Beklagter ist auf Gegenwind getrimmt
Kubicki: "Ich bin mir keiner Schuld bewusst"
Stockach. Am Donnerstag ist wieder Gerichtstag in Stockach. Und zwar ein deftiger. Denn das Stockacher Narrengericht hat sich in diesem Jahr als Beklagten den FDP-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Kubicki geladen, der als Vize seiner Partei doch immer wieder für markige Kommentare gut ist, zum Beispiel nach der Berlinwahl am Sonntag, wo er laut Tagesspiegel gegen dem Grünen-Wirtschaftsminister Habeck "lederte", dass sich dieser nun "gehackt legen könne".
Oder der laut dem "Spiegel" gar "Krawall" in der Ampel-Koalition ankündigte, weil die FDP bei der Wahl bekannterweise an der 5-Prozent-Hürde scheiterte. Eingeschränkt wurde die Aussage laut dem Nachrichtenmagazin freilich durch Kubickis Kommentar, dass er an diesem Abend noch dabei sei, sich das Ergebnis schön zu trinken. Ob die Stockacher Narrenrichter einem solch borstigen Advokaten gewachsen sind, wird sich erst in der Verhandlung zeigen. Die Boxhandschuhe werden gerade erst angezogen.
Vorab ließ sich Wolfgang Kubicki zu seiner Strategie für die Stockacher Verhandlung noch nicht tief in die Karten blicken, aber gab seine Standpunkte im Interview des WOCHENBLATTs schon mal preis.
WOCHENBLATT: Sie stehen als Beklagter vor dem Stockacher Narrengericht, und damit stehen sie in höchst prominenter Gesellschaft. Die Klage hat Sie sicher genauso überrascht wie die Menschen in der Region hier. Aber sind sie sich einer Schuld bewusst, die sie ins Visier der närrischen Richter gebracht haben könnte? Immerhin meinen die Narren, sie hätten schon ganz schön was auf dem Kerbholz.
Wolfgang Kubicki: Nein, ich bin mir selbstverständlich keiner Schuld bewusst. Ich habe mich stets rechtstreu verhalten und meine Mitmenschen so menschenwürdig behandelt, wie es individuell eben möglich ist. Ich weiß aber aus vergangenen Verhandlungen des Stockacher Narrengerichtes, dass die Vorhaltungen des Klägers regelmäßig der Grundlage entbehrten – mit Ausnahme natürlich bei jenen Fällen, bei denen Kollegen von Union, SPD oder Grünen auf der Anklagebank saßen. Ich sehe dieser Verhandlung jedenfalls mit Gelassenheit entgegen.
WOCHENBLATT: Die FDP ist ja das Gelb in der Ampel, also zwischen Grün und Rot. So können sie mal bremsen, aber auch zum Gas geben auffordern. Was ist da angesichts der aktuellen politischen Lage mehr erforderlich? (Ruhig mit Beispielen)
Wolfgang Kubicki: Wir müssen das Pedal auf Anschlag drücken bei der Planungsbeschleunigung. Wir brauchen keine Staus, sondern so schnell wie möglich Straßen und Autobahnen. Wer meint, mit mehr Straßen würde das Verkehrsaufkommen zu mehr CO2-Ausstoß führen, ist ziemlich von gestern. Oder brauchen klimaneutrale Autos keine Straßen? Und natürlich ist es nicht das Ende der intellektuellen Fahnenstange, wenn man wie die Klimaschutzpartei der Grünen Kohlekraftwerke reaktiviert, um CO2-arme Kernkraftwerke stillzulegen. Manchmal bekomme ich den Eindruck, Probleme sollen deshalb nicht mehr gelöst werden, weil die Koalitionspartner befürchten, ihre Daseinsberechtigung zu verlieren.
WOCHENBLATT: Als Nordlicht mit Kieler Wurzeln dürfte ihnen die schwäbisch-alemannische Fastnacht wahrscheinlich sehr exotisch vorkommen. Trotzdem sind sie sprachlich ja durchaus närrisch unterwegs, wenn man nur an den "Spacken" denkt, mit dem sie Gesundheitsminister Karl Lauterbach betitelten. Haben sie sich da auch schon einen Kosenamen für Narrenrichter, Ankläger oder Fürsprech erdacht?
Wolfgang Kubicki: Nein, das noch nicht. Die schönsten Beleidigungen fallen mir immer spontan ein – und sie tun nur halb so weh, wenn man das Gegenüber dabei anlächelt. Der „Spacken“ war übrigens nicht meine Wortschöpfung, sondern war lediglich die Wiedergabe des allgemeinen Sprachgebrauches in meiner Kneipe. Ich muss jedoch festhalten, dass für echte Schleswig-Holsteiner der Süden bereits ab Hamburg beginnt. Da nimmt der Begriff der „Exotik“ natürlich einen deutlich größeren geografischen Raum ein.
WOCHENBLATT: Wir nehmen an, dass sie als gewiefter Rechtsanwalt auf "Unschuldig" plädieren, auch wenn die Rechtsprechung in Stockach anderen Gesetzmäßigkeiten folgt, als auf dem Rest der Welt üblich wäre. Nun sind Braunschweig als ihr Geburtsort oder gar ihr aktueller Wahlkreis Steinburg /Dithmarschen - trotz Klimawandel - gewiss noch keine Weinbaugegenden geworden. Wo wollen sie Wein herbekommen, falls sie doch verurteilt werden sollten?
Wolfgang Kubicki: Mit spekulativen Fragen, deren Eintrittswahrscheinlichkeit gen Null tendiert, muss ich mich eigentlich nicht beschäftigen. Aber Ihnen zuliebe tue ich es auch nur, weil mich Ihre bacchischen Wissenslücken schon etwas beeindruckt haben. Denn mittlerweile kann man sogar dänischen Wein im freien Handel beziehen.
WOCHENBLATT: Als "Dandy" werden sie gern tituliert, schon wegen ihrer Erscheinung. Dann wissen sie sicher um den schon sehr langen aber vergeblichen Kampf der Stockacher Frauen, endlich auch ins Narrengericht aufgenommen zu werden, und eben nicht als Dekoration in Form von Marketenderinnen an der Fastnacht mitwirken zu können. Würden sie diese Initiative auch unterstützen? Können sie als FDP in Sachen "Frauenquote" hier als Vorbild herhalten?
Wolfgang Kubicki: Im Gegensatz zum Stockacher Narrengericht dürfen Frauen in der FDP nicht nur tätig werden, sondern sind sogar herzlich willkommen. Ich mache einen Vorschlag an alle Stockacher Frauen: Kommen Sie zu den Freien Demokraten! Bei uns dürfen Sie nicht nur etwas sagen, sondern sogar das, was Sie wollen.
Die Verhandlung in der Jahnhalle beginnt um 17 Uhr live. Das SWR-TV wird ab 20.15 Uhr darüber berichten, das WOCHENBLATT natürlich aktuell online.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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