Umbau der frühklindlichen Erziehung gefordert
"Kitas leisten viel mehr als die meisten Menschen wissen"
Singen/ Hegau. Der Termin war schon lange angesetzt gewesen. War es ein Zufall, das die Grün-Schwarze Landesregierung just in dieser Woche festgesetzt hat, dass die Kita-Gruppen nun größer werden sollen, um dem Mangel an Plätzen ganz einfach auf dem Rücken der Einrichtungen und ErzieherInnen entgegenzuwirken. Eigentlich genau das Gegenteil fordert die örtliche Arbeitsgemeinschaft katholischer Tageseinrichtungen des Caritasverbands Singen (KTK) im Rahmen einer Aktion, die am Freitag in den 27 Kindertageseinrichtungen der Arbeitsgemeinschaft gestartet hat. "Wir haben in den Kindergärten eigentlich noch immer die Gruppenstrukturen aus den 1970er Jahren, weil die Anforderungen an die Erziehungsarbeit durch die Veränderungen in der Gesellschaft immer größer werden, müssten eigentlich die Gruppen viel kleiner sein und auch viel mehr Erzieherinnen für die Kinder da sein", machte Bernd Pantenburg von der Erzdiözese zur Auftaktveranstaltung der breit angelegten Aktion am Freitagmorgen im Singener Kindergarten St. Nikolaus eine der zentralen Forderungen deutlich.
Am selben Tag wurde die Aktion auch in den anderen Kitas der Arbeitsgemeinschaft im ganzen Hegau mit Postern und Infomaterial für die Eltern gestartet. "Die Aktion ist auch ein starkes Signal der Wertschätzung an die Mitarbeitenden in der Kindererziehung, die eine unheimlich wichtige Arbeit im wahrscheinlich am meiste unterschätzten Lernort überhaupt leisten", wurde im Rahmen der Medieninformation am Freitag unterstrichen. Dekan Matthias Zimmermann hob auch die elementare Bedeutung der kindlichen Erziehung hervor und klagte, dass man hier den "Schwarzen Peter" einfach nur herumreiche und nicht für neue Fundamente sorge. "Was wir dort an Erziehung nicht schaffen, das reichen wir dann an die Grundschulen weiter", machte er die Dringlichkeit deutlich, das System entscheidend zu stärken und neu aufzubauen.
Die Aktion sei auch dazu gedacht, den Mitarbeitenden in den Kindergärten und Kindertageseinrichtungen eine Anerkennung auszusprechen. Eigentlich war die Aktion im Nachgang des ganzen Corona-Lockdown gedacht, weil man da erst mal darauf hinweisen habe müssen, dass eben die Kitas auch »systemrelevant« sind und ohne sie Wirtschaft niemals funktionieren könne, aber es haben sich eben auch noch weitere Problemlagen dazu gesellt, wie Claudia Fischer (Singen) und Andrea Hartung (Aach) unterstrichen. Die personelle Situatuion, bei der aktuell auch Erzieherinnen den hauswirtschaftlichen Part in den Kitas mit erledigen müssen, bringe sie auch an die Grenzen des Leistbaren. Und so lange das so sei, werde man auch kaum BewerbInnen zur Entlastung finden, die sich so was antun wollen, drängten sie auf baldige Verbesserungen in der Personalausstattung. Auch für nötige Fortbildungen des Personals fehle schlichtweg oft »die Luft«. Die Notwendigkeit, dass in den Kitas immer mehr individuelle Förderung nötig sei, und die Erkenntnis, dass die bisherige Gruppenstärke in den Kitas dafür nicht mehr geeignet sei, müsse endlich von der Politik wahrgenommen werden, sagte auch Mirja Zahirovic von der Kita/Familienzentrum St. Nikolaus im Singener Süden, der mit einem Migrationsanteil von 90 Prozent besonders belastet ist. Drei viertel der Eltern der Kinder dort seien auf staatliche Unterstützung angewiesen, viele Kinder kämen hier mit drei oder vier Jahren an, ohne je ein Wort deutsch gesprochen zu haben. Eine Belastung, die dann auch in einem steigenden Krankenstand mündet, durch die Belastung. Da würden sich auch die Fachkräfte inzwischen anderes orientieren.
Um die Forderungen und die Notwendigkeiten für Kitas, die etwas leisten können, zu untermauern, findet am Montag, 26. September, 19 Uhr, eine große Podiumsdiskussion im Saal der Liebfrauenkirche statt, für die auf dem Podium die Singener Bürgermeisterin Ute Seifried, die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger,Wolfgang Heintschel von der Caritas Singen-Hegau, VertreterInnen des Gesamtelternbeirats der Kitas in Singen, Andrea Hartung von der Kita Aach und Vorständin der KTK wie Dr. Regina Kebekus als Leiterin des Caritasverbands der Erzdiözese unter der Moderation von Dekan Matthias Zimmermann diskutieren wollen, um am Ende auch eine klare Botschaft in Richtung Politik senden zu können. Denn nun müsse sich endlich wirklich etwas verändern. »Wir wollen einfach, dass es unseren Mitarbeitenden gut gehen kann«, bringt das Wolfgang Heintschel auf den Punkt.
Zur Aktion wurde auch eine Homepage www.waskitasleisten.de eingerichtet um auch über die Region hinaus die Forderungen und Themen zu transportieren.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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