Der Bunte Hund ist wieder da
Wer will sich noch einer Sache verpflichten?
Ich bin ein bisschen traurig und nachdenklich...
… Es gibt Menschen, die widmen ihr Leben einer Sache. Und sie gibt es auch hier in der Region.
Zwei von diesen Menschen haben in den letzten Wochen ihre letzte Reise angetreten. Beide haben auf ihre jeweils einzigartige Art die Region reich beschenkt.
Lothar Rapp, der in Radolfzell vor allem für die Narrenzunft Narrizella Ratoldi stand und ihr in der als Kappedeschle auch eine politisch ernstzunehmende und dennoch närrische Rolle schenkte, musste plötzlich gehen. Wenn ich früher mit zum Radolfzeller Narrenspiegel durfte (ich war ja sowieso im bunten närrischen Kostüm), dann habe ich mich auf die Narrenschelte immer schon gefreut. Scharf und doch menschlich. So zu bellen, wie es Lothar Rapp getan hat, bedarf menschlicher Wärme, Klarheit und ein ganzjähriges Beobachten der Radolfzeller Politik und Gesellschaft. Mit einem Leben von Projekt zu Projekt ohne tiefere Verpflichtung ist so etwas nicht möglich. Lothar Rapp hat sich einer Sache hingegeben, als Mensch und als Narr.
Am Wochenende haben die Kolleginnen und Kollegen in der Wochenblatt-Redaktion erfahren, dass Wilhelm Waibel gestorben ist. Er hinterlässt ein umfangreiches Privatarchiv zur Geschichte ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Singen und eine von ihm reich beschenkte Singener Gesellschaft. Eine polnische Zwangsarbeiterin, die er 1944 sah, brachte in ihm den Stein ins Rollen. Er war tief bewegt und fing an zu forschen. Als Mensch und als Hobby-Historiker. Unter anderem sorgte er damit dafür, dass mit der Theresienkapelle ein Ort erhalten wurde, an dem man den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter gedenken konnte, die in Singen in der Nazizeit der Industrie zur Verfügung stehen mussten. „Nie wieder“ ist auf Facebook oder Instagram schnell gepostet, schnell auf ein Plakat geschrieben. Wilhelm Waibel hat mit dafür gesorgt, dass nicht vergessen wird, zu was Menschen fähig sind und dass dort, wo früher menschliche Grausamkeit und Ausbeutung regierte, heute Würde sein darf.
Lothar Rapp und Wilhelm Waibel, sie waren beide sehr unterschiedliche Menschen, beide haben sich völlig unterschiedlich Themen gewidmet und beide hatten dennoch etwas gemeinsam: Sie haben sich einer Sache hingegeben und der Verlockung widerstanden, sich um alles und damit gleichzeitig um nichts richtig zu kümmern. Der Verlockung widerstanden, überall und nirgends zu sein.
Ich hoffe, dass es auch künftig Menschen gibt, die so etwas wagen, auch auf die Gefahr hin, dass sie dann nicht auf allen Hochzeiten tanzen können und sie manchmal als Sonderlinge abgetan werden.
So besonders sein ist nämlich toll.
Genießt das erste Grün und die ersten Blumen
Euer bunter Hund
bunterhund@wochenblatt.net
Autor:Redaktion aus Singen |
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