Gastronomen müssen regelmäßig über Hygienemaßnamen diskutieren
Das Problem mit der »Zettelwirtschaft«
Landkreis Konstanz. Gastronomen sind derzeit dafür verantwortlich darauf zu achten, dass ihre Gäste die vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen einhalten. Das sorgt nicht selten für kräftezehrende Diskussionen, wie zwei Gastronomen im Gespräch mit dem WOCHENBLATT berichten.
Neben der Kultur- und Reisebranche gehört die Gastronomie zu den Geschäftszweigen, die durch die Corona-Maßnahmen wohl am stärksten betroffen sind, und das nicht erst seit Gastronomen dafür verantwortlich sein sollen, dass ihre Gäste die mittlerweile allseits bekannten Formulare zur Kontaktnachverfolgung korrekt ausfüllen. »Es ist enorm kräftezehrend, immer wieder mit Gästen Diskussionen über Sinn und Unsinn der Corona-Verordnungen führen zu müssen«, klagt Florian Repnik, der Betreiber der Einkehr am Gleis in Markelfingen. »Wir können nichts für die Situation mit dem Virus und wir können auch nichts für die Verordnungen. Wir sind nur diejenigen, die sie umsetzen müssen«, so Repnik.
Verständnis für die jeweils andere Seite
Er bedauert, dass der Ton in solchen Situationen immer rauer wird. »Am Anfang hatte man das Gefühl, dass Corona alles entschleunigt hat. Mittlerweile hat sich das aber ins Gegenteil umgekehrt und manche Menschen sind einfach sehr gereizt«, so Repnik. Dabei betont er allerdings, dass es sehr wichtig für eine Gesellschaft ist, dass jeder seine eigene Meinung haben darf, allerdings wirbt er auch für Verständnis für die Situation und das Denken des Gegenübers.
Der größte Teil der Gäste zeige zwar Verständnis für die Maßnahmen und halte sich daran, betont der Gastronom. Trotzdem kosten die Diskussionen, die immer wieder vorkommen, Zeit und Nerven. Drei Gäste musste Repnik schon des Hauses verweisen, weil sie sich nicht an die vorgeschriebenen Regeln halten wollten. Dazu sieht er sich nicht zuletzt deshalb gezwungen, weil auch er als Gastwirt dafür bestraft werden könne, wenn sich seine Gäste nicht an die Maßnahmen halten. »Daneben möchte ich auch schlicht und einfach nicht riskieren, dass wir aufgrund von Quarantäne für 14 Tage schließen müssen. Denn das bedeutet dann noch mehr Verdienstausfälle«, so Repnik. Und davon gab es für die Gastronomen in diesem Jahr ja bereits genug. Hinzu kommt, dass die Maßnahmen nicht ohne zusätzlichen Verwaltungs- und Organisationsaufwand umzusetzen sind.
Hoher Verwaltungsaufwand
Insgesamt sei der zusätzliche Verwaltungsaufwand nur schwer abschätzbar, sagt Markus Kümmerle, Betreiber des K99-Hotels in Radolfzell. Im Gespräch mit dem WOCHENBLATT berichtet er aber, dass allein für die Organisation des Frühstücks 20 Prozent mehr Personal eingesetzt werden muss, bei der gleichen Anzahl an Gästen. Denn das Frühstück gibt es im K99 nicht mehr wie üblich als Büfett, sondern als Tisch-Service.
Ein einheitliches System
Ein großes Problem sind für Kümmerle die vielen Diskussionen über das Hin und Her der Maßnahmen, wie es gerade wieder aktuell zwischen Bund und Ländern abläuft. Das schafft große Verunsicherung. Viele Gäste fangen dann an, Reservierungen zu stornieren. »Und das, obwohl es meines Wissens keine größeren Fälle gibt, in denen ein Hotel oder eine Gaststätte zu einem Hotspot geworden wäre«, bemerkt Nina Hanstein, die Geschäftsführerin der Tourismus- und Stadtmarketing Radolfzell GmbH. Sie versucht im Moment zumindest für die Radolfzeller Gastronomie ein einheitliches System für die Kontaktnachverfolgung zu finden. Ideal wäre ein elektronisches System über eine App oder eine Browser-Lösung auf dem Smartphone, bei der man einmal seine Daten eingeben muss und dann im Restaurant nur noch einen QR-Code scannen muss. »Das wäre eine Hilfe für die Gastronomen und auch für die Gäste«, ist sie überzeugt. Denn dadurch würde das Zettel-Ausfüllen entfallen. Für Gäste ohne Smartphone müssten die Wirte natürlich weiterhin die Zettel vorrätig haben.
Florian Repnik und Markus Kümmerle finden diese Idee gut, auch wenn sie der Meinung sind, dass es hier längst ein System auf Landes- oder Bundesebene geben müsste. »Man hätte eine entsprechende Funktion beispielsweise auch direkt in die Corona-App integrieren können«, so Repnik. Der große Wunsch der beiden Gastronomen ist indes, dass sie ihr Personal nach dem gut verlaufenen Sommer nicht nochmals in Kurzarbeit schicken müssen.
Was ist eigentlich mit dem Datenschutz?
Das WOCHENBLATT sprach mit Dr. Stefan Brink,dem Landesbeauftragten für Datenschutz in Baden-Württemberg, über das Thema Datenschutz in der Gastronomie.
WOCHENBLATT: Welche persönlichen Daten dürfen vom Gast erhoben werden?
Brink: »Beim Besuch einer Gaststätte durch den Betreiber dürfen Vor- und Nachname des Gastes, seine Anschrift, Datum und Zeitraum der Anwesenheit und, soweit vorhanden, die Telefonnummer zur etwaigen Kontaktnachverfolgung erhoben werden. Die E-Mail-Adresse darf nicht mehr erhoben werden.«
WOCHENBLATT: Ist der Gast verpflichtet, diese Daten preiszugeben? Wer kontrolliert die Daten auf ihre Richtigkeit?
Brink: »Ja, das ist er, sofern er in der Gaststätte essen oder trinken möchte. Wenn ein Gast sich ganz oder teilweise weigert, seine Daten anzugeben, muss ihn der Gaststättenbetreiber zum Verlassen der Gasträume auffordern. Eine Bewirtung dieses Gastes ist dann nicht möglich. Der Gast ist auch verpflichtet, richtige Angaben zu machen. Verstöße hiergegen führen zu einem Bußgeldverfahren. Eine ausdrückliche Kontrollpflicht durch den Gaststättenbetreiber ist in der Corona-Verordnung bislang nicht vorgesehen. Sollten aber offensichtliche Zweifel an der Richtigkeit bestehen, zum Beispiel, wenn jemand als Namen Donald Duck angibt, ist der Betreiber durchaus gehalten, bei diesem Gast diesbezüglich nachzufragen.«
WOCHENBLATT: Wer kontrolliert den Umgang mit den persönlichen Daten?
Brink: »Jeder Verantwortliche, der personenbezogene Daten verarbeitet, also auch der Gaststättenbetreiber, muss die gesetzlichen Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) kennen und umsetzen. Als Landesdatenschutzbehörde in Baden-Württemberg sind wir Ansprechpartner für die Bürger, Gaststätten und Behörden. Uns kann also jeder kontaktieren, wenn er der Meinung ist, dass die Datenschutzregeln nicht eingehalten werden. Auch können uns die Gewerbetreibenden ansprechen, die sich nicht sicher sind, aber wissen möchten, ob sie es richtig machen.«
WOCHENBLATT: Dürfen Gastronomen »offene« Listen verwenden?
Brink: »Nein, offene Listen sind unzulässig, weil so nachfolgende Gäste Namen und Kontaktdaten der anderen Gäste lesen können. Die Daten sind daher auf einzelnen Erhebungsbögen oder Karten zu erfassen.«
WOCHENBLATT: Wer darf die Daten nutzen und wie werden diese verarbeitet?
Brink: »Der Gaststättenbetreiber darf diese Daten erheben und muss diese bis zur Löschung sicher aufbewahren. Außerdem ist er verpflichtet, im Falle einer Kontaktnachverfolgung diese Daten an die Ortspolizei oder das Gesundheitsamt zu übermitteln. Andere Nutzungen sind in Paragraph sechs Absatz drei der Corona-Verordnung ausgeschlossen.«
WOCHENBLATT: Wie lange müssen Gaststättenbetreiber diese Daten aufbewahren?
Brink: »Die erhobenen Daten müssen vier Wochen lang aufbewahrt werden und sind anschließend zu löschen beziehungsweise zu vernichten.«
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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