Malteser Hilfsdienst e.V. Singen
Rettung auf vier Pfoten: Die Arbeit der Malteser-Rettungshundestaffel Singen

- Als Teil der Rettungshundetaffel der Malteser kommen Hunde dort zum Einsatz, wo Menschen vermisst werden - Tag und Nacht.
- Foto: swb-Bild: Ramona Kamionka, Malteser e.V.
- hochgeladen von Juleda Kadrija
Singen/Kreis Konstanz. Für viele Menschen ist der Hund mehr als ein Haustier – er ist Begleiter, Seelentröster, Motivator. Hunde können Ängste lindern, Einsamkeit vertreiben, Bewegung fördern. Doch ihr Potenzial reicht weit über das Private hinaus: Sie retten Leben. Als Teil der Rettungshundestaffel des Malteser Hilfsdienstes e.V. Singen kommen sie dort zum Einsatz, wo Menschen vermisst werden – Tag und Nacht, bei jedem Wetter.
„Der Geruchssinn eines Hundes ist unschlagbar“, erklärt Ramona Kamionka, Leiterin der Rettungshundestaffel Malteser Singen. Während Flächensuchhunde allgemein Menschen in großen Gebieten aufspüren, konzentrieren sich sogenannte Mantrailer – wie sie in der Rettungshundestaffel der Malteser Singen eingesetzt werden – auf den individuellen Geruch einer bestimmten Person. Es gibt andere Staffeln, die auch Flächen, Trümmer oder sogar Wasserortungshunde einsetzen. „Wir nehmen zum Beispiel ein Kleidungsstück der vermissten Person, geben es dem Hund, und er verfolgt exakt diese Spur.“
Diese Art der Suche ist besonders bei demenziellen Erkrankungen, Suizidverdacht oder vermissten Kindern effektiv, bei denen es einen persönlichen Geruchsträger der Person gibt und einen klaren Abgangsort. „Wir hatten schon Einsätze wegen Schülern, die nicht nach Hause kamen“, erzählt Ramona Kamionka. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr der Fall vom 8. März 2024: Ein Junge aus der Regenbogen-Schule in Konstanz kam nach dem Unterricht nicht nach Hause – erst am späten Abend wurde er wohlbehalten am Flughafen Zürich gefunden. "Wir waren erleichtert, als wir die positive Meldung erhalten haben. Nicht immer finden die Hunde. Aber was meiner Meinung nach zählt ist, dass da draußen dann noch jemand nach den vermissten Angehörigen sucht. Solche Einsätze zeigen, wie wichtig unser intensives Training ist, um im Ernstfall richtig reagieren zu können", erzählt Ramona Kamionka.
Training, das Leben retten kann
Die Ausbildung ist intensiv – sowohl für Hund als auch Mensch. Ein-bis zwei Mal wöchentlich wird trainiert, dazu kommen Fortbildungen. „Wir investieren im Schnitt sechs bis acht Stunden pro Woche – rein ehrenamtlich“, betont Ramona Kamionka. Während der Mensch erweiterte Erste-Hilfe-Kurse (oder Sanitätskurse), Funkausbildung, Karten- und Kompasskunde sowie Kenntnisse in Kynologie und Thermik und einiges mehr absolvieren muss, durchläuft der Hund eine Eignungsprüfung und später eine anspruchsvolle Einsatzprüfung.
Die Bindung zwischen Hund und Mensch steht dabei im Mittelpunkt. „Die Ausbildung ist nur erfolgreich, wenn sich beide hundertprozentig aufeinander verlassen können.“ Ramona Kamionka erzählt von ihrem eigenen Hund: „Wenn es mir nicht gut geht, wirkt sich das auf seine Suchleistung aus. Hunde reagieren sehr sensibel. Das Vertrauen muss in beide Richtungen stimmen.“
Fast jeder Hund ist geeignet
Kurzschnäuzige Rassen oder sogenannte Qualzuchten sowie aus ästhetischen Gründen kupierte Hunde werden in Singen nicht aufgenommen – aus gesundheitlichen und ethischen Gründen. „Was wir nicht unterstützen, ist Qualzucht. Unsere Hunde kommen aus dem Tierschutz, sind reinrassig oder Mischlinge. Wichtig ist, dass sie motiviert sind und Spaß an der Suche haben.“
Auch sogenannte Listenhunde sind willkommen – vorausgesetzt, sie zeigen keine Aggression und bestehen die Eignungsprüfung. „Wir schauen auf das Verhalten, nicht auf das Etikett“, erklärt Ramona Kamionka. Besonders beliebt sind Hunde, die zwischen einem und vier Jahren alt sind. „Mit sieben müssen sie spätestens die Einsatzprüfung bestanden haben, sonst lohnt sich die Ausbildung für den aktiven Einsatz nicht mehr.“
Jede Suche beginnt mit Vertrauen
Ein Einsatz beginnt oft mit einer plötzlichen Alarmierung – über Funkmelder oder App. Innerhalb kürzester Zeit macht sich das Team auf den Weg. Die Suche kann Minuten dauern oder mehrere Stunden – je nach Fall. „Wir laufen nie allein, immer mindestens zu zweit – mit HundeführerIn und Flanker. Der Flanker funkt, sorgt für Sicherheit, unterstützt organisatorisch und kann im Falle eines Fundes auch medizinisch helfen.“
Das Suchen selbst verlangt volle Konzentration. „Man läuft da wie blind hinter dem Hund her – man muss ihm einfach vertrauen.“ Im Training suchen die Hunde oft nur die eigenen Staffelmitglieder. Um die Übung realistisch zu halten, freut sich die Staffel über jede fremde Person, die sich bereit erklärt, sich zu verstecken oder neue Trainingsorte wie Firmengelände oder leerstehende Häuser. „Geruchsdifferenzierung und -verbreitung sind wichtige Bestandteile. Neue Gerüche und Untergründe gestalten das Training anspruchsvoller und vor allem realistischer.“
Ehrenamt mit Tiefgang
Was viele nicht wissen: Die Arbeit der Rettungshundestaffel ist komplett ehrenamtlich. „Wir bekommen keine Einsatzzulage, keine Verdienstausfallentschädigungen, nichts“, sagt Ramona Kamionka offen. Leinen, Futter, Kleidung, Fahrzeug – alles finanzieren die Helfer:innen selbst oder über Spenden. „Wir sparen schon jahrelang für neue Hundeboxen im Einsatzfahrzeug. Die kosten zwischen 5.500 und 6.000 Euro. Das müssen wir uns Stück für Stück erarbeiten.“
Dabei ist das Team nicht auf Anerkennung aus – aber ein bisschen mehr Wertschätzung würde helfen. „Es geht nicht ums Geld. Es geht darum, dass diese Arbeit gesehen wird.“ In anderen Bundesländern erhalten vergleichbare Staffeln zumindest kleine Entschädigungen. In Baden-Württemberg ist das bislang nicht vorgesehen.
Einsätze, die unter die Haut gehen
Nicht jeder Einsatz führt zum Erfolg. „Natürlich sind wir erleichtert, wenn eine Person vorher gefunden wird. Aber wir hatten auch schon Funde.“ Jeder Hinweis zählt – selbst wenn die Spur zu einer Bushaltestelle führt. „Wenn die Polizei später sagt: Die Person ist mit dem Bus weitergefahren – und wir genau da waren – dann ist das für uns eine Bestätigung.“
Die emotionale Belastung ist nicht zu unterschätzen. „Manchmal sucht man stundenlang bei Minusgraden, manchmal auch umsonst. Aber wir wissen, dass wir gebraucht werden – und das motiviert uns.“
Was viele unterschätzen: Die Rettungshundearbeit ist kein Hobby. „Das ist keine Spielgruppe“, betont sie. „Wir hatten schon Interessenten, die dachten, wir spielen eine halbe Stunde mit dem Hund und gehen dann Kaffee trinken. So ist das nicht.“ Die Ausbildung ist ernst, die Verantwortung groß.
Gleichzeitig kann sie für Mensch und Tier bereichernd sein. „Viele Hunde gewinnen enorm an Selbstvertrauen, wenn sie vom Hundehalter:in solch ein Vertrauen in ihre Fähigkeiten erfahren. Und auch für uns Menschen ist es ein gutes Gefühl, mit dem eigenen Tier gemeinsam etwas Sinnvolles zu tun.“
Derzeit besteht das Team aus acht Personen und zwei geprüften Hunden – mit Tendenz zur Erweiterung. „Wir suchen immer wieder neue HelferInnen. Auch Jugendliche können mitmachen – und mit 18 in den Einsatz gehen.“ Wer neugierig ist, darf gerne mal beim Training vorbeischauen. Unter www.malteser.de/standorte/singen/dienstleistungen finden sich die Kontaktdaten der Rettungshundestaffel in Singen.
Außerdem plant die Staffel Erste-Hilfe-Kurse am Hund – um Wissen zu vermitteln und auf sich aufmerksam zu machen. Auch Besuche an Schulen oder öffentliche Einsätze beim Katastrophenschutz sollen helfen, das Thema sichtbarer zu machen.
„Was wir machen, kann Leben retten. Wenn wir gebraucht werden, sind wir da – egal ob drei Uhr morgens bei Minusgraden oder mitten im Alltag. Das ist nicht selbstverständlich. Aber wir machen es trotzdem. Aus Überzeugung.“


Autor:Juleda Kadrija aus Singen |
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