Sprechstunde: Gesundheitssystem
Warum in der Notaufnahme mitunter gewartet werden muss

Dass es im Gesundheitssystem kränkelt ist nicht neu. Jüngst riefen Krankenhäuser - darunter auch das Hegau-Bodensee-Klinikum in Singen - "Alarmstufe Rot" aus, um darauf aufmerksam zu machen. | Foto: Tobias Lange
  • Dass es im Gesundheitssystem kränkelt ist nicht neu. Jüngst riefen Krankenhäuser - darunter auch das Hegau-Bodensee-Klinikum in Singen - "Alarmstufe Rot" aus, um darauf aufmerksam zu machen.
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Kreis Konstanz. Die meisten Menschen werden in ihrem Leben mindestens einmal ein Krankenhaus von Innen sehen. Viele von ihnen wahrscheinlich auch als Patient. Geschichten zu erzählen gäbe es also viele und es wundert nicht, dass sich darunter auch negative Erfahrungen befinden. Leser haben sich mit solchen Geschichten über ihren Aufenthalt in der Singener Notaufnahme an das WOCHENBLATT gewendet, das die Erlebnisse aufgegriffen und bei den entsprechenden Stellen nachgefragt hat.

In einem Fall erzählt eine Mutter von ihren Erlebnissen mit ihrem Sohn. Dieser habe über starke Rückenschmerzen geklagt. "Als die unerträglich wurden, sind wir in die Notaufnahme ins Krankenhaus Singen." Dort sei er untersucht und auch geröntgt worden, weil sie die Niere untersuchen wollten. "Ihm wurde gesagt, da wäre alles in Ordnung." Die Schmerzen ließen allerdings nicht nach. Es folgte ein Besuch beim Hautarzt und einig Tage später ging es zum Notdienst im Krankenhaus Konstanz. "Wie immer wurde die Vorgeschichte erzählt, dass eben Krebs bestand, Chemo verabreicht wurde und der immer noch starke Rückenschmerzen hat. Er wurde wieder geröntgt, ohne Befund."

Die folgende Nacht: "Weiterhin starke Schmerzen, im rechten Bein kein Gefühl mehr und bewegungsunfähig." Der Notruf wurde gewählt und der Patient - laut Aussage der Mutter nach längerer Diskussion einem Sanitäter, der keinen Notfall gesehen habe - erneut in die Notaufnahme gebracht. "In der Notaufnahme selbst wurde er dann als Patient eingestuft, der keine dringende Hilfe benötigt. So lag er fast fünf Stunden ohne Behandlung dort. Doch dann ging plötzlich alles ganz schnell: Es wurde ein MRT gemacht und siehe da, es befanden sich Metastasen an den Brustwirbeln. So weit fortgeschritten, dass sie den Knochen zerstört hatten und er gebrochen war."

Weniger ernst, aber mitunter ärgerlich ist es, wenn über längere Zeit gewartet werden muss. So geschehen bei einem Leser, der sich ebenfalls an das WOCHENBLATT gewandt hat. Er kam mit einem Hautausschlag in die Notaufnahme am Klinikum Singen, nachdem er nach eigener Aussage bei den ansässigen Hautärzten keinen Termin bekommen habe. "Ich musste fünf Stunden warten, bevor mir gesagt wurde, dass ich hier falsch bin", erinnert sich der Patient. "Hätte man das nicht früher sagen können?"

Dringende Fälle haben Vorrang

Nach Angaben des GLKN suchen durchschnittlich 90 bis 100 Patienten pro Tag die Notaufnahme im Singener Klinikum und 75 Patienten die Notaufnahme im Konstanzer Klinikum auf, wobei durch die jüngste Entwicklung mit dem Notfalldienst noch mit einer Steigerung gerechnet wird. Bei jedem ankommenden Patienten erfolgt eine sogenannte Triage durch speziell geschulte Mitarbeiter, erklärt Dr. Volker Steinecke, Chefarzt der zentralen Notaufnahme in Singen.

Dabei komme "ein fünfstufiges Notfallkategoriesystem" zum Einsatz, das wissenschaftlich evaluiert sei und so oder ähnlich in zahlreichen Notaufnahmen Verwendung findet. Dieses System reiche von Stufe 1 bei Patienten, die sofortige Hilfe benötigen, bis Stufe 5 für solche, bei denen der Arztkontakt innerhalb von 90 bis 120 Minuten erfolgen soll. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Patient aus eigener Kraft oder per Rettungswagen ankommt: "Jede Entscheidung wird in der Notaufnahme getroffen."

Dass es zu längeren Wartezeiten bis zur Triage kommen kann, erklärt der Chefarzt mit der teils hohen Anzahl von Patienten. Man sei zwar gehalten, die Triage innerhalb von zehn Minuten ab Ankunft durchzuführen. Aber: "Das ist manchmal schlichtweg nicht möglich." Eine Person vor dieser Evaluation abzuweisen, sei aber auch nicht möglich, da sie bei jeder Person, die in die Notaufnahme kommt, durchgeführt werden müsse.

Mit einer "Anekdote" aus Malaysia macht Volker Steinecke aber auch deutlich, dass sich die hiesigen Wartezeiten im Vergleich durchaus im unteren Bereich befinden. In einer Klinik in Kuala Lumpur, in der ein ähnliches, fünfstufiges System angewendet werde, sei das Wartezimmer für Stufe 5 immer leer. Der Grund: Hier müsse 24 Stunden auf einen Arzt gewartet werden.

Es fehlen rund 90 Euro pro Patient

Nicht einfacher wird die Situation dadurch, dass Notaufnahmen seit Jahren nicht ausreichend versorgt werden. So habe es 2014 eine Erhebung gegeben, die ergab, dass die Kliniken deutschlandweit das System mit über einer Milliarde Euro im Jahr subventionieren müssen, erklärt Steinecke. Durchschnittlich koste die Behandlung einer Person in der Notaufnahme 120 Euro. Als Notfallpauschale gibt es aber nur 35 Euro. Es bleibt ein Defizit von 85 Euro.

Für Patienten, die sich schlecht behandelt fühlen, gibt es im Singener Klinikum auch eine Beschwerdestelle. Es sei "unglaublich wichtig", das zu erheben, versichert Volker Steinecke. "Es wird jeder einzelnen Beschwerde nachgegangen." Gerade für die Notaufnahme sei die Rückmeldung wichtig. Erreichbar ist die Beschwerdestelle telefonisch unter 07731/891 520 und per E-Mail an info@glkn.de.

"Die Notaufnahme ist der Platz im Krankenhaus mit dem höchsten Patientenaufkommen", sagt der Arzt. Somit ist sie auch der Ort, an dem am ehesten Fehler passieren. "Es ist nichts planbar." Und anders als im Fernsehen wisse man nicht immer genau, woran ein Patient leidet, wenn der die Notaufnahme wieder verlässt.

Mit welchen Beschwerden die Notaufnahme aufgesucht oder der Notruf gewählt werden sollte, darüber gibt das GLKN auf seiner Internetseite www.glkn.de Auskunft. Auf dieser öffnet sich durch einen Klick rechts auf "Notfall" eine Seite mit Beispielen und Notrufnummern.

Autor:

Tobias Lange aus Singen

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