Stellungnahme der Landesregierung zum Verbot von Abholstationen im Einzelhandel
Vorteil für die Online-Riesen?

Villa Reitzenstein | Foto: Die Villa Reitzenstein in Stuttgart ist Sitz des Baden-Württembergischen Staatsministeriums. swb-Bild: Staatsministerium BW
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Stuttgart/ Landkreis Konstanz. Im ersten Lockdown durften stationäre Einzelhändler Abholstationen für bestellte Ware anbieten und konnten so weiter für ihre Kunden da sein, auch wenn die Geschäfte geschlossen bleiben mussten. Im neuen Lockdown, der seit einer Woche gilt, ist das nicht mehr erlaubt. Gerade bei vielen kleineren Unternehmen stößt diese Entscheidung indes noch immer auf Unverständnis, denn in den meisten anderen Bundesländern ist die Abholung von Ware erlaubt. Grund genug für das Wochenblatt, die Landesregierung zu fragen, wie sie diese Maßnahme begründet und ob dadurch nicht ungerechte Vorteile für die großen Online-Versandhändler entstehen:

Wochenblatt: Im ersten Lockdown war es stationären Einzelhändlern erlaubt Abholstationen, etwa für telefonisch bestellte Ware einzurichten. Trotzdem konnte damals die Infektionswelle gebremst werden. Warum gelten diesmal strengere Regeln?

Antwort des Staatsministeriums: »Das aktuelle Infektionsgeschehen ist mit der Situation im Frühjahr nicht vergleichbar: Es sind zurzeit nicht nur viel mehr Menschen mit dem Corona-Virus infiziert, es stecken sich auch weiterhin viel mehr Menschen mit dem Virus an. Entsprechend steigt auch die Zahl der Menschen, die im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion versterben, dramatisch an. Auch stoßen die Krankenhäuser zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Um die exponentielle Entwicklung des Infektionsgeschehens zu stoppen, war es daher unausweichlich, durch einen harten Lockdown die Kontakte zwischen den Menschen in unserem Land so stark wie möglich zu reduzieren. In diesem Zusammenhang wurde auch bewusst entschieden, das Bereitstellen von Waren zur Abholung durch den Kunden („click-and-collect“) zu untersagen. Ein solches Angebot hätte unweigerlich zu Ansammlungen von Menschen in den Verkaufsstellen und den Innenstädten allgemein geführt, was durch die vorübergehenden Schließungen von Einzelhandelsbetrieben ja gerade vermieden werden soll.

Baden-Württemberg gehört zu den mit am stärksten betroffenen Ländern. Deshalb wollen wir auch kein Risiko eingehen, dass mit Abholdiensten und Click & Collect die Innenstädte und Einkaufszentren quasi »durch die Hintertür« wieder stark frequentiert würden.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in einem Beschluss vom 18.12.2020 die Untersagung der Einrichtung eines Abholservices für derzeit zulässig erachtet. Laut VGH dient die Vorschrift dazu, Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell großen Zahl von Menschen abzuwehren und bezwecke zugleich, die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland durch die Verlangsamung des Infektionsgeschehens sicherzustellen.«

Wochenblatt: Wir haben von Einzelhändlern erfahren, dass der Lockdown so kurzfristig kam, dass sie keine Chance mehr haben, ihr Personal in Kurzarbeit zu schicken und damit erstmal trotz geschlossenem Geschäft weiterlaufende Kosten haben. Wird es dafür einen zusätzlichen Ausgleich geben?

Antwort des Staatsministeriums: »Die Entscheidung, die Bund und Länder gemeinsam getroffen haben, musste kurzfristig fallen, um schnell und radikal die Kontakte und Mobilität zu reduzieren. Gleichzeitig versuchen Bund und Länder, die Auswirkungen und Härten für die Wirtschaft möglichst abzufedern und finanzielle Hilfen für die betroffenen Unternehmen bereitzustellen. Der Bund hat den Zugang zur sogenannten Überbrückungshilfe deshalb erleichtert und die Konditionen verbessert. Es wird auch wie bei der Dezemberhilfe Abschlagszahlungen geben. Damit werden vor allem die Fixkosten beglichen. Auch das Land hat zahlreiche Förderprogramme aufgelegt, um die Liquidität in den Unternehmen zu sichern.

Auch das Kurzarbeitergeld spielt bei der Beschäftigungssicherung eine wichtige Rolle. Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass dies arbeitsrechtlich mit den Betroffenen vereinbart wurde. Dies kann auch sehr kurzfristig erfolgen. Parallel wird Kurzarbeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit vor Ort angezeigt. Diese bestätigt dann, ob dem Grunde nach die Anspruchsvoraussetzungen für Kurzarbeitergeld gegeben sind. Arbeitgeber müssen das Kurzarbeitergeld immer selbst berechnen und an die Kurzarbeitenden ausbezahlen. Erst danach erfolgt auf Antrag eine Erstattung durch die Arbeitsagentur.«

Wochenblatt: Die stationären Händler dürften zwar auf Versandhandel umstellen, aber dass sie auf diesem Feld keine Chance gegen Amazon und Co. haben dürfte kaum überraschend sein. Wie beurteilt die Landesregierung, die Tatsache, dass hier ein Wettbewerbsvorteil für einen ohnehin schon mächtigen Konzern geschaffen wird?

Antwort des Staatsministeriums: »Wer bereits eine Internet-Präsenz oder einen Online-Shop hat – und das sind bei weitem nicht nur große Händler wie Amazon – der hat natürlich in der jetzigen Situation Vorteile. Deshalb unterstützt die Landesregierung den Handel schon länger bei der Digitalisierung, z.B. mit der Digitalisierungsprämie, die erst kürzlich um weitere 50 Mio. Euro aufgestockt wurde. Das Land unterstützt den Einzelhandel auch mit anderen Initiativen. Daran müssen wir auch nach der Pandemie weiterarbeiten und in den Bemühungen nicht nachlassen. Für alle anderen Händler gibt es die Möglichkeit, Bestellungen per Telefon abzuwickeln. Aber natürlich ist hier auch der Verbraucher gefragt und die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger sind aufgerufen, lokal zu bestellen, wo immer es möglich ist und somit dem Einzelhandel vor Ort den Rücken zu stärken.«

- Dominique Hahn

Autor:

Redaktion aus Singen

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