Premiere gefeiert in der Zeller Kultur
Wie einfach das mit dem Weltfrieden doch sein könnte
Radolfzell. Wenn der Britische Premierminister die Botschaftsvertreter wichtiger Nationen zu einem mitternächtlichen Treffen zu sich nach Hause einlädt, dann muss es schon um Dinge ganz besonderer Tragweite gehen. Und fast alle kommen tatsächlich, weil sie etwas ganz Bedeutendes erwarten, ausser dem Botschafter der USA, der seinen Golf-Ausflug vorgezogen hat. Curt Goetz hat vor über 60 Jahren seine Vision vom "Ausbruch des Weltfriedens" als Anregung verfasst, die erst zwei Jahre nach seinem Tod in einer Sammlung von Einaktern veröffentlicht wurde. Das neue "Mehrgenerationentheater" der Zeller Kultur hat diese Vision, nun auf unsere Zeit aktualisiert auf die Bühne gebracht. Am Freitag, 13. Dezember wurde Premiere gefeiert, das Stück kommt 24. und 25. Januar nochmals auf die Bühne.
Lord Charles Hatter (Rüdiger Steiner), der fiktive britische Premierminister tigert rastlos durch seine Wohnung und seine Gattin Gwendolin (Rosemarie Lutz) meint, er würde eher wie ein Löwe durch die Zimmer schreiten, so nervös wie er ist. Erst am Vormittag war er mit Frau van Willem (Tanja Wildenhof) und Frau Aaradapellenbotten (Antonia Papagno) zusammengekommen, die ihm sehr umwerfende Pläne vorstellten, die sogar noch in dieser Nacht bereits in die Tat umgesetzt werden sollten. Deshalb die ungewöhnliche Einladung zu einem Treffen mitten in der Nacht, zu dem der französische Botschafter Francois Collet (Jochen Rick), der russische Botschafter Kommandant Gorotschenko (Moritz Rick), der deutsche Botschafter Herr van Aussem (Astrid Kempter), sowie der Schweizer Botschafter Dr. Stauffacher (Thomas Weber) stoßen und die nun natürlich gerne wüssten, was dieses ungewöhnliche Treffen nun nötig gemacht hatte. Aber da muss der britische Premierminister die Anwesenden noch etwas auf die Folter stammen, bis die zwei niederländischen Wissenschaftlerinnen tatsächlich erscheinen. Denn so wurde ganz wichtig betont, es gehe um nicht weniger als um den Fortbestand der ganzen Menschheit. Ihre Erkenntnisse klingen schon einleuchtende, denn für sie steht der Gedanke ganz am Anfang, ohne den hätten auch der Mensch nicht von Gott erschaffen werden können. Aber die Menschen hätten halt von Anfang an Fehler gemacht: Sie hätten aus den Gedanken der Propheten eine Religion gemacht, sie hätten daraus die Furcht entwickelt, zu kurz zu kommen auf dieser Welt, was letztlich auch die ganzen Kriege zur Folge hatte, die noch immer das Leben auf dieser Welt bestimmten. Auch bei der Atombombe habe der Gedanke am Anfang gestanden, deshalb müsse man die Gedanken ändern, wenn man die Welt verändern wolle, gerade in einer Zeit wie jetzt, wo die Menschen nun auf künstliche Intelligenz setzten, an die sie lieber glauben wollten als einen Gott und seine Gedanken.
Die beiden schauten immer auf ihre Uhr, denn nur noch eine Stunde würde verbleiben, bis sie über ihre Helfer den "Saguwil", den Satellit des guten Willens in den Himmel schießen wollten, dessen Strahlung die Gedanken der Menschen verändern solle, um so den Weltfrieden zu erreichen. Die Diskussion bis zu diesem Augenblick bestätigt die Theorien der beiden Wissenschaftlerinnen, denn genau dieses Gefühl des zu kurz kommen wird in der Position des russischen Botschafters überdeutlich, der seine Macht damit begründet, eben doch die meisten Atomwaffen zu haben, die den Anspruch auf die Macht untermauern. Diese Frage stellen sich schließlich alle ungeschminkt: Wird durch solch einen Weltfrieden dann nicht ihr Job, also die Diplomatie überflüssig, die ja vom Versuch der Schlichtung der ganzen Konflikte unserer Welt lebt? Und was würde das an weiteren Arbeitsplätzen kosten, wenn man die Rüstungsindustrie nicht mehr bräuchte, wird vom deutschen Botschafter schon die nächste Wirtschaftskrise heraufbeschworen, denn mit Krieg wird ja auch viel Geld verdient, wird hier eine Basis der Herrschaft der Menschen in dieser Welt offen gelegt. Und dann ist die Zeit abgelaufen, die politische Runde kann durchs Fenster den Feuerschweif der Rakete beobachten und dann verändert sie sich tatsächlich, diese Welt. Sogar der mürrische Butler Parkins (Barbara Limpricht, die kurzfristig einspringen musste), der hier den Gästen ständig Alkoholisches nachschenken muss, kann auf einmal überzeugend lächeln und die Geschichte der Welt scheint eine neue Wendung zu nehmen. Wenn nur das Wörtchen "wenn" nicht wäre. Aber vorher ist dieses doch originelle Stück schon zu Ende. Der Applaus bestätigt auch Waltraud Rasch als Regisseurin und Entdeckerin dieses Stücks, das doch einen so ganz anderen Blick auf die Menschheit und ihren ständigen Unfrieden erlaubt. Eine spannende Zeitreise war das, bei der man am Schluss aber nicht mehr wusste, ob sie in die Vergangenheit oder in die Zukunft führte.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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