Singen/München
Zehn Punkte für den Erhalt von Familienunternehmen in Deutschland

Prof. Rainer Kirchdörfer kommt selbst aus einem Familienunternehmen und sieht den Standort Deutschland für Familienunternehmen als zunehmend unattraktiv an. | Foto: Stiftung Familienunternehmen, Marco Urban
  • Prof. Rainer Kirchdörfer kommt selbst aus einem Familienunternehmen und sieht den Standort Deutschland für Familienunternehmen als zunehmend unattraktiv an.
  • Foto: Stiftung Familienunternehmen, Marco Urban
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Singen/München.Prof. Rainer Kirchdörfer ist seit 2012 Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Die Stiftung Familienunternehmen bezeichnet sich als der größte Förderer von Wissenschaft und Forschung, wenn es um Familienunternehmen geht. Das WOCHENBLATT interviewte Prof. Kirchdörfer im Rahmen der Kampagne Unternehmen und Ihre Familien. Dabei ging es auch um den Wirtschaftsstandort Deutschland, der an Attraktivität eingebüßt hat und um die Besonderheiten von Familienunternehmen.

WOCHENBLATT: Familienunternehmen sind anders, hört man oft. Was genau ist der Unterschied zwischen Familienunternehmen und Nichtfamilienunternehmen?

Kirchdörfer: Wie schon der Name sagt, bilden Familienunternehmen in ihrem Selbstverständnis eine Schnittmenge der Werte von Familie und Unternehmen. Dies wirkt sich auch in der Unternehmensstrategie aus. Bei Familienunternehmen geht es nicht um kurzfristige Erfolge, sondern für sie sind Stabilität und Nachhaltigkeit entscheidend. Das Lebenswerk von Generationen soll schließlich innerhalb der Familie weitergegeben werden. Zudem sind Familienunternehmen oft stark mit ihrer Region verwurzelt. Sie tragen schon deshalb, vor allem auch im ländlichen Raum, ganz wesentlich zu Beschäftigung und Wohlstand bei. Ob Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Kaufkraft, Produktivität, gemeindliche Steuerkraft und Ausbildungsquote – bei allen Indikatoren sind die Regionen umso erfolgreicher, je höher ihr Anteil an Familienunternehmen ist.

WOCHENBLATT: Hat Ihr eigenes Engagement für die Familienunternehmen selbst familiäre Ursprünge oder rein objektive, sprich: sachliche?

Kirchdörfer: Ich selbst stamme aus einem sehr kleinen Familienunternehmen. Dies hat mich aber geprägt. Seit nunmehr 35 Jahren bin ich für große Familienunternehmen tätig und gehöre einer Vielzahl von Aufsichtsräten und Beiräten an. Darüber hinaus beschäftige ich mich seit langem auch wissenschaftlich mit Familienunternehmen. Dieser Unternehmenstypus hat mich von Anfang an fasziniert, denn hier finden wir echtes Unternehmertum und auf ihm beruht maßgeblich unser Wohlstand. Schon daher ist es essentiell, dafür zu sorgen, dass diese Unternehmensform im globalen Wettbewerb nicht benachteiligt wird und auch in Deutschland gute Rahmenbedingungen vorfindet. Dafür lohnt es unser aller Einsatz.

WOCHENBLATT: Wie steht es um die Hidden Champions in Deutschland? "Die Zeit" hatte vor Kurzem unter anderem über das Singener Unternehmen Wefa berichtet, das vermehrt im Ausland investieren will. Viele Familienunternehmen (Viessmann) verlagern ihren Fokus ins Ausland. Sind die Standortbedingungen in Deutschland gerade für die Hidden Champions momentan so schlecht?

Kirchdörfer: Mehr als 60 Prozent der deutschen Familienunternehmer bewerten den Standort Deutschland mit der Note 4 oder schlechter. Das zeigt eine Umfrage unter 1.200 Familienunternehmen vom Oktober 2023. Die Daten wurden im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen vom ifo-Institut erhoben. Als wichtigste Gründe nennen die Unternehmen die Regulierungsdichte, die Energiepreise und den Fachkräftemangel. Dann folgen Arbeitskosten und Steuern. Ihre Beispiele zeigen, dass der Standort Deutschland dramatisch an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Dies entspricht auch meinen eigenen Erfahrungen in Beiräten und Aufsichtsräten.

WOCHENBLATT: Warum? Liegt das nur an der Ampelregierung oder wurden da schon vorher gravierende Fehler gemacht, was die Rahmenbedingungen betrifft?

Kirchdörfer: Die Tatsache, dass wir zwischenzeitlich schon wieder zum kranken Mann Europas werden, ist natürlich nicht von heute auf morgen entstanden. Dies hat auch nicht nur einen politischen Hintergrund. Die Stiftung Familienunternehmen gibt seit 2006 alle zwei Jahre das Standortbarometer Länderindex Familienunternehmen heraus, welcher mit wissenschaftlichen Methoden die Rahmenbedingungen für Familienunternehmen in einer Vielzahl von Industrienationen vergleicht. Hieraus erkennen wir, dass sich die Standortbedingungen in Deutschland seit Jahren stetig verschlechtern. Wer die Augen nicht verschließt, dem ist klar, dass entschiedenes und schnelles Handeln gefragt ist. Obwohl die Ampel zwischenzeitlich auch Reformen kommuniziert, bin ich skeptisch, ob die politische Kraft besteht, wirklich notwendige Veränderungen in größerem Umfang umzusetzen: Bürokratie müsste in ganz wesentlichem Maße abgebaut werden und die Unternehmenssteuern müssten an das deutlich geringere internationale Niveau angepasst werden. Schon ein Blick auf die Körperschaftsteuer zeigt, das Deutschland unter den Industrieländern mit die höchste Belastung aufweist.

WOCHENBLATT: In anderen Ländern wie den USA gibt es auch Familienunternehmen. Hat Deutschland mit seinen Familienunternehmen als Standort eine besondere Stärke, die herausragend ist?

Kirchdörfer: Deutschland besticht insbesondere durch die gute Durchmischung von kleinen Handwerksbetrieben, mittelgroßen Familienbetrieben und auch sehr großen Familiengesellschaften. Die in den USA ausgeprägte Orientierung der großen Familienunternehmen an den Kapitalmärkten ist hierzulande weniger ausgeprägt. Dies ist mit ein Grund, warum selbst sehr große Familienunternehmen nicht in Quartalen, sondern in Generationen denken. Ich denke in der Tat, dass Deutschland mit seiner Vielzahl an mittleren und großen Familienunternehmen, die eng mit globalen Konzernen zusammenarbeiten, besondere Qualitäten aufweist. Viele Untersuchungen der Stiftung Familienunternehmen belegen, dass der Standort Deutschland gerade auch durch seine Familienunternehmen eine besondere Stärke und Stabilität hat.

WOCHENBLATT: Gibt es Forschung oder eine Meinung von Ihnen darüber, was Deutschland ohne Familienunternehmen wäre? Was würde sich verändern beziehungsweise was wäre anders?

Kirchdörfer: Deutschland ohne Familienunternehmen ist für mich nicht vorstellbar. Dazu haben gerade Familienunternehmen in zu vielen Bereichen die Nase vorn: So sind Familienunternehmen nicht nur die Job-Motoren der Nation, sie sind auch Innovationstreiber. Selbst während der Corona-Krise, in der die nicht-familienkontrollierten Konzerne im DAX Beschäftigte abbauten, stellten die 500 größten deutschen Familienunternehmen weiterhin ein.

WOCHENBLATT: Wenn Sie heute für den Erhalt und die Förderung von Familienunternehmen einen Zehnpunkteplan an die derzeitige Regierung abgeben dürften, der umgesetzt würde, wie würde der aussehen?

Kirchdörfer: In Kürze: Zunächst geht es um den schnellen Abbau von Bürokratie, um die Senkung der Energiekosten, um Unterstützung bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte, um die Senkung der Arbeitskosten und den Abschluss von internationalen Handelsabkommen. Außerdem brauchen wir wettbewerbsfähigere Unternehmenssteuern, eine bessere Bildungspolitik, natürlich mehr Digitalisierung und die Verbesserung der Infrastruktur. Und nicht zuletzt geht es natürlich darum, die Nachfolge in Familienunternehmen attraktiv zu halten.

Zur Person:

Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und der Stiftung Familienunternehmen und Politik ist Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen sowie der Stiftung Familienunternehmen und Politik.

Autor:

Anatol Hennig aus Singen

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