Vom dörflichen Charakter zur Stadtlandschaft
Hannes Ott und Dr. Herbert Berner gestalteten Singens Zukunft
Der ehemalige Oberbürgermeister Theopont Diez suchte nach dem Zweiten Weltkrieg starke, qualifizierte Persönlichkeiten, die in der Lage waren, das immer noch dörflich geprägte Singen sowohl im städtebaulichen als auch im kulturellen Bereich auf ein städtisches Niveau zu heben. Neben den durch den Krieg allgemein verursachten Problemen führte insbesondere der Flüchtlingsstrom mit jährlich 1000 neuen Zuwanderern zu einem rapiden Bevölkerungswachstums. Diez hatte das Glück, den Architekten und Stadtplaner Hannes Ott, damals wissenschaftlicher Assistent an der Universität Karlsruhe, und den Historiker Dr. Herbert Berner für diese Mammutaufgaben zu gewinnen.
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutete auch für Singen eine Phase der Neuorganisierung und Neustrukturierung. Die größte Herausforderung bestand zunächst darin, Ersatz für die im Krieg zerstörten Wohnungen zu schaffen und den vielen Kriegsflüchtlingen einen neuen Wohnort zu bieten, später den ständig wachsenden Arbeitnehmerzahlen der Großindustrie Wohnraum und eine ausreichende städtische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
Thomas Wittenmeier unterstreicht: "Ohne Unterstützung durch qualifiziertes Personal waren die enorme Aufgabe nicht zu bewältigen. Dabei legte Hannes Ott trotz enormen Zeitdruck größten Wert auf eine menschengerechte Wohnbebauung mit großem Abstand zwischen den Gebäuden, hellen Wohnräumen, einem durchgrünten Umfeld, Trennung von Wohnen und Arbeiten bei gleichzeitig kurzen Wegen zwischen Wohngebieten und Arbeitsstätten. Er hatte klare Vorstellungen, wie sich die Stadt in geordneten Bahnen weiter entwickeln sollte.
Thomas Wittenmeier, der während seines Studiums der Verwaltungswissenschaften im Singener Bauamt vor ungefähr 50 Jahren ein Praktikum absolvierte, erinnert sich: "Während meines Praktikums und meiner späteren Arbeit in der Stadtplanung habe ich den damaligen Stadtplaner Hannes Ott kennengelernt. Ich hatte damals das Glück, an seinem Konzept für die Stadtentwicklung und Stadtplanung mitarbeiten zu dürfen. Hannes Ott war weiß Gott keine einfache Persönlichkeit, aber ein Mensch, der bereit war, Entscheidungen zu treffen, dafür einzustehen und diese auch in kurzer Zeit umzusetzen."
Als Praktikant und später Mitarbeiter der Stadtentwicklungsplanung
Die Eingemeindung von sechs Stadtteilen und die Planung für die neue Verwaltungsgemeinschaft mit Steißlingen, Volkertshausen und Rielasingen-Worblingen stellte die Stadt in den 70er und 80er Jahren vor große Herausforderungen. Hinzu kamen der Druck des Einzelhandels, der auf den Ausbau der Innenstadt zu einem fußgängergerechten Einkaufszentrum mit dem inneren Ring, Parkhäusern und den Fußgängerzonen August-Ruf- und Scheffelstraße drängte. Zusätzlich führte das geänderte Planungsrecht zu erheblichen Problemen bei der Umsetzung der Planungen. Es dauerte rund 10 Jahre bis zur Fertigstellung des Flächennutzungsplanes und dem endgültigen Konzept für die neue Innenstadt. Der Planungsprozess wurde begleitet von Arbeitskreisen, es fanden unzählige Sitzungen in den vielen betroffenen Gemeinden und mit den Bürgern der Stadt statt. So lernte ich Land und Leute intensiv kennen.
Warum wohne ich in der Innenstadt?
Singen hat eine traumhafte landschaftliche Lage und bietet als Verkehrsknotenpunkt optimale Voraussetzung für seine Einwohner. Mit der Bahn bin ich als Innenstadtbewohner in 10 Minuten am Bodensee oder in Schaffhausen, in einer halben Stunde in Konstanz und in wenigen Minuten zu Fuß an der Aach. Mit ihrem außergewöhnlichen kulturellen Angebot und sehr guten Einkaufsmöglichkeiten bietet die Stadt eine hohe Lebensqualität. Eine Qualität, die wegen der ständigen fortschreitenden innerstädtischen Versiegelung von Grünflächen leider zunehmend in Gefahr ist. Bereits heute ist die Klimabelastung in der Innenstadt schon sehr hoch. Eine weitere Versiegelung sollte daher unbedingt vermieden werden, die unsägliche „Nachverdichtung“ muss gestoppt werden.
Wie geht´s weiter?
Seit fast zehn Jahren bin ich 2. Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins "Freunde des Hohentwiels". Dr. Berner sollte das Dorf auch im kulturellen Bereich auf städtisches Niveau bringen, auf eine Ebene mit den umliegenden deutschen und schweizerischen Städten. Ein Auftrag, den er hervorragend erfüllte. Er erkannte als gebürtiger Radolfzeller auch sofort, welche kulturhistorische Bedeutung der Hohentwiel für das bis dahin kulturell und historisch unbedeutende Bauerndorf Singen haben könnte. Mit der von ihm forcierten Einbindung des einzigartigen Natur- und Kulturdenkmals in das kulturelle Geschehen wurde die neue Stadt Singen zu Singen (Hohentwiel). Der Verein „Freunde des Hohentwiel“ knüpft an die Arbeiten Dr. Berners an.
Der Hohentwiel ist weitaus mehr als nur ein beliebtes Naherholungsgebiet. Die geschätzt jährlich über 200.000 Besucherinnen und Besucherinnen sollen auch auf die Stadt Singen aufmerksam gemacht werden. Mit der vom Verein initiierten und hälftig bezahlten Webcam auf dem ehemaligen Kirchturm ist uns dies sehr gut gelungen. Die laut Landesverwaltung „schönste Aussicht des Landes“ kann jetzt auf der ganzen Welt genossen werden. Und mit ihr ein Blick auf die zwischen der wunderschönen Hegaulandschaft und dem Bodensee eingebettete Stadt Singen, die hoffentlich bald wieder auch offiziell wieder als Singen (Hohentwiel) geführt wird, nachdem das „(Hohentwiel)“ auf einen Designervorschlag hin entfernt wurde. Der Wunsch nach einer teilweisen Beleuchtung der Festung, die die Bedeutung der Anlage und der Stadt besonders hervorheben würde, konnte leider noch nicht umgesetzt werden, obwohl keinerlei Fakten dagegensprechen.
Portrait:
Name: Thomas Wittenmeier
Alter: 77 Jahre
Früher: War in den 1970er- und 80er Jahre an der Weiterentwicklung der einstigen „Arbeiterstadt“ zum attraktiven Einkaufszentrum des westlichen Bodenseeraumes beteiligt.
Heute: 2. Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins "Freunde des Hohentwiels" e.V.
Was mich antreibt: Die Stadt Singen hat eine faszinierende städtebauliche Geschichte zu bieten. Nach einem chaotischen Wachstum Anfang des vergangenen Jahrhunderts folgte eine klar strukturierte, professionell gesteuerte Entwicklung von der Arbeiterstadt zu gleichzeitig „der“ Einkaufsstadt im westlichen Bodenseeraum und zum heutigen bedeutenden Kulturzentrum mit einem großartigen kulturellen und touristischen Angebot.
Mich verbindet mit der Region: Abgesehen von der traumhaften Bodenseelandschaft und dem Hegau war ich als Student im Team von Hannes Ott mit an der Entwicklung und Neugestaltung der Stadt Singen beteiligt.
Der Ort:
Es dauerte rund 10 Jahre bis zur Fertigstellung des Flächennutzungsplanes und dem endgültigen Konzept für die neue Innenstadt.
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutete auch für die Stadt Singen eine Phase der Neuorganisation und Neustrukturierung, die ohne Unterstützung durch qualifiziertes Personal nicht möglich gewesen wäre.
Text: Thomas Wittenmeier
Autor:Verlag Singener Wochenblatt aus Singen |
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