Kunst und Kultur ziehen an einem Strang
Wenn eine Arbeiterstadt zum Kulturhotspot wird

Mit dem Klassiker „Warten auf Godot“ startete das Theater „Die
Färbe“ im Jahr 1978 seinen Spielbetrieb.  | Foto: Bruno Bührer
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  • Mit dem Klassiker „Warten auf Godot“ startete das Theater „Die
    Färbe“ im Jahr 1978 seinen Spielbetrieb.
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Seit den 1970er Jahren hat sich die Stadt Singen zu einer der Kulturhotspots in der Bodensee-Region entwickelt.
Hieran haben nicht gerade wenige Institutionen einen großen Anteil, so auch das Privattheater „Die Färbe, das seit 1978 für sehr hochwertiges Theater sorgt.

„Es war in den 70er Jahren einer der Mitbegründer der Kultur in Singen überhaupt“, so Intendantin Cornelia Hentschel, die 2020 die Intendanz von Färbe-Gründer Peter Simon übernahm, unter dessen Fittiche sie im Jahr 1987 beim Theater einstieg. Der künstlerische Anspruch des „Juwels“ Färbe-Theater sei für sie, trotz wirklich knapp bemessenem Etat sehr hoch. „Wir versuchen dadurch ein Niveau zu erreichen, was einem öffentlichen Stadt- oder Staatstheater in nichts nachsteht.“ Für Hentschel sei es einzigartig in Baden-Württemberg, dass hier eine private Theaterförderung überhaupt stattfinde. Als eines der Highlights der jüngeren Färbe-Geschichte kann hierbei zweifelsohne die Aufführung von „Mosers Schweigen“ auf dem Hohentwiel genannt werden. An dem Ort, wo sich alles um den hier nahezu unbekannten Rechtswissenschaftler tatsächlich abspielte.
Das Erbe von Peter Simon war für sie vor allem mit Stolz verbunden. „Er war mir gegenüber schon immer sehr offen und hat mich schon früh in die vielen Leitungsaufgaben miteinbezogen.“ Ihr habe es schon damals sehr gut gefallen, dass Singen keine historische Prunk- und Protzstadt, sondern eine Arbeiterstadt war und diese sich mit ihrem Ruf in der ganzen Region bis heute kulturell so hochgekämpft habe. Die Stadt sollte sich dieses Rufes nicht schämen, sondern im Gegenteil stolz darauf sein. „Singen“, so ist sich Hentschel sicher, „hat ein Theater wie die Färbe verdient.“ Für sie habe die Stadt in Sachen Kulturarbeit in den letzten Jahren eine immer bedeutendere Rolle eingenommen.

Ein Ereignis, das hierzu maßgeblich Beitrug, war die Landesgartenschau im Jahr 2000. „Dieses Ereignis hat Singen in eine ganz andere Liga katapultiert“, erzählt Christoph Bauer, seit 1993 Leiter des Singener Kunstmuseums. „War die Stadt vorher ein eher regionaler Ort, ist man jetzt ein bedeutender Ort für die Kunst im deutschen Südwesten.“ Damals hatte man eine Jury, die Künstler nach Singen holte, die weit über das Regionale herausragten. „Seither haben wir eine Arbeit des wohl wichtigsten Konzeptkünstlers Joseph Kosut am Rathaus, von Ilja Kabakov eine wunderbare Installation im Stadtpark sowie eine ortsspezifische Arbeit von Harald F. Müller am Feuerwehrhaus.“ Man habe auf diese Art und Weise Kunstwerke in die Stadt geholt, die von Singen erzählen und die Stadt dadurch in Sachen zeitgenössischer Kunst auf die Landkarte gesetzt haben. Doch auch das Kunstmuseum selbst habe sich unter seiner Führung zu einer der bedeutendsten Kunstmuseen in Baden-Württemberg entwickelt. „Uns ist es wichtig, unseren kunsthistorischen Schwerpunkt nicht nur zu zeigen, sondern auch zu erforschen“, so Bauer. Er selbst ermuntere viele BürgerInnen, ihre Stadt vor allem für ihre Leistungen und Attraktivität wertzuschätzen. „Nur so wird das dann auch spannender für Menschen außerhalb der Bodensee-Region.“ Bauer selbst wünsche sich weiterhin viel Kunst im öffentlichen Raum, damit man „weiter einen Beitrag dazu leisten könne, das Gesicht der Stadt Singen zu verändern.“

Weit über die Region bekannt, praktisch fast unscheinbar, jedoch ebenfalls sehr bedeutend für die Singener Kunstszene ist die Galerie Vayhinger in der Schaffhauser Straße. Eine Galerie, die es schon seit über 50 Jahren gibt und seit 2014 in Singen ansässig ist. Nach seinem ursprünglichen Start in Radolfzell hatte dann Werner Vayhinger gemeinsam mit seiner Frau Helena Vayhinger damals im Jahr 1984 im Radolfzeller Stadtteil Möggingen mit einer White Cube Galerie begonnen.
Das Ehepaar entschied sich dann vor zehn Jahren aufgrund ihrer Verbundenheit für die Stadt Singen, dort eine Salongalerie zu eröffnen. „Die Leute können sich in einer solchen Wohnatmosphäre eher vorstellen, wie das Kunstwerk bei ihnen zuhause aussehen könnte“, so Helena Vayhinger, die in ihrem langen Schaffen unter anderem Künstler wie Joseph Beuys, Andy Warhol oder auch Christo kennenlernen und zum Teil mit ihnen arbeiten durfte. „Die Galerie sei immer einen anderen Weg gegangen, man habe versucht die Menschen an dem Anteil nehmen lassen, der die Kunst produziert, um mit diesem in den Dialog zu treten. Das erleichtert zudem für uns die Vermittlung im Gesamten“. Unverändert liege ihr die Förderung und Unterstützung junger KünstlerInnen sehr am Herzen, auch nach dem Tod ihres Mannes. Man müsse ihrer Ansicht nach Kunst nicht verstehen. „Entscheidend ist - Kunst regt das Denken, die Meinungsbildung und den Diskurs an, egal wie man sie findet oder versteht.“

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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