Gerlinde Joos geht aus dem BSZ in den Ruhestand
Hauswirtschaft wird heute mehr denn je gebraucht
Eine besondere Lehrerinnenlaufbahn schließt Gerlinde Joos mit diesem Schuljahr am BSZ Stockach ab. 65 Jahre ist sie geworden, davon hat sie 27 Jahre hier im Berufsschulzentrum das Fach Hauswirtschaft vermittelt und sozusagen viele Generationen von SchülerInnen mit vielen praktischen Dingen des Lebens bereichern können.
Begonnen hatte ihre schulische Karriere an der Mettnauschule in Radolfzell, nach der Elternzeit freilich erlangte sie vom damals kurzfristig kommissarisch eingesetzten Schulleiter Karl Beirer der Ruf nach Stockach, schließlich wohnt Gerlinde Joos ja auch hier in der Kuonystadt, und ihr Ruf eilte ihr sozusagen voran. »Ich war freilich erst mal nur abgeordnet gewesen von der Mettnauschule, was ich aber bald geändert hatte«, blickt sie zurück im Gespräch mit dem WOCHENBLATT. »Ich bin der Schule gerne treu geblieben«, erklärt sie mit einem besonderen Lächeln. »Es gibt da ganz viele Sachen, die einem wieder einfallen, auf viele Schüler blickt man zurück, und so ganz viele Geschichten, die dazugehören. Es waren viele schöne Stunden hier an der Schule«, macht sie deutlich. »Irgendwie gehöre ich eigentlich zum Inventar der Schule. Als ich damals an die Schule kam, waren wir noch rund 20 LehrerInnen gewesen, inzwischen ist das Kollegium schon auf 60 Lehrende angewachsen«, wird auch die besondere Entwicklung des BSZ Stockach skizziert. »Da kennt man nicht mehr alle Lehrer, bei so einem großen Kollegium«, gesteht sie. »Allerdings kennen bestimmt alle mich.«
Weltgeschichte an der Schule
In den 27 Jahren hier am BSZ Stockach hat sich auch die ganze Weltgeschichte in der Schule niedergeschlagen. »Als ich hier anfing, war ein richtiger Engpass als viele Russlanddeutsche hier nach Deutschland kamen. Es kamen viele Jugendliche, die sehr große Schwierigkeiten hatten, sich hier zu integrieren.« Da jungen Männern das Kochen beibringen zu wollen, was gar nicht deren Stand entsprach, sei da schon eine spezielle Herausforderung gewesen. Da sei auch gar nicht so das Kochen im Vordergrund gestanden, sondern dabei auch eine Alltagssprache zu lernen. »Wir hatten damals bis zu sechs BEJ/VAB-Klassen in der Schule, bei denen es um die Förderung und die Vorbereitung der Ausbildungsfähigkeit ging.« Heute sind die AV-Klassen (Ausbildungsvorbereitung) daraus geworden, die auch viel Engagement von den Lehrern fordern. Weitere Wellen folgten ja immer wieder mit Geflüchteten aus den verschiedensten Ländern, von Syrien wie jetzt aus der Ukraine, für die das BSZ auch zu einer wichtigen Eintrittspforte in die Gesellschaft wurde und in denen Integration gelebt wurde, eben auch am Herd und mit Nadel und Faden.
Die Nadel ist es nicht allein
Was hat sich verändert in diesen 27 Jahren, ist die große Frage. »Die SchülerInnen und Schüler«, bringt es Gerlinde Joos auf den Punkt. Gerade bei Nähunterricht bekomme sie von den jungen Mädchen immer wieder zu hören: »Also, eine Nadel werde ich sicher später nicht mehr in die Hände nehmen«, und das glaube sie denen auch. »Bei mir geht es darum, durch diesen Unterricht auch noch ganze andere Kompetenzen zu vermitteln, wie zum Beispiel Durchhaltevermögen oder Genauigkeit, Zuverlässigkeit und eine Sache auch mal bis zum Ende durchzuziehen.« Es gehe nicht wirklich darum, ob jemand diesen Knopf nun annähen könne, sondern dass er oder sie sich darum bemühe. »Wenn ich das den SchülerInnen so beibringe, finde ich gute Resonanz. Nicht die Nadel ist wichtig, sondern das auch durchzuziehen. Da ist viel Herzblut auch von mir drin. Gerade bei der Arbeit mit ihnen lerne ich die SchülerInnen sehr gut kennen und kann sie auch unterstützen. Ich hänge schon an den SchülerInnen und wenn die dann gehen, tut es ein bisschen weh, weil man doch in diesen praktischen Fächern die Menschen viel besser kennenlernt«, blickt sie bewegt zurück. »Wir hatten da mal in einem Jahr eine kleine Weihnachtsfeier gemacht und die SchülerInnen wollten eigentlich gar nicht nach Hause gehen, weil es irgendwie ein Gefühl wie eine Familie gewesen ist.« So schön sei es noch nie gewesen, sei da als Resonanz gekommen.
Und was bleibt nach diesen vielen Jahren? »Das sind ganz viele SchülerInnengeschichten, wenn manche auch in der Pause auf mich zugekommen sind, um von einem Problem zu erzählen. Ich denke eigentlich schon jetzt mit Wehmut daran, wenn es das nicht mehr gibt. Die Schule ist da irgendwie mein Leben geworden.«
Ein Grundstock für vieles
Ist Hauswirtschaft ein Fach, das es heute noch braucht? »Ja. Die Hauswirtschaft ist der Grundstock unserer Gesellschaft. Wenn das zusammenbricht, wäre das das Ende unserer Menschheit«, sagt sie ganz klar. »Was mir die SchülerInnen immer wieder rückmelden, ist, dass sie hier in diesem ›praktischen‹ Unterricht unheimlich viel fürs Leben gelernt haben.« Oder wenn sie mal kommen und sagen: »Den Kochordner von Ihnen hab ich immer noch und das ist das Lieblingsrezept meines Mannes.« Schöner könnte der Dank nicht sein.
»Ich habe auch unter anderem Farbenlehre unterrichtet und einen Schüler, der nach dem BSZ beruflich in die Welt ging und mir sagen wollte: ›Das war der Grundstock für alles Weitere‹, wenn er auch meinen Namen nicht mehr wusste. Das hat mir unglaublich gutgetan, vor allem, weil das auch eines meiner Lieblingsgebiete ist.« Und: »Es ist ein Beruf, der mich absolut zufrieden gemacht hat. Die SchülerInnen machen oft in den ersten Stunden deutlich, dass sie das eigentlich unwichtig finden, was ich ihnen da vermitteln möchte. Und das ändert sich dann mit der Zeit immer stärker. Die Kunst ist es, Neugierde zu wecken und Erfolgsmodelle zu vermitteln.«
»Dass ich dieses Fach wählte, hatte ich übrigens gar nicht selbst entschieden, sondern meine Eltern für mich. Eigentlich wollte ich als Jugendliche mal Erzieherin werden, ganz klassisch.«
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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