Schöne wie unterhaltsame Worte beim Uffwirmkaffee
"Das Narrensein ist eine Lebenseinstellung"

- Eine ganz besondere Ehrung zu 60 Jahren Laufnarr durfte Ordensmeister Markus Vollmer beim Uffwirmkaffee durchführen. So durfte er neben Herbert Birmele (2. von links, neben Narrenrichter Jürgen Koterzyna) und Heinz Martin (2. von rechts) auch seinen Vater Klaus Vollmer (Mitte) ehren.
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Stockach. Auch vier Tage nach der historischen Verhandlung des Stockacher Narrengerichts mit Julia Klöckner blieb das Thema der Frauen als Gerichtsnarren ein Thema in der Stockacher Fasnet. So geschehen beim traditionellen Uffwirmkaffee am Fasnet-Mändig, 3. März im Goldenen Ochsen.
"Was wäre das Stockach ohne Narrengericht und dies ohne seine Tradition, die sie seit vielen Jahren hegt und nie verändert hat?", fragte Bürgermeisterin Susen Katter zu Beginn in die Runde. Man habe das Gefühl, dass das Hohe Grobgünstige Narrengericht unter Denkmalschutz stehe. Da Narrenrichter Jürgen Koterzyna sowie den Gerichtsnarren ihr zufolge bei der Verhandlung die Panik schier ins Gesicht geschrieben stand, wäre es für Katter an der Zeit für Frauen im Gremium. "Dies wäre dann genauso revolutionär wie kürzlich im Vatikanstaat, als Schwester Raffaela Petrini als erste Frau zur dortigen Gouverneurin berufen wurde." Auch die Tanznummer der Zimmerer beim Bunten Abend sei für die Bürgermeisterin ein "stummer Schrei nach Weiblichkeit" gewesen. Und doch sei es für sie schwer vorstellbar, dass es in den nächsten Jahren dazu kommen würde.
Eine Waldkapelle für Marie Antoinette
Nach einer ersten Gesangseinlage der legendären Bänkelsänger der Aktiven Laufnarren, die aufgrund vieler, nicht umgesetzter Maßnahmen in der Stadt immer wieder "Nei nei, s'isch nix passiert" sangen und dabei sogar in einem Vers eine Hommage an Lina Spiegelhalter lieferten, wurde es "Zeit, dass Orde geit". Diesmal hatte Südkurier-Redakteur Dominique Hahn die Ehre, mit dem Hans-Kuony Kreuz ausgezeichnet zu werden.
Es folgte ein historischer wie höchst amüsanter Wortbeitrag von Stefan Keil, der über die Planungen zum Besuch von Marie Antoinette am 7. Mai 1770 in Stockach berichtete. Interessant war hierbei auch zu wissen, dass Wien und Paris jeweils 652 Kilometer von Stockach entfernt waren. Fragwürdig wurde es jedoch bei der Anfrage der Königstochter nach einem WC im Weißen Kreuz, dass der Landvogt in der Antwort doch glatt mit der Waldkapelle Loretto verwechselte. So blieb dann bei den Gerichtsnarren und närrischen Gästen kein Auge trocken, als bekannt wurde, dass bei diesem "WK" am Sonntag sogar Orgelbegleitung dabei sei und auch Kutschenverkehr zur Verfügung stehe.
Laufnarrenschlag für den Pfarrer
An diesem Vormittag ließ es sich das Narrengericht auch nicht nehmen, durch Pritschenmeister Michael Kempter einen Laufnarrenschlag zu vollziehen. Der Glückliche war hierbei der neue evangelische Pfarrer Ulf Weber, der nach seiner Würdigung noch einige Worte an die Närrinnen und Narren richtete. Dabei fasziniere es ihn sehr, dass seit 674 Jahren hier ein Narrengericht regiere. "Das Narrengericht, so klug und weise, bewahrt Tradition in jeder Weise", so Weber lobend. "Die Fasnet hat mein Herz berührt, und mich mit Freude inspiriert."
Ein weiterer Beitrag zum Thema Frauen im Narrengericht kam von der Altstockacherin Lea Ossola. Dabei zeigte sie sich traurig über die Tatsache, dass nun ein neuer Hans Kuony gesucht werden müsse. "Knallrote Lippe und Krähefüß mache jedes Häs zuckersüß", betonte sie dabei ihre Ansprüche, vielleicht selbst die Nachfolgerin von Roland Drews zu werden. Jedoch nahm sie dann doch Abstand davon, könne sich das Narrengericht unter anderem doch kein Frauengewand leisten. "Dann bleib' ich lieber dem Brauchtum treu. Mit Haube, Schal und Tracht, als Altstockacherin in voller Pracht."
Der Junior ehrt den Senior
Anschließend an eine sehr unterhaltsame Einlage der Bänkelsänger, die hier nun zur Melodie von "Rock mi" unter anderem "Wenn alle Häser tragen - Narro statt Hallo sagen - isch Fasentszeit" bekundeten, folgte mit den Ehrungen dreier Narren für 60 Jahre als Stockacher Laufnarr ein ganz besonderer Moment. Nicht nur für die Geehrten selbst, sondern auch für Ordensmeister Markus Vollmer, durfte er hier neben Herbert Birmele und Heinz Martin auch seinen Vater Klaus Vollmer für diese lange Zeit als Laufnarr ehren. "Das kommt selten vor, dass der Junior den Papa ehrt", wusste auch Klaus Vollmer anzumerken. Von Birmele gab es für das Narrengericht sogar einige gute Tropfen besten Weißburgunders geschenkt. Zudem betonte Heinz Martin die Bedeutung der Fasnet im Allgemeinen, wofür er mehr als schöne Worte fand. "Das Narrensein ist mehr als nur ein Spaß. Es ist eine Lebenseinstellung, die uns lehrt, auch in schwierigen Zeiten das Lachen nicht zu verlieren. Denn das Leben ist zu kurz, um es ohne ein bisschen Narrheit zu verbringen."
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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