Die Region fragt... Berlin und Stuttgart antworten
Wie geht "einfacher Bauen"?

"Die Region fragt – Berlin und Stuttgart antworten" | Foto: Amrit Raj
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Landkreis Konstanz. Ein Dach über dem Kopf gibt Sicherheit und gehört zu den grundlegendsten Bedürfnissen des Menschen. Entsprechend gravierend ist der große Mangel an Wohnraum, der sich zudem immer weiter zuzuspitzen droht. Schon jahrelang mahnen Bauträger an, dass Vorschriften, die erfüllt werden müssen, Gutachten, die durchgeführt werden müssen und dadurch weiter steigende Kosten ihnen bei der Umsetzung von Projekten im Weg stehen. Pläne für den Wohnungsbau wandern auch hier in der Region lieber wieder in die Schublade, bis bessere Zeiten und Umstände zum Bauen kommen. Aber schnelle Besserung scheint nicht in Sicht.

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Lieber weniger Förderungen - dafür weniger Vorschriften

Zu diesem Thema fragte das Wochenblatt die Abgeordneten aus dem Bundestag Dr. Lina Seitzl (SPD), Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP) und Andreas Jung (CDU), sowie aus dem Landtag Dorothea Wehinger (Grüne), Nese Erikli (Grüne), Hans-Peter Storz (SPD) und Bernhard Eisenhut (AfD):

1. Woran scheitert das Ziel, ausreichend neuen Wohnraum zu schaffen?

2. Welche konkrete Vorgabe könnte Ihrer Ansicht nach wie gelockert werden, um "einfacher" zu bauen?

Dr. Lina Seitzl, MdB SPD:

Dr. Lina Seitzl, SPD. | Foto: swb-Archiv
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1. "Der hohe Bauzins und bürokratische Hürden erschweren den Wohnungsbau. Zudem rächt sich, dass der Staat in den letzten 20 Jahren zu wenig in den sozialen Wohnungsbau investiert hat. Deshalb hat der Bund die soziale Wohnungsbauförderung seit 2021 deutlich erhöht. Weitere Förderungen gibt es unter anderem für Junges Wohnen, klimafreundliches Bauen und den Umbau von alten Gebäuden zu Wohnraum. Es braucht aber Zeit, bis daraus fertige Wohnungen resultieren. Außerdem muss das Land endlich seine Hausaufgaben machen. Sozialer Wohnungsbau ist vornehmlich Landesaufgabe. Auf einen Euro Förderung des Bundes kommen in Baden-Württemberg aber nur 35 Cent Landesförderung – bundesweites Schlusslicht."

2. "Es braucht insgesamt weniger Bürokratie. Daher vereinfacht der Bund das Baurecht schrittweise. Zudem hat der Bund bessere Bedingungen für serielles Bauen geschaffen. Auch wenn es vor Ort oft Widerstand gibt, halte ich die Ausweisung von neuen Baugebieten für notwendig. Wenn wir ehrlich sind, müssen die Menschen irgendwo wohnen. Dafür braucht es neben Umnutzung und Verdichtung eben auch Neubauten, am besten in kommunaler oder genossenschaftlicher Hand."

Dr. Ann-Veruschka Jurisch, MdB FDP:

Dr. Ann-Veruschka Jurisch, FDP. | Foto: privat
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1. "Das Ziel, ausreichend neuen Wohnraum zu schaffen, scheitert an mehreren Faktoren: dem sprunghaften Anstieg der Hypothekenzinsen, Engpässen und Kostensteigerungen bei Energie und Baumaterialien sowie der hohen Inflation. Daher verbietet sich eine zu expansive staatliche Ausgabenpolitik - die Schuldenbremse ist eine Inflationsbremse. Zudem stellen bürokratische Hürden und überzogene Baunormen erhebliche Hindernisse dar, die Investoren abschrecken."

2. "Eine sinnvolle Lockerung wäre die Entkopplung des Normungsprozesses vom Bauordnungsrecht. Die aktuellen Baunormen in Deutschland sind zu komplex und haben die Baukosten erhöht, ohne die Qualität wesentlich zu verbessern. Statt technisch maximaler Anforderungen sollten kostengünstige, auf Gefahrenabwehr beschränkte Standards im Fokus stehen. Dies würde die Baukosten senken und die Realisierung von Bauprojekten beschleunigen. Es dürfen außerdem keine neuen Regelungen eingeführt werden, die sich Baukosten-treibend auswirken. Mit dem neuen 'Gebäudetyp E'-Gesetz wird es künftig möglich sein, von bestimmten Komfortstandards abzuweichen, was den Bauprozess vereinfacht."

Andreas Jung, MdB CDU:

Andreas Jung, CDU.  | Foto: Otto Kasper Studios
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1. "Hohe Baukosten und die Zinsentwicklung sind eine Ursache. Dazu kommt politische Verunsicherung. KfW-Förderprogramme wurden quasi über Nacht gestoppt. Es gibt ein Hin und Her bei der Frage energetischer Baustandards. Bürokratie wird nicht etwa abgebaut, sondern es kommen immer neue Regelungen dazu."

2. "Im 'Bau-Turbo-Pakt' haben Bund und Länder beim Baugipfel vor fast einem Jahr ein ganzes Bündel konkreter Maßnahmen zur Beschleunigung von Planung und Genehmigung vereinbart. Das Bauministerium hat die Umsetzung vorbereitet, aber seitdem streiten die Ampelfraktionen darüber. Dieser Pakt muss jetzt endlich umgesetzt werden. Die Verfahren zur Baugenehmigung müssen vereinfacht werden. Zudem haben wir die Bundesregierung aufgefordert, zumindest ein Belastungsmoratorium auszurufen: Es darf jetzt nicht auch noch etwas obendrauf kommen, was Bauen unnötig verteuert oder verlangsamt. Vor allem aber braucht es einen echten Impuls für mehr und bezahlbaren Wohnungsbau - mit einem Dreiklang aus wirksamen Kostensenkungen, verlässlicher Förderung und steuerlichen Anreizen."

Dorothea Wehinger, MdL Grüne:

Dorothea Wehinger, Die Grünen. | Foto: Büro Wehinger
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 - Die Antwort von Dorothea Wehinger erreichte die Redaktion aufgrund der Urlaubszeit nicht fristgerecht und wird daher nachgereicht. -

Nese Erikli, MdL Grüne:

Nese Erikli, Die Grünen. | Foto: Nese Erikli
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1. "Bezahlbarer Wohnraum ist eines der drängendsten sozialpolitischen Themen im Land – auch hier am Bodensee. Gründe für die ins Stocken geratene Bautätigkeit sind zahlreich: von Inflation und steigenden Baukosten über Fachkräfte- und Personalmangel."

2. "Um dem entgegenzuwirken, hat die Landesregierung in Baden-Württemberg daher die finanziellen Mittel über die letzten Jahre deutlich erhöht. Allein für 2024 stehen knapp 551 Millionen Euro bereit.
Zudem hat das Kabinett ein großes Maßnahmenpaket vorgelegt, das unter anderem die Schaffung von Wohnraum erleichtern soll. Durch die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und die Angleichung von baulichen Standards an Praktikabilität wird die Bautätigkeit stärker angekurbelt.
Es gibt noch große Potenziale, wie beispielsweise durch Aufstockung, Umwandlung und Umnutzung von bestehenden Flächen. Hierfür haben wir die Landesbauverordnung so reformiert, dass die Umnutzung von Büro- zu Wohnräumen im Innenbereich verfahrensfrei möglich ist.
Es ist aber auch klar, dass wir noch mehr tun müssen, um besser voranzukommen."

Hans-Peter Storz, MdL SPD:

Hans-Peter Storz, SPD. | Foto: of/ Archiv
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1. "Der Wohnungsbau ist in seiner schwersten Krise seit Jahren. Warum? Die Baupreise stiegen seit 2021 um ein Drittel, steigende Zinsen machen die Finanzierung teurer, neue technische Vorgaben, wie zum Beispiel zum Energieverbrauch, treiben Kosten. Fehlende Wohnungen sind ein ernsthaftes wirtschaftliches Problem. Wer bei uns keine Wohnung findet, tritt auch keine neue Stelle in unserem Kreis an. Auch vor dieser Krise wurden zu wenige Wohnungen für Menschen mit mittleren oder gar geringen Einkommen gebaut. Gerade für diese Gruppen wäre eine wirksame staatliche Unterstützung unerlässlich. Zuständig ist für die Wohnungsbauförderung die Landesregierung. Doch diese erfüllt ihre Aufgabe nur unzureichend. Seit Jahren sind die Fördermittel weit niedriger als der Bedarf. Viele notwendige Bauprojekte werden so ausgebremst oder ganz gestoppt."

2. "Ist weniger Bürokratie das Allheilmittel? Wohl kaum. Was aber wirken kann: Wenn weniger Stellplätze nachgewiesen werden müssen, werden Bauvorhaben billiger. Baugenehmigungen werden schneller rechtskräftig, wenn Einsprüche dagegen gleich vom Gericht entschieden werden."

Bernhard Eisenhut, MdL AfD:

Bernhard Eisenhut, MdL | Foto: Dr. Thomas Hartung
  • Bernhard Eisenhut, MdL
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1. "Die derzeit von der Landesregierung geplante Reform der Landesbauordnung wird nicht ausreichend sein, um das Bauen spürbar zu vergünstigen. Bei den derzeitigen Zinsen ist es für viele Familien schlicht unmöglich, Eigentum zu finanzieren. Die AfD hat bereits vorgeschlagen, etwa die Grunderwerbssteuer abzuschaffen oder deutlich abzusenken. Auch dadurch könnten Bauherren entlastet werden. Dies wurde jedoch durch CDU, Grüne, FDP und SPD im Landtag abgelehnt. Zudem muss der Bedarf durch die Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern gesenkt werden. Abschieben schafft Wohnraum."

2. "Teure Vorschriften, wie die Photovoltaikpflicht, müssen umgehend und ersatzlos gestrichen werden. Neben der Finanzierung hapert es hier auch oft an Material und Unternehmen zur Umsetzung, was Bauvorhaben unnötig in die Länge zieht. Auch die den Unternehmen aufgebürdete Bürokratie kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit und bindet Fachkräfte. Grundsätzlich sieht die AfD auch keinen Bedarf, dass Bauherren vom Staat vorgeschrieben wird, welche Dämmung oder Heizung sie verbauen und betreiben sollen."

Autor:

Redaktion aus Singen

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