Testprojekt soll im Hegau an der A81 starten
Die Autobahn als Solarkraftwerk
Engen/A81. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass elektrischer Strom eine große Rolle bei der Mobilität der Zukunft spielen wird. Nun macht sich ein internationales Forscherteam aus Deutschland, Österreich und der Schweiz daran zu untersuchen, ob der benötigte Strom nicht direkt auf der Autobahn produziert werden kann. Möglich würde dies beispielsweise durch eine Überdachung der Fahrbahn mit Solarzellen.
Um zu untersuchen, ob diese Idee zukunftsfähig ist, wird Anfang des nächsten Jahres an der A 81 bei Engen ein Teilstück einer solchen Überdachung aufgebaut, ein sogenannter »Demonstrator«. Allerdings nicht direkt über der Autobahn selbst, sondern über einer Zu- oder Abfahrt zur Raststätte Hegau-Ost.
»Mit dem Forschungsprojekt möchten wir das Potenzial der Autobahn für die Erzeugung erneuerbarer Energien entwickeln. Klar ist: Die Überdachung einer Autobahn ist wegen des schnell fließenden Verkehrs darunter eine besondere technische Herausforderung. Aber die Vision, eine bereits versiegelte Fläche noch einmal zu nutzen, und zwar quasi für die Erzeugung der Energie, die darunter durch Elektromobile gebraucht wird, muss man einfach verfolgen«, betonte der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums, Steffen Bilger, bei einem Termin zur Vorstellung des Projekts.
Der Demonstrator wird eine Länge von zehn Metern und eine Breite von rund 17 Metern haben, sodass er zwei Fahrspuren und den Pannenstreifen überspannen könnte. Die lichte Höhe unter dem Dach beträgt 5,50 Meter. Insgesamt kommt so eine Solarfläche von rund 200 Quadratmetern auf dem »Dach« zusammen. Pro laufenden Meter könnte ein solches Solardach über der Autobahn rund vier Megawattstunden pro Jahr produzieren. Das entspricht immerhin in etwa dem Jahresverbrauch eines Einfamilienhauses. Beim geplanten Demonstrator handelt es sich um einen absoluten Prototypen. Auf Nachfrage bestätigten die anwesenden Experten bei der Vorstellung des Projekts, dass ihnen in dieser Form als Stahlkonstruktion mit Solardach weltweit keine ähnlichen Projekte bekannt sind. Ein Jahr lang soll der Demonstrator nach seiner Aufstellung untersucht und messtechnisch überwacht werden um herauszufinden, ob das Projekt zukunftsfähig ist. Sollte das Ergebnis positiv ausfallen, könnten ganze Autobahnabschnitte mit einer entsprechenden Konstruktion versehen werden. Die Kosten für das gesamte Forschungsprojekt inklusive Bau des Demonstrators und der kompletten wissenschaftlichen Vor- und Nacharbeit belaufen sich auf rund eine Million Euro.
Verbesserte Wirtschaftlichkeitsperspektive
Ganz neu ist die Idee indes nicht, wie Dr. Lutz Pinkowsky, der Abteilungsleiter Verkehrstechnik bei der Bundesanstalt für Straßenwesen, bei einem Vor-Ort-Termin deutlich machte. Bereits im Jahr 2017 habe man sich Gedanken über das Thema gemacht. »Damals waren wir aber skeptisch, ob es überhaupt sinnvoll ist einen solchen Demonstrator zu bauen«, so Pinkowsky. Doch die Preise für Solarzellen seien in den letzten Jahren so stark gesunken, dass ein solches Experiment nun auch eine wirtschaftliche Perspektive haben könne.
Dr. Harry Wirth vom Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems ISE in Freiburg erklärte, dass man sich in den vergangenen Jahren intensiv Gedanken gemacht habe über eine Zweitnutzung von Flächen. »Wir haben in Deutschland riesige Flächen, die zugepflastert sind mit Fahrbahnbelag. Da macht es durchaus Sinn, Synergien zu nutzen«, so Wirth.
Positive Nebeneffekte möglich
So seien etwa Solaranlagen nicht nur auf den Dächern von Gebäuden, sondern auch als Fassade denkbar. Auch ganze Supermarktparkplätze könnten mit einem Solardach versehen werden und im landwirtschaftlichen Bereich laufen sogar schon Experimente mit überdachten Ackerflächen. Hierbei habe sich als positiver Nebeneffekt gezeigt, dass einige Kulturen, die bereits unter den ersten Anzeichen des Klimawandels gelitten hatten, unter der Solarbedachung wieder mehr Erträge liefern konnten. Auch über der Autobahn könnte eine entsprechende Überdachung positive Nebeneffekte haben: So wäre es möglich, dass sich aufgrund der Beschattung nicht mehr so leicht Spurrillen im Asphalt bilden können und Betonfahrbahnen weniger zur Rissbildung neigen, machte Martin Heinrich, ebenfalls vom ISE Freiburg, deutlich.
Allerdings stellen sich auch besondere Anforderungen an Sicherheit und Belastbarkeit einer solchen Konstruktion, insbesondere was Brandfälle, Steinschlag, Vibration und Schneelasten angeht.
Nur abschnittsweise Überdachungen
Zudem muss die Tragkonstruktion bei einem Unfall auf der Straße darunter gegen einen möglichen Fahrzeuganprall geschützt werden, damit sie nicht einstürzt. Erschwerend kommt hinzu, dass ab einer Länge von 80 Metern derartige Tragkonstruktionen ähnlich wie Tunnel einzustufen wären und die Konstruktion dann noch höheren Sicherheitsansprüchen genügen müsste. Engens Bürgermeister Johannes Moser merkte an, dass bei einer Überdachung der Autobahn auch landschaftliche Aspekte mit einbezogen werden müssen. »Jeder Hegauer kennt das Heimatgefühl, das aufkommt, wenn man von der Autobahn her kommend die Hegau-Berge sieht. Auch touristisch ist das ein wichtiger Aspekt«, betonte Moser. Dies dürfe nicht durch eine Überdachung verbaut werden.
Die Experten von Fraunhofer ISE betonten allerdings, dass es ohnehin auch für die Zukunft eine unrealistische Vorstellung sei, das ganze Autobahnnetz zu überdachen. Die abschnittsweise Überdachung hänge zudem von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Auch die Autobahn GmbH freut sich auf das Pilotprojekt. »Die Autobahn GmbH hat sich zum Ziel gesetzt, die Autobahnen innovativ und nachhaltig zu betreiben. Erneuerbare Energie über der Autobahn ist dabei ein weiterer Schritt zur Erreichung der Klimaziele«, betont die Direktorin der Niederlassung Südwest, Christine Baur-Fewson, beim Termin auf der Raststätte.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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