1799 Jahre nach Christus
Der Hegau in den Wirren des Zweiten Koalitionskrieges

Nachdem aus der Schweiz 1798 die Helvetische Republik geworden war, in der französische Truppen stationiert blieben, wurde der Hegau zum umkämpften Grenzland, als die Franzosen Anfang März 1799 hier einmarschierten. Damit brach der Zweite Koalitionskrieg aus und die französische Revolutionsarmee lag erneut im Hegau, nachdem sie im Ersten Koalitionskrieg 1796 schon einmal hier durchgezogen war. Doch lange blieben die Franzosen zunächst nicht, denn sie mußten den Hegau Ende März 1799 schon wieder verlassen, da sie am 21. März bei Ostrach und am 25. März bei Stockach entscheidend von den Österreichern geschlagen worden waren. Aber für den Hegau, von dem damals noch große Gebiete als Landgrafschaft Nellenburg zu Österreich gehörten, war das keine große Entlastung. Nun mußten eben die österreichischen Soldaten verpflegt werden und der "Besuch" des Kaiserbruders Erzherzog Karl in Stockach, Engen und Singen, der zu anderen Zeiten sicherlich als Großereignis gefeiert worden wäre, war nicht unbedingt willkommen, weil der Erzherzog als Oberbefehlshaber der Österreicher etwa 60.000 Soldaten in seinem "Gefolge" hatte. Erst der Mai brachte den Hegauern etwas Erleichterung, da die Österreicher am 22./23. Mai 1799 bei Diessenhofen nun ihrerseits in die Schweiz einrückten und dort die Franzosen in der Ersten Schlacht von Zürich besiegten. Doch dann mußten viele Hegauer an dem großen Brückenkopf arbeiten, den die Österreicher nahe Büsingen auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins errichten ließen, um ihre Schiffsbrücken über den Rhein gegen französische Angriffe zu sichern. Darüber hinaus sollte es nicht allzu lange ruhig bleiben. Ende August 1799 marschierten knapp 25.000 Russen, die mit den Österreichern verbündet waren, durch den Hegau in die Schweiz, um dort die Österreicher abzulösen. Während der südliche Hegau die Russen ernähren durften, hatte der nördliche Hegau das "Vergnügen", erneut fast die gesamte österreichische Armee verpflegen zu düfen. Aber die Truppenrochade in der Schweiz mißlang. Am 25./26. September 1799 wurden die Russen in der Zweiten Schlacht von Zürich nahezu aufgerieben. Nur noch Trümmer der Armee konnten sich über den Rhein retten. Da die Versorgung zusammengebrochen war, aßen die russischen Soldaten rohe Kartoffeln und unreife Trauben. Als sie Mitte Oktober wieder nach Osten abzogen und die Österreicher erneut an den Hochrhein vorrückten, gab es im südlichen Hegau Landstriche, in denen kaum noch etwas Eßbares vorhanden war. Dafür aber wurde es im Spätherbst 1799 im Hegau erneut etwas ruhiger. Auf der politischen Weltbühne ereignete sich hingegen am 9./10. November 1799 ein spektakulärer Militärputsch, mit dem sich der junge General Napoleon Bonaparte in Paris an die Macht brachte. Um seine Macht zu stützen, brauchte er glänzende militärische Erfolge. Die sollte ihm sein General Moreau, der Oberkommandierende der französischen Rheinarmee, liefern, während er selbst auf dem Kriegstheater in Norditalien aktiv werden wollte. Der Frühling 1800 begann im Hegau daher mit einem Paukenschlag. Am 1. Mai 1800 überquerten mehr als 20.000 Franzosen der Rheinarmee innerhalb weniger Stunden den Rhein bei Hemmishofen und vertrieben die im Hegau stationierten Österreicher.

Dieser Coup verunsicherte die überalterte Besatzung des Hohentwiels so sehr, daß sie sich noch am gleichen Tag den Franzosen ergab. Nachdem sich die im Hegau stehenden Franzosen mit weiteren 50.000 Mann vereinigt hatten, die eiligst vom Hochrhein und Südschwarzwald heranmarschiert waren, besiegten sie in der Schlacht von Engen am 3. Mai 1800 die 50.000 Österreicher unter ihrem neuen Oberbefehlshaber Kray. Die Hegauer erlebten derweil ihre schwersten Stunden. Viele versuchten, in die umliegenden Wälder oder zu Bekannten zu flüchten, doch als sie zurückkehrten, fanden sie leere Wohnungen vor. Die völlig unterversorgten französischen Soldaten hatten alles ausgeplündert. Der Siegeszug der Franzosen war nun unaufhaltsam. Sie drängten die Österreicher in mehreren Schlachten zunächst bis nach Ulm und später sogar bis an die Isar zurück, während Bonaparte in Italien ebenfalls einen spektakulären Sieg feierte. So beendete ein Waffenstillstand am 14. Juli 1800 zuerst einmal die Kämpfe. Doch für den Hegau änderte sich dadurch wenig. Nun mußten wieder einmal die Franzosen versorgt werden, die dafür bekannt waren, daß sie noch schlechter zahlten als die Österreicher. Während ihres schnellen Vormarsches hatten die Franzosen den Hohentwiel zunächst als Nachschubbasis verwendet, doch nun benötigten sie ihn nicht mehr. Anfang Oktober 1800 begann die Schleifung der Festung. Ende November 1800 brach auch der Krieg erneut aus. Schon kurze Zeit später, am 3. Dezember 1800, wurden die Österreicher bei München endültig geschlagen.

Info:
In den Jahren 1799 und 1800 zog die Kriegsfurie durch den Hegau. Zu dieser Zeit herrschte in Europa ein Krieg, der in der Folge der Französischen Revolution von 1789 ausgebrochen war. Doch vor genau 200 Jahren ging es schon lange nicht mehr um die Frage des besseren politischen Systems zwischen der Französchen Republik und dem von einem Kaiser regierten Österreich. Handfesteres stand auf dem Spiel, nämlich die Frage, wer Mitteleuropa unter seine Kontrolle bringen konnte.

Nun war der Weg für den Frieden frei, der am 9. Februar 1801 in Lunnéville zwischen Frankreich und Österreich geschlossen wurde. Die Zerstörung des Hohentwiels dauerte noch bis in den März 1801 hinein. Es ist schon viel über die "niederträchtige" Zerstörung der Festung und den "Verrat" der Franzosen berichtet worden, doch dabei wurde immer wieder übersehen, daß auch französische Mineure bei den Sprengungen ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben verloren haben. Der neue Frieden brachte eine Umwälzung für das Reich. Mit dem von Frankreich unterstützten Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 verschwanden nahezu alle freien Reichsstädte und die Klöster verloren ihren z. T. beträchtlichen Landbesitz. So wurde auch das Kloster Petershausen, dem Hilzingen und Rietheim gehörten, enteignet.

Die Hegauer konnten aber erst einmal aufatmen und die Singener hatten sogar noch das "Glück", den ungeliebten württembergischen Nachbarn (fast) losgeworden zu sein. Zeitdokumente Es ist nicht mehr viel erhalten geblieben aus jener bewegten Zeit. An die Schlacht von Stockach erinnern noch das Grabmal des gefallenen Fürsten zu Fürstenberg nahe Neuhaus (Wirtschaft Schuhfranz) und das Grab eines österreichischen Offiziers auf dem Stockacher Friedhof. Von der Schlacht von Engen ist eine Kugel erhalten geblieben, die beim ehemaligen Gasthof "Adler" in Weiterdingen in die Wand eingemauert wurde. Weiterhin sind die Gewannamen "Franzosenwäldchen" und "Napoleonseck" westlich von Engen ein Hinweis auf die Ereignisse von damals, ebenso wie die kleinen Weiler "Petershausen" bei Randegg und "Moskau" bei Ramsen Zeugnis von den russischen Soldaten ablegen, die hier fern ihrer Heimat ihren Dienst taten.

Westlich von Diessenhofen, in der Nähe des ehemaligen Klosters Paradies, sind im sogenannten Schaarenwald die Reste der großen Schanze, welche die Österreicher dort anlegen ließen, im Gelände noch sichtbar. Wer noch etwas weiter in die Welt hinausgeht, der wird durch die Inschrift "Stockach" am Denkmal Erzherzog Karls auf dem Heldenplatz in Wien und die Inschrift "Engen" am Arc de Triophe in Paris an die blutigen Tage von damals erinnert. Aber auch die Ruine des Hohentwiels ist ein stummer Zeuge jener Ereignisse und vor knapp 200 Jahren feierte zum letzten Mal eine württembergische Garnison dort droben den Jahreswechsel.

Roland Kessinger

Autor:

Redaktion aus Singen

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