Nachgefragt:
Wie ist eigentlich die Lage in den Fitnessstudios?
Singen. Fast ein dreiviertel Jahr ist es nun her, dass wir im Wochenblatt über die Fitnessstudios der Region und deren Schwierigkeiten durch Corona berichtet haben. Seither hat sich viel getan: Die Auflagen für die Studiobetreiber wurden aufgelöst und der Betrieb ist scheinbar wieder beim Alten. Aber stimmt das tatsächlich? Um diese Frage zu klären, hat das Wochenblatt mit drei Betreibern regionaler Fitnessstudios gesprochen.
Für das INJOY in Rielasingen berichtet Geschäftsführer Thomas Söder, dass man die vergangenen Maßnahmen dort stets gut umzusetzen wusste, dabei rechnet er künftig maximal mit einem Wiederaufleben der Maskenpflicht. Zwar gebe es keinen Ansturm neuer oder wiederkehrender Mitglieder, doch der Zulauf habe sich weitgehend normalisiert und man wolle zur anstehenden Saison und dem 40. Jubiläum die Leute abholen, denn: »Fitness und Gesundheit sind kein Luxusgut.« Diese Überzeugung des Geschäftsführers rücke mehr und mehr ins Bewusstsein der Gesellschaft, man müsse aktiv werden, um gesund zu bleiben. Dabei profitieren die Trainierenden seiner Meinung nach nicht nur körperlich, denn »Menschen wollen unter Menschen, die Leute sind heiß darauf, sich wieder zu begegnen«. Ebenso unterstreicht er die positiven Auswirkungen auf die Psyche und innere Einstellung. Für ältere Jugendliche sieht er in den Fitnessclubs auch eine Chance, den durch die Pandemie und die aktuellen Hallenbelegungen wegfallenden Schulsport aufzufangen.
Großer Schmerzpunkt bleiben jedoch die Zeiten kompletter Leere in den Studios, was die meisten ohne die Hilfen des Staates nicht überstanden hätten, so Söder. Selbst mit den Verlustausgleichen rechnet er damit, dass die zehn verlorenen Monate den Betrieben noch zwei bis drei Jahre nachhängen werden. »Ein Geschäft ist dazu da, sich weiterzuentwickeln«, was während der Schließungen weder organisatorisch noch finanziell möglich war und aktuell noch spürbar erschwert sei.
Momentan sieht sich das Rielasinger INJOY mit rasant steigenden Kosten im Bereich Strom und Gas konfrontiert, wenn auch ein Teil des Bedarfs durch die eigenen Photovoltaikanlagen gedeckt werden könne. Für den Geschäftsführer steht fest: Um eine Katastrophe zu vermeiden, muss sich bei der Energieversorgung generell etwas ändern – und das wird es auch, so sein optimistischer Blick in die Zukunft. Betriebsintern versuche man unnötige Verbräuche zu reduzieren und zu optimieren, ohne dass dies für die Mitglieder spürbar werden soll.
Ähnlich verfahre man laut Bezirksleiter Mehmet Ilgün auch bei »fitness4life«, einer Kette mit Studios in Stockach und Singen sowie über den Landkreis hinaus. Dort setze man ebenfalls auf Energieeinsparungen im Hintergrund, um die Preise »hoffentlich stabil halten« zu können. Maßnahmen wie die Umrüstung auf effizientere Geräte und andere Anpassungen bei Licht und Heizung sollen dabei »für die Mitglieder nicht direkt spürbar« sein.
Beim Blick auf die letzten zwei Jahre nimmt Ilgün insbesondere die Zeit nach dem zweiten Lockdown als herausfordernd wahr. Hier versuchte man durch monatlich kündbare Mitgliedschaften das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen, weil erneute Schließungen zu drohen schienen. Aber die Angst war unbegründet, eher das Gegenteil ist der Fall: Bei den Menschen komme mehr und mehr an, wie unwahrscheinlich so tiefgreifende Maßnahmen heute sind. Der daraus folgende Mitgliedergewinn in den Monaten Juli und August trotzte dem sonst üblichen »Sommerloch« und auch darüber hinaus beobachtet der Bezirksleiter ein Umdenken. Egal ob schlicht durch den Kontakt zueinander während des Trainings oder über Bewegung und Sport sei es schön, dass das eigene Wohlbefinden an Bedeutung gewinnt. Dass das Studio dadurch eines der anmeldungsstärksten Jahre jemals hat, ist ein zusätzlicher Pluspunkt, wenn auch die Verluste trotz allem schwer wiegen.
Auch Mehmet Ilgüns Prognose beim Thema Corona gleicht der von Thomas Söder: Wenn ihn die Pandemie auch gelehrt habe, dass keine Maßnahme unvorstellbar ist, bleibt er optimistisch und rechnet am ehesten nochmals mit einer Maskenpflicht.
Markus Fahr, Geschäftsführer des »Mrs. Sporty«-Ablegers in Radolfzell, ist ebenfalls weitgehend zufrieden mit der Lage seines Studios. Dessen funktionales Training, das gezielt Frauen und speziell über-50-Jährige ansprechen soll, sieht er hier als besondere Stärke. Ebenso seien die Mitglieder froh gewesen über einen Ansprechpartner, als das Studio bereits zwei Wochen nach Inkrafttreten des Lockdowns eine Online-Plattform mit Live-Trainings aus dem Studio eingerichtet hatte. Zwischenzeitlich habe man hierdurch zum Teil sogar Frauen angeworben, insgesamt seien die Verluste während des Lockdowns aber schlicht nicht aufzufangen gewesen. Eine Rückkehr zum Niveau vor Corona sieht er frühestens in ein bis zwei Jahren.
Gerade das Onlinetraining sieht er als großen Gewinn aus der Pandemiezeit bis heute: »Wir haben es uns da nicht leicht gemacht, das hat uns geholfen, dass viele Mitglieder geblieben sind.« Einzig die im Konzept der Kette wichtige individuelle Betreuung durch Coaches bei Anpassungen in Training und Ernährung habe sich schwierig gestaltet.
Für die kommende Zeit sieht auch er sich gut gerüstet, wenn sich die Situation nicht dramatisch verschlimmert. Da abseits von Hanteln, Pezziball und Ähnlichem weitgehend ohne Geräte trainiert wird, seien zum Beispiel Hygienekonzepte recht einfach umzusetzen. Die anderweitigen Herausforderungen für die Studiobetreiber seien schwer vorhersehbar, aber auch Fahr zeigt sich optimistisch: Ab Oktober wolle man Gruppentrainings im Studio anbieten.
Corona spielt also für alle drei Studiobetreiber beinahe keine Rolle mehr im Tagesgeschäft, auch was den Blick auf Herbst und Winter angeht. Insgesamt zeichnet sich das Bild einer gebeutelten Industrie auf dem Weg der Erholung, wobei gerade das gestiegene Gesundheitsbewusstsein der Menschen den Betreibern Anlass zu einer optimistischen Haltung gibt, auch im Angesicht der nächsten Krise.
Autor:Anja Kurz aus Engen |
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