Ein Pfarrer erinnert sich
"Zeichen setzen, dass Gott in der Welt wirkt"
Kein Zweifel - für Pfarrer Joachim Schulz, nun im 84. Lebensjahr, war die Einweihung des Evangelischen Dietrich-Bonhoeffer-Gemeindezentrums am 23. Mai 1982 in der Beethovenstraße neben der gleichnamigen Schule in Singens Nordstadt ein magischer Tag.
Es galt, wie der damalige Ältestenkreis-Vorsitzender Kurt Burkart als nun 93-Jähriger im Gespräch formulierte, eine architektonisch bemerkenswerte „Wohnkirche“ in reiner Holzkonstruktion mit heruntergezogenem Pagodendach als „originellen, romantischen Ort der Geborgenheit“ zu segnen und mit Leben zu erfüllen.
Schulz hatte im Oktober 1981 die Pfarrstelle von Dr. Ullrich Lochmann übernommen, welcher nach zehnjähriger Arbeit - zunächst für die „Luthergemeinde ll“, ab 1972 dann für die neu etablierte „Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde“ - seine Wirkungsstätte im Mai 1981 noch mitten in der Bauphase verließ, um sich damals noch stärker in der Friedensbewegung zu engagieren. Pfarrer Lochmann war einst aus Südafrika verbannt worden, weil er gegen die dortige Rassentrennung (Apartheid) Stellung bezogen hatte.
Pfarrer Schulz zeigte sich beeindruckt vom Wirken Lochmanns und auch Bonhoeffers, der als evangelischer Theologe im NS-Widerstand aktiv war und den Adolf Hitler persönlich wenige Tage vor der Kapitulation noch kaltblütig hinrichteten ließ. Auch Schulz verstand sich als Teil der aktiven Friedensbewegung und gab im Laufe seiner 20-jährigen Seelsorgearbeit sowohl seiner Bonhoeffer-Gemeinde als auch der Stadt immer wieder Impulse, Verantwortung für ein gutes Zusammenleben zu übernehmen. So konnte die bereits Ende 1974 etablierte Hausaufgabenbetreuung der Gemeinde in drei neuen Räumen im Untergeschoss ausgebaut werden.
Eine weitere Pionierleistung wurde die Offene Jugendarbeit, welche Schulter an Schulter mit der Stadt erfolgte und nachweislich half, soziale Probleme zu verringern. Jährliche Projektwochen und Betriebsbesuche in der Region trugen Impulse in die Arbeitswelt. Unvergessen „das Kreuz der Arbeitslosigkeit“, welches noch heute am oberen Ende der August-Ruf-Strasse zu finden ist - Pfarrer Schulz und sein Weggefährte Heinz Kapp vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt trugen es in schwierigen Zeiten auch bis vor die Tore von Alcan Singen oder Maggi, sehr zum Ärger der damals dort Verantwortlichen.
Am 1. Mai wurde gemeinsam mit dem legendären Pfarrer Gebhard Reichert der ökumenische Gottesdienst in der Herz-Jesu-Kirche gefeiert - ein Wunsch Heinz Rheinbergers, bevor dessen IGMetall-Demonstrationen starteten. Von Schulz stammt auch die Idee, die Kirche auf der Landesgartenschau 2000 mit einem „Garten der Schöpfung“ sichtbar zu machen - die Umsetzung erfolgte kongenial nach einem Entwurf von Landschaftsgärtner Kurt Burkart und gilt bis heute als ein Juwel am Rande der Stadt, im monatlichen Wechsel gehegt und gepflegt von hiesigen Kirchengemeinden. Schade nur, so Schulz, dass die Pumpen am Springbrunnen wohl kaputt sind. Dies sei eigentlich Sache der Stadt, welche in der Folgezeit das zuständige Gartenamt zudem seiner Bedeutung - auch als Beschäftigungsbrücke für Langzeitarbeitslose - beraubt und dem Bauamt untergeordnet hatte.
So blieb klares soziales Engagement und langjähriges Bemühen um Ausgleich und Frieden ein zentrales Anliegen von Pfarrer Joachim Schulz weit über seine Gemeinde hinaus - und dies über zwei Jahrzehnte ganz im Sinne Bonhoeffers: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“.
Portrait:
Name: Joachim Schulz
Alter: 84
Wohnort: Allensbach-Hegne
Beruf: Pfarrer im Ruhestand
Was treibt Sie an: Obgleich seit 2001 im Ruhestand, übernahm er weiterhin Vertretungen und beteiligte sich an Projektwochen. Ihn beschäftigen nach wie vor theologische Themen, Fragen des Glaubens und deren Erörterung in entsprechenden Arbeitskreisen.
Was verbinden Sie mit der Region: Mit seiner Familie genießt er das schöne Zuhause oberhalb des Klosters Hegne am Gnadensee.
Der Ort:
Die Einweihung des Dietrich-Bonhoeffer-Gemeindezentrums in der Beethovenstraße in Singen ist dem Pfarrer im Ruhestand Joachim Schulz im Gedächtnis geblieben.
Autor:Bernhard Grunewald aus Singen |
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