Gute Aussicht für 2025
Solarcomplex investiert regional 100 Millionen in erneuerbare Energien

- Lars Unden, Projektingenieur Wärmenetze beim Singener Bürgerunernehmen Solarcomplex AG, erläutert vor Ort auf dem Gelände der ehemaligen Kläranlage die Erweiterung des Wärmenetzes Hilzingen von derzeit 5,2 Kilometer Länge auf dann etwa 13,5 Kilometer.
- Foto: Bernhard Grunewald
- hochgeladen von Tobias Lange
Singen. „Die AfD-Kandidatin will bundesweit Windanlagen abreißen - wir wollen welche bauen!“ So reagierte Bene Müller, Vorstand von solarcomplex am Donnerstag, 16. Januar, bereits eingangs des traditionellen Pressegespächs zum Jahresbeginn auf Äußerungen von Alice Weidel, die wissen müsste, dass ein Drittel der gesamten Stromerzeugung Deutschlands aus Windkraftanlagen kommt.
Der Singener Unternehmer mit seinen mittlerweile gut 80 Beschäftigten - laut Müller ein „regeneratives Stadtwerk“ auf steter Suche nach Verstärkung und Ausbildungs-Nachwuchs - ist seit 25 Jahren in der Region und im südlichen Baden-Württemberg engagiert, um den Wechsel von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien aus Sonne, Wärme und Wind zum Nutzen der Verbraucher und zum Schutz der Umwelt zu ermöglichen.
Alleine in 2025 werden über 100 Millionen in entsprechende Projekte investiert: „Die größte Projekt- Pipeline in unserer Firmengeschichte“, so der Firmenchef. Einst im Jahr 2000 von 20 Bürgern mit 37.000 Euro gegründet, umfasst solarcomplex heute schon ein Eigenkapital von 38 Millionen Euro, gezeichnet von 1.700 Gesellschaftern, vor allem von Privatpersonen, aber auch Firmen, Stiftungen, Stadtwerken und Bürgerenergie-Genossenschaften.
Im Zuge des geplanten Wärmenetzes in Dingelsdorf-Wallhausen läuft aktuell eine Kapitalerhöhung auf dann 45 Millionen Euro, wobei 50 Prozent der erforderlichen sieben Millionen Euro bereits gezeichnet sind - für den solarcomplex-Chef „ein Vertrauensbeweis“. Ende 2023 lag die Bilanzsumme noch bei rund 98 Millionen Euro, Ende 2024 wohl bei über 100 Millionen Euro, wobei der größte Anteil auf das Sachanlagevermögen insbesondere mit Wärmenetzen entfällt.
Zwischenzeitlich ist der Erfolg offenkundig: Eine Kilowattstunde aus Erneuerbaren Energien schlägt bei solarcomplex mit fünf bis sieben Cent Erzeugungskosten zu Buche, ein Zehntel früherer Kosten - durchaus interessant für den Kundenkreis der Betriebswirtschaftler, Kommunalpolitiker und Privatleute. Seit 2003 gibt es beim Bürgerunternehmen jährlich kleine Gewinne, seit 2004 auch jährliche Dividenden, dies mit einer eher moderaten Renditeerwartungen seitens der Aktionäre.
Zu den positiven Nachrichten am Jahresbeginn, welche sich deutlich von der ansonsten eher schwachen wirtschaftlichen Entwicklung abheben, zählt für solarcomplex der Ausbau des regenerativen Wärmenetzes in Hilzingen mit weiteren 15 Millionen Euro Investment, die Schaffung eines Wärmenetzes in den Konstanzer Nachbarorten Dingelsdorf-Wallhausen mit Investitionen von 23 Millionen Euro - wobei die Energiegewinnung als „See-Thermie“ erstmals direkt aus dem Bodensee mittels einer Grosswärmepumpe eingeplant ist - sowie zahlreiche große Photovoltaik-Dach- und Freilandanlagen mit mehr als zehn Millionen Euro Investment, darunter der Solarpark Krumme Reute in Rielasingen mit einer installierten Leistung vom sieben Megawatt (MW) und einem erhofften Baubeginn im zweiten Quartal.
Vorgesehen sind auch Dachanlagen mit 1,4 MW in der Bodenseewasserversorgung Sipplingen und 1,1 MW bei Eto in Stockach, zudem im Solarpark Altschorenhof bei Stockach mit sechs MW. Der Solarpark Gerhardsreute entlang der A81 östlich vom Mühlhausen-Ehingen mit 20 MW bedarf „als Flaschenhals“ zunächst noch der Aufrüstung des Umspannwerkes in Beuren „womöglich bis 2029/2031“, so Müller.
Für den Windpark „Brand“ in der Gemarkung Tengen mit 30 Millionen Kilowattstunden (kWh) liegt nun zwar eine Genehmigung vor, aber Klagefristen laufen noch. Das aktuell größte Projekt, der Windpark „Länge“ auf den Gemarkungen Donaueschingen und Hüfingen mit 60 Millionen kWh, einem laut Müller „relevanten Beitrag zur regionalen Stromversorgung“, wurde nach einem juristischen Marathon über mindestens zwölf Jahre und einem gerichtlichen Vergleich nun bestandsfähig genehmigt.
Insgesamt tragen die solarcomplex-Aktivitäten in 2025 und 2026 mit gut 50 Prozent zur Steigerung des Erneuerbaren Energieangebots in Baden-Württemberg bei - darüber hinaus sind für 2027 noch einmal weitere 100 Millionen Euro Investitionen in der Projekt-Pipeline vorgesehen. Müller sieht zudem Verbesserungspotenzial auch bei der Energieerzeugung selbst, so „durch Verknüpfung von Photovoltaik und Wind am selben Standort“ und Ausrichtung der Anlagen in Ost-West-Richtung. Er hofft, dass die Politik in Bund und Land „Kurs hält bei der Planungssicherheit - insbesondere für die regenerative Wärmeversorgung muss die Förderung weiterlaufen“.
Beim derzeitigen Tempo der Energiewende sieht es für ihn allerdings „schwierig aus“. Es sei zwar „angesichts eines überragenden öffentlichen Interesses“ ein neuer Senat für Infrastrukturmassnahmen geschaffen worden, dieser sei aber „wohl personell unterbesetzt“. Müller sieht zudem ein Nordsüdgefälle bei den Genehmigungen, wobei Baden-Württemberg auf niedrigem Niveau mit Stadtstaaten wie Bremen oder Hamburg konkurriert. Unbedingt erforderlich sei vorrangig der weitere schnelle Netzausbau, „denn vielerorts können auf Jahre hinaus keine großen Anlagen ans Netz, weil diese überlastet sind - die heutigen Netze sind nicht geeignet“, urteilt Bene Müller für solarcomplex, die immerhin 120 Millionen kWh emissionsfreien Strom erzeugt und damit wesentlich zur Energiesicherheit der Region beiträgt.
Autor:Bernhard Grunewald aus Singen |
Kommentare