Zählt der auch nur noch am Aschermittwoch?
Wie Spaß zum Kult wird
„Hauptsache, Ihr habt Spaß!“ So wirbt der Media-Markt in äußerst persönlich abzielender Werbung mitten in der Fastnachtszeit! Das pfeifen die Marketing-Experten seit längerer Zeit von den Dächern: Es geht auf dieser Welt nur noch um den Spaß-Faktor. Das Fernsehen vermittelt den Spaß-Faktor bei der Wintersport-Übertragung. Als Olympia-Siegerin Carina Vogt am Samstag nach einem wirklich guten ersten Sprung gefragt wurde, was sie vom zweiten Sprung jetzt erwarte, antwortete sie jugendgerecht: „Spaß“!
Seit die schwäbisch-alemannische Fasnet als Weltkulturerbe gesehen werden will, muss sich manches neu definieren lassen. Was ist Brauchtum aus dem Blickwinkel des Spaß-Faktors wirklich wert? Oder: Was ist es noch wert? Als Männerballett zu den Höhepunkten „Bunter Abende“ gehörten, schrieben wir Brauchtum gerne ohne „r“. Wahrlich zählte nur noch das wahre „Bauchtum“, von dem die Fotos in der Zeitung kündeten. Hat jetzt sogar die „Weltkultur“ ihr „r“ verloren? Alles nur noch „Kult“, vertrieben durch die Medien und den Media-Markt im weitesten Sinne?
Heute gibt es zum sechsten Mal den „Politischen Aschermittwoch“ des Wochenblatts in der Singener Scheffelhalle: Mit Spaßfaktor zwischen eins und zehn auf der Fastentabelle? Letztes Jahr ging es um Ethik und Moral in unserer Politikwelt. Von der Bühne aus schien es großartig zu verlaufen. Das Thema zog die Zuhörer im vollbesetzten Saal in den Bann. Voll wird es am Aschermittwoch wieder in der Halle sein, wenn es thematisch um das Gegenteil geht, die Nichtwähler, den Verzicht auf das ureigenste Bürgerrecht. Sollte das Volk öfter selbst entscheiden können? Das hat die Vorberichterstattung gezeigt: Die plebiszitären Elemente der Schweizer Demokratie führen nicht unbedingt zu höherer Wahlbeteiligung.
Konsequenz: Von außen sieht vieles anders aus als mittendrin! Mehr noch: Für uns ist die Schweizer Demokratie irgendwie ein Stück Kultur, vielleicht auch Kult. Da geht es nicht um Spaß, denn politische Kultur ist bei den Eidgenossen eine ernste Sache! Uns ist der Aschermittwoch auch eine ernste Sache! Es gilt, über Zeitabläufe nachzudenken und Entwicklungen abzuschätzen, zu bewerten. Die Narren machen jetzt Sommerpause. In Singen wird am 11.11 dann wieder dem Poppele berichtet. Freuen wir uns darauf.
Von Hans Paul Lichtwald
- Redaktion
Autor:Redaktion aus Singen |
Kommentare