Treffen mit dem Wunsch nach Zukunft
Ohne Bauern keine Landschaft, ohne Wirte keine Dörfer
Tengen. Bei den Landwirten ist das Fass übergelaufen. Bei den Gastwirten genauso, wurde bei einem gemeinsamen Treffen von Vertretern des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV) und des Deutsches Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) am Mittwochmorgen, 31. Januar, im "Waldfrieden" in Tengen festgestellt. Abseits der aktuellen Probleme mit der Kürzung von Subventionen, mit der Rücknahme der Mehrwertsteuer-Vergünstigung nach der Corona-Krise und einer belastenden Bürokratie wollen die Vertreter beider Branchen nun auch nach Wegen suchen, wie man sich gemeinsam und in Kooperation besser für die Zukunft aufstellen könnte. Sprich: Wie man auch die Gäste und Verbraucher mehr für das Thema einer regionalen Versorgung mitnehmen kann, um damit auch mehr regionale Wertschöpfung generieren zu können, betonten die BLHV-Vertreter Stefan Leichenauer und Andreas Deyer, wie auch Manfred Hölzl und Corinna Weiermann-Seidl von der DEHOGA. Es gehe um mehr als nur die Rahmenbedingungen, die natürlich stimmen müssten. Nötig sei hier auch ein stärkeres Regionalbewusstsein der Verbraucher. Es gebe viele Beispiele, dass so etwas funktionieren könne, unter einem Titel wie "Regional isst ideal" zum Beispiel, kam als Signal. Lernen könne man zum Beispiel vom Vorbild Südtirol, wo der Patriotismus freilich einen Vorsprung von 30 Jahren habe, aber von allen Besuchern positiv wahrgenommen werde. Mit Projekten wie "Gutes vom See" oder "Schmeck den Süden" gebe es zwar Ansätze schon seit vielen Jahren, diese müssten aber noch viel stärker ausgearbeitet werden, wurde festgestellt.
Die Zeit wird knapper
Freilich: Anfangen hieße jetzt, denn viel Zeit haben weder die Bauern, noch die Landwirte. Es gehe ja auch um Perspektiven und um die nächste Generation, die hier eine Zukunft brauche. Wegen der Rückkehr zur alten Mehrwertsteuer für die Gastronomie, die ein Spitzenwert in Europa sei, habe man ein Jahr immer wieder verhandelt in den Fachgruppen. Und am Ende galt trotzdem "Friss oder stirb", klagte Corinna Weiermann-Seidl. Jürgen Veser vom "Adler" in Wahlwies erinnerte an 360 Jahre Familiengeschichte dieser Wirtschaft. Nun bekomme er von seiner Tochter gesagt, dass sie den Betrieb nicht übernehmen könne, wenn sie in die Bücher schaue. Denn davon könne man eigentlich nicht leben. In ein ähnliches Horn stößt Egberg Tribelhorn von der "Sonne" in Tengen-Wiechs: Man sei ein kleiner Familienbetrieb. Aber wenn er alters halber aufhöre, werde es keine Nachfolger geben, die sich so etwas noch antun würden - sein Herz hänge am Haus und seinem Beruf. Er würde das deshalb noch machen.
Mindestlohn mit Killerfaktor
"Früher hat sich die Bedienung noch am Schluss zum Stammtisch dazusetzen können, so was geht mit den neuen Mindestlöhnen gar nicht mehr und wir legen drauf", machen sich die Gastronomen Luft. Obwohl genau dies ja der immer wieder beschriebene soziale Faktor der Gast-Wirtschaft sei, müsste man aufgrund der gewaltigen Kostensteigerungen Öffnungszeiten immer mehr auf den Bereich komprimieren, in denen genügend Gäste kommen und alle schwächer frequentierten Zeiten streichen. Gastwirtschaften lebten oft auch von ihren Nebenzimmern, für Feiern oder Vereinsveranstaltungen. So was könne man sich eigentlich nicht mehr leisten. Die Politik hake sich nur unter, um einem in den Hosensack zu langen, schnauben die Wirte wie Bauern.
Renate Hönscher, die neben einem Betrieb für Land- und Forstwirtschaftliches Gerät auch 15 Hektar Grünland bewirtschaftet, sieht schwere Zeiten auf die Betreiber von Sonderkulturen, vom Spargel über Erdbeeren bis zum Obst zukommen. Unter anderem der Mindestlohn und andere "Nebenkosten" machten diese Bereiche "nicht mehr konkurrenzfähig". Die Arbeit, wertzuschätzen, wäre der größte Wunsch, der immer wieder angesprochen wurde - verbunden mit der Frage, was es den Menschen oder der Gesellschaft wert ist.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
Kommentare