte Höhen bei der Grundsteuerabgabe. Denn Veränderungen seit der Festlegung des Einheitswertes, zum Beispiel in der Attraktivität und damit auch dem Wert der Grundstücke, wurden nicht abgebildet. Die sich daraus ergebenden Ungerechtigkeiten seien nicht vereinbar mit dem Gleichheitssatz in Artikel drei des Grundgesetzes, so das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Ab 2025 müsse eine reformierte Steuer gelten.
Was wurde reformiert?
Ende 2019 wurde das „Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts“ (kurz Grundsteuer-Reformgesetz) von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Demnach wurden die Grundstücke in ihrem Grundsteuerwert zum Stichtag 1. Januar 2022 neu bewertet. Eine Hauptfeststellung soll alle sieben Jahre zu Beginn des Kalenderjahres durchgeführt werden. Erstmalig angepasst wird die Bewertung am 1. Januar 2029, wobei das Bundesfinanzministerium in einem FAQ zur neuen Grundsteuer zusagt, dass das „weitestgehend automationsgestützt durchgeführt werden“ soll.
Neben den geänderten Bewertungsregeln wurde im selben Reformpaket in zwei weiteren Gesetzen die oben genannte Grundsteuer C ab 2025 wieder eingeführt, sowie den Bundesländern die Möglichkeit gegeben, abweichende Regeln zur Grundsteuer einzuführen. Baden-Württemberg nutzt diese Möglichkeit als eines von fünf Ländern mit dem „Landesgrundsteuergesetz“.
Wie wird die Grundsteuer berechnet?
Die Grundsteuer wird berechnet, indem drei Faktoren miteinander multipliziert werden: Grundsteuerwert, Steuermesszahl und Hebesatz.
Der Grundsteuerwert variiert gemäß Bundesgesetz je nach Art des Grundstücks – bebaut oder unbebaut, Art, Fläche und Alter der Bebauung und so weiter. Für Baden-Württemberg gilt allerdings das „modifizierte Bodenwertmodell“: Der Grundsteuerwert ergibt sich aus dem geltenden Bodenrichtwert (dem Wert eines Grundstücks in Euro pro Quadratmeter) multipliziert mit der Grundstücksgröße. Die Bebauung spielt also keine Rolle.
Die Steuermesszahl liegt nach der Reform bei 1,3 Promille, also 0,13 Prozent, statt zuvor bis zu 3,5 Promille, also 0,35 Prozent. Das Finanzministerium Baden-Württemberg erklärt dazu in einem FAQ zur Grundsteuer: „Das Senken der Messzahl dient dazu, den durch die Neubewertung gestiegenen Grundsteuerwerten entgegenzuwirken. So soll eine grundsätzliche Mehrbelastung durch die Reform bereits auf dieser Ebene vermieden werden.“ Bei Grundstücken, die größtenteils zum Wohnen verwendet werden, reduziert sich die Steuermesszahl um 30 Prozent. Zum Beispiel bei Denkmälern und beim sozialen Wohnungsbau kommen weitere Ermäßigungen hinzu.
Der Hebesatz als letzter Faktor wird von den Kommunen beziehungsweise deren Gemeinderäten selbst festgelegt. Damit haben die Kommunen selbst Einfluss darauf, wie hoch das Grundsteueraufkommen in ihrem Haushalt am Ende ausfällt. In einer Zeit der knappen Kassen bei den Kommunen ist es dabei verwunderlich, dass sich die Gemeinden mehrheitlich dafür entscheiden, den Hebesatz der Grundsteuer „aufkommensneutral“ zu gestalten. Das heißt, dass auch nach der Reform ähnlich hohe Einnahmen aus der Grundsteuer bei den Kommunen ankommen.
Jetzt müssen die Kommunen rechnen
Damit passen sich die Gemeinden dem von Bund und Land gesetzten Ziel der Aufkommensneutralität an. „Das führt schon zu Spannungen mit dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung“, erklärt Benjamin Mors, Vorsitzender des Gemeindetag-Kreisverbands Landkreis Konstanz und Bürgermeister der Gemeinde Steißlingen, auf Nachfrage des Wochenblatts. Die Anweisung von Bund und Land sei „eine gewisse Kompetenzüberschreitung“. Rechtlich gebe es auch keine Pflicht, sich an die Aufkommensneutralität zu halten, fährt Mors fort. Dass sich nach aktuellem Bild die Gemeinden in der Region mehrheitlich an dieses Prinzip halten, sei daher durchaus als „guter Wille“ der Kommunen zu bezeichnen.
Trotzdem kommt es durch den angepassten Grundsteuerwert zu Verschiebungen: Manche Grundstücksbesitzer werden ab 2025 mehr bezahlen müssen, andere weniger. Doch gerade im Einzelfall sei das letzte Wort zur Höhe der Grundsteuer nicht gesprochen, erklärte Benjamin Mors. Zum Beispiel bei Grundstücken, auf denen der Boden etwa durch eine Hanglage unterschiedliche Qualitäten vorweist, könne es Einsprüche und eine Korrektur des Grundsteuerbescheids geben. Weil das wiederum auch Auswirkungen auf die kommunalen Einnahmen habe und zum Zeitpunkt der Entscheidung meist nicht alle Daten einbezogen werden können, könne auch ein Hebesatz nur ungefähr aufkommensneutral angepasst werden. Nichtsdestotrotz sei in der Tendenz in ländlicheren Kommunen mit niedrigeren Bodenrichtwerten ein künftig höherer Hebesatz zu erwarten, bei Regionen mit höheren Bodenrichtwerten mit einem Absenken des Hebesatzes.
Beispiele aus der Region
Hilzingen wird den Hebesatz von 340 Prozent auf 215 Prozent senken, um bei geschätzten Einnahmen aus der Grundsteuer von etwa 1,1 Millionen Euro im Jahr 2024 zu bleiben.
Die Stadt Aach möchte laut Vorlage des Gemeinderates am 25. November den Hebesatz von 360 Prozent auf 315 Prozent senken, um bei geschätzten Einnahmen aus der Grundsteuer von etwa 322.000 Euro zu bleiben.
Um bei etwa den gleichen Einnahmen von 5,5 Millionen Euro zu bleiben, müsste die Stadt Radolfzell die Grundsteuer B von bislang 400 Prozent auf 223 Prozent verringern. Der Beschluss fiel am Dienstag, 19. November, nach Redaktionsschluss.
Der Gemeinderat der Stadt Singen hat in seiner Sitzung am 22. Oktober beschlossen, den Hebesatz von 360 Prozent auf 430 Prozent zu erhöhen. Dabei wird im Haushalt mit einem Minus von etwa 250.000 Euro im Vergleich zum Ansatz für den Haushaltsplan 2025 erwartet.
In Steißlingen stimmte der Gemeinderat einer Senkung des Hebesatzes von 320 auf 182 Prozent zu. Die Gemeinde rechnet dadurch mit einem Steueraufkommen von rund 686.000 Euro, was geringfügig unter den bisherigen Einnahmen liegt.
Wie viel Grundsteuer nach der neuen Regelung ab 2025 fällig wird, variiert stark. Von Ort zu Ort, aber auch innerhalb einer Kommune. Folgende Berechnungen (nach der Formel Grundstücksgröße mal Bodenrichtwert mal Steuermesszahl mal Hebesatz) können daher nur Beispiele sein – in diesen Fällen für ein imaginäres, 500 Quadratmeter großes Grundstück:
Beispiel 1:
Ein Grundstück in der Hauptstraße in Hilzingen mit einem Bodenrichtwert von 325 Euro pro Quadratmeter und einem Hebesatz von 215 Prozent.
Rechnung: 500 x 325 x 0,00091 x 2,15 = 317,93 Euro
Beispiel 2:
Ein Grundstück in der Hauptstraße in Aach mit einem Bodenrichtwert von 165 Euro pro Quadratmeter und einem Hebesatz von 315 Prozent.
Rechnung: 500 x 165 x 0,00091 x 3,15 = 236,49 Euro
Beispiel 3:
Ein Grundstück auf der Mettnau in Radolfzell mit einem Bodenrichtwert von 1400 Euro pro Quadratmeter und einem Hebesatz von 223 Prozent.
Rechnung: 500 x 1400 x 0,00091 x 2,23 = 1420,51 Euro
Beispiel 4:
Ein Grundstück in der August-Ruf-Straße in Singen mit einem Bodenrichtwert von 360 Euro pro Quadratmeter und einem Hebesatz von 430 Prozent.
Rechnung: 500 x 360 x 0,00091 x 4,3 = 704,34 Euro
Beispiel 5:
Ein Grundstück im Storchenweg in Steißlingen mit einem Bodenrichtwert von 380 Euro pro Quadratmeter und einem Hebesatz von 182 Prozent.
Rechnung: 500 x 380 x 0,00091 x 1,82 = 314,68 Euro
Autor:Redaktion aus Singen |
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