1895 Jahre nach Christus III
Vom Kienspann zur Glühbirne - das Beispiel Engen
Am Beginn der Stromerzeugung standen einzelne kleine Anlagen. In ihnen wurde mit Wasserrädern oder kleinen Turbinen und einfachen Generatoren Gleichstrom erzeugt und in Batterien gespeichert. Damit konnte eine Anlage einen Betrieb und seine nähere Umgebung mit Energie versorgen. Im Engener Altdorf richtete 1895 der Müller der Gaugelmühle eine solche Anlage ein und zum ersten Male brannte eine Glühbirne.
Die Vorteile gegenüber der herkömmlichen Petroleumlampe lagen auf der Hand: eine Glühbirne konnte mit einem Handgriff angestellt werden, sie roch und rußte nicht, mußte nicht mit Petroleum nachgefüllt werden, und es gab keinen Glaszylinder, der zerspringen konnte. Anfangs sah nicht jeder den Nutzen der neuen Kraft. Der Högauer Erzähler schrieb 1896 darüber: "Es wird, wie es eben in einem kleinen Städtchen geht, alles Mögliche und Unmögliche über eine derartige Neuerung gesprochen und besonders von gegnerischer Seite oft ohne die geringsten Kenntnisse sowohl über die Anlage des Werkes als über die Verhältnisse des Lichtes eine ganze Serie von Unsinn verbreitet."
Info:
Elektrizität - jeder kurzfristige Stromausfall zeigt, wie abhängig wir von dieser unsichtbaren Kraft sind. Dabei gibt es nutzbaren Strom seit kaum 100 JahrenDer Müller der Gaugelmühle erzeugte nur Strom für den eigenen Bedarf, aber damit war das Interesse an den Möglichkeiten der neuen Kraft geweckt. Drei Gemeinderäte schlossen sich 1897 zusammen und gründeten mit Hilfe eines Stuttgarter Unternehmers ein E-Werk, daß an der Stelle einer abgebrannten Mühle auf dem späteren Felsenareal gebaut wurde. Eine Wasserturbine und Dampfmaschine mit insgesamt 25 PS Leistung wurden installiert, was damals für die Versorgung der ganzen Stadt Engen ausreichte. Grundlage des E-Werkes waren die neu installierten elektrischen Straßenlaternen in der Stadt, die für den ersten Absatz sorgten, denn private Abnehmer gab es anfangs nur wenige. Die Eröffnung des E-Werks wurde gebührend gefeiert.
Ein Journalist der damaligen Zeit schrieb darüber: "Um 6 Uhr abends fand im "Adler" ein Diner statt für die beteiligten Herren. Abends 8 Uhr begann in dem durch elektrische Lampen überreichlich beleuchteten Sonnensaal das Festbankett, dessen Beginn mit Kanonenschüssen angekündigt wurde. Unsere Stadtmusik konzertierte. [...] Herr Bezirksarzt Becker begrüßte darauf die Einführung des elektrischen Lichtes als einen erfreulichen Fortschritt für die hiesige Stadt und gab der Hoffnung Ausdruck, das Werk möge zur wirtschaftlichen Hebung, zum Emporblühen des Gewerbes hier führen, [...] In einem Hoch auf die Gemeindeverwaltung gab Herr Oberamtmann Seldner der Freude darüber Ausdruck, daß sich die Gemeindevertretung dem Werke nicht hindernd in den Weg gestellt habe, [...] Schließlich wurde noch ein Tänzchen arrangiert und erst um Mitternacht ging man auseinander."
Das neue E-Werk erzeugte wie die Gaugelmühle Gleichstrom, der über ein 3,5 km langes oberirdisches Leitungsnetz verteilt wurde. Seit dieser Zeit gehören Stromkabel zu unserem Alltag. 1901 wurden damit 700 Glühlampen und vier Elektromotoren damit betrieben - also durchschnittlich brannten in jedem Engener Haus knapp zwei Glühbirnen. Aber in den folgenden Jahren ging es rasch aufwärts. 1912 gab es schon rund 1.900 Lampen. Immer mehr Kunden ließen sich anschließen und kauften elektrische Geräte. Besonders veränderten elektrische Geräte die Hauswirtschaft (Bügeleisen, Waschmaschinen, Herde, Staubsauger), später dann mit Radios, Plattenspieler und Musikanlagen die ganze Freizeit. Dies wurde ein Problem, als die Stromversorgung auf eine völlig neue Grundlage gestellt wurde. Die Zeit der kleinen örtlichen E-Werke war vorbei. Großkraftwerke, in unserer Gegend vor allem Rheinkraftwerke, konnten Strom in großen Mengen zu konkurrenzlos günstigen Preisen anbieten. 1912 schloß Engen einen Vertrag mit dem neu gebauten Kraftwerk Laufenburg (KWL) ab. Nur noch die Wasserturbine erzeugte Strom, während aller übrige Strom von KWL geliefert wurde.
Doch Laufenburg lieferte Wechselstrom, der sich im Gegensatz zum Gleichstrom, ohne nennenswerte Verluste über große Entfernungen transportieren ließ. Doch in Engen waren alle Geräte noch auf Gleichstrom ausgerichtet. Daher wandelte das städtische E-Werk Engen den Strom für seinen Kunden mit großen Energieverlusten um. Erst 1954 wurde der Gleichstrom in Engen endgültig abgeschafft. Dies war auf dem Lande nicht notwendig, da erst mit den Laufenburger Überlandleitungen Strom in die Dörfer kam. Hier wurde also von Anfang an mit der fortschrittlicheren Technik gearbeitet. Die Stadt Engen übernahm 1920 das Werk. Das Gebäude wurden 1964 verkauft und an der Matthias-Claudius-Straße ein neues Betriebsgebäude bezogen.
Beim Abbruch der Gebäude 1987/88 des Felsen-Areals wurden auch das alte E-Werk niedergerissen und der auffallende Schornstein gesprengt. Heute erzeugen die Stadtwerke Engen mit einem Blockheizkraftwerk wieder Elektrizität, die allerdings nur 2-3 Prozent des gesamten Bedarfes ausmacht. Das übrige wird von auswärtigen Anbietern bezogen. Doch auch nach über 100 Jahren ist die städtische Stromversorgung von großer Bedeutung für Engen und ein wichtiger Wirtschaftfaktor.
Dr. Ulf Wendler
Autor:Redaktion aus Singen |
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