100 Jahre Krankenpflegeschule auch als Statement für die Gesellschaft
Jubiläum mit Visionen und Wünschen

Pflegeschule | Foto: Zusammen mit "Pepper" wurde das Jubiäum der Pflegeschule von den Akteuren auf der Bühne auch als politisches Statement genutzt. swb-Bild: of
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Singen (of). Das war ein Novum: Pflegeroboter „Pepper“ eröffnete den 100. Geburtstag der Pflegeschule des Singener Krankenhauses, die ja inzwischen zur „Akademie für Gesundheitsberufe“ des Gesundheitsverbund im Landkreis Konstanz erwachsen ist. Der Festakt war für den Singener OB mit einem innigen Wunsch verbunden. Denn das aktuelle Gebäude in Singen ist zwar „erst“ aus dem Jahr 1981, aber der Unterricht im „Souterrain“ sein einfach nicht mehr zeitgemäß weshalb es eigentlich für deren Zukunft einen Neubau bräuchte. Ingesamt wurde er Festakt dazu genutzt, für mehr Respekt für einen besonderen Berufsstand zu werben, der diesen brauche um die vielen Aufgaben der Zukunft anzugehen.

Von „Pepper“ wurde zuerst Stefan Basel als Sozialdezernent und Vetreter des Landrats auf die Bühne gebeten. Er verwies auf das inzwischen starke Engagement des Landkreises für „seinen“ Gesundheitsverbund. Der Kreistag stehe ja aktuell mit fünf Millionen Euro zur Kapitalstärkung und zum Ausgleich der Defizite per „Rettungsschirm“ wie den in 2019 beschlossenen Masterplan Bau ganz hinter dem Verbund. Er richtete sich danach direkt an die Pflegefachkräfte, die dem Festakt beiwohnten. Für die Herausforderungen zur Zukunft habe man ja erst vor wenigen Wochen den Pflegeverbundvertrag für die neue Generalistische Pflegeausbildung abgeschlossen zwischen den drei Pflegeschulen und den Ausbildungsträgern unter der Federführung des Landkreises, um den Nachwuchs für den ganzen Gesundheits- und Pflegebereich zu fördern. Die Pflegeschule sei der älteste Ausbildungträger dafür im Landkreis und schon vor hundert Jahren habe man hier nachhaltig und über den Tellerrand geschaut und gehandelt. „Sie machen eine tolle Ausbildung und einen tollen Job, lassen sie sich dabei nicht durch manche Irrungen der Politik beirren“ gab es den anwesenden Pflegekräften mit und hatte aus Symbol seinen „Proud to be a nurse“—Sticker von der letzten Abschlussfeiern in der Akademie mitgebracht.

OB Bernd Häusler fing mit einem Rückblick schon bei der ersten urkundlichen erwähnung Singens im Jahr 787 an, aber nur deshalb weil die Urkunde die spätere Stadt damals „Sisinga“ bezeichnete, worauf sich der Chor des Hegau-Bodensee-Klinikum beruft. Bei dem 1896 erbauten ersten Krankenhaus waren die Räume schnell zu wenig. Von zunächst 25 ging es bald auf 50 Betten hinauf, die schrecklichen Kriegsjahre folgen und machten überdeutlich, wie wichtig ausgebildetes Personal in für die Kliniken ist. Die Krankenpflegeschule wurde 1920 durch das Kloster Hegne beim Singener Krankenhaus gegründet und wenig später in der damaligen Landeshauptstadt Karlsruhe und genau am 4. März durch den Gemeinderat bestätigt und eingesetzt. Die Schwestern aus Hegne selbts seien seit 1880 präsent gewesen. Während der Startjahrgang mit 8 „Kandidatinnen“ begann, seit bald schon 20 Schwestern pro Jahr ausgebildet worden, in der Nazi-Zeit wurde das kichliche Engagement freilich verboten. Ab 1946 wurden in der Schule auch weltliche Schwestern ausgebildetet, in 1969 was es der erste Mann, deren Anteil liege inzwischen rund 20 Prozent. 1981 wurde die neue Krankenpflegeschule am Singener Krankenhaus geschaffen 1985 ging Krankenpflegeschule dann auch von Hegne an die Singener Klinik und Stadt Singen über. 2012 kam dann die Fusion zum Gesundheitsverbund und auch die Fusion mit der schule in Singen mit Hauptsitz in Singen.

Natürlich hatte Häusler zum Jubiläum auch einen Wunschzettel mit dabei. Es brauche baulich einfach eine neue Schule, denn das jetzige Gebäude sei einfach nicht mehr zeitgemäß und die Schule habe besseres verdient als im „Souterrain“ zu hausen. Das Thema sei ja auch schon in der Klausurtagung des Aufsichtsrats angesprochen wurden und über den Masterplan Bauen, sollen das auf den Weg gebracht werden, wünschte sich Häusler.

Der neue Vorsitzende der Geschäftsleitung des Gesundheitsverbunds, Bernd Sieber, hat für sich in den letzten zwei Jahren eine Kehrtwendung in der Wahrnehmung des Themas Pflege registriert. „Wir sind ein interessanter Arbeitgeber mit entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten bei 3.600 Mitarbeitern. Freilich werde immer wieder die Frage nach der Verlässlichkeit der Arbeitszeiten gestellt während die Zahl der zu pflegenden Steige trotz der nun erlassenden Fachpersonal -Untergrenzen – keiner fühlte sich dadurch entlastet. Man habe zwar 10 Prozent der Bettenkapazitäten aktuell gesperrt, aber deswegen nur etwa 1 Prozent weniger an Arbeitsleistung zu erbringen. Das führe zu Engpässen in der Versorgung, eventuell sogar zu Schließung von Häusern, befürchtet er. Mehr Werkschätzung für den Beruf sei dringend geboten, zumal es angesichts der Engpässe gelte Pflegekräfte nach durchschnittlich siebeneinhalb Jahren Verweildauer im Beruf wieder zurückgewinnen zu können.

Die Leiterin der Einrichtung, Dr. Bettina Schiffer, konnte auf viel Kontinuität in der Führung der Schule verweisen. In den 100 Jahren sei sie erst die fünfte Leiterin dieser Schule. Mit sechs bis acht Kandidatinnen habe man damals begonnen, bald wuchs die Gruppengröße auf rund 25 und heute könne man in Singen 60 Personen aufnehmen. Am Anfang war man nach einem Jahr fertig, erst 1965 wurde die Ausbildung auf drei Jahre erhöht. Mit dem der neuen Generalistischen Pflegeausbildung verlängert sich diese nun nochmals. Wie sehr sich Zeiten ändern, machte sie mit einem Beispiel von 1966 deutlich. Damals habe es eine „deutliche“ Erhöhung des Taschengelds – auf 100 Mark bei freier Kost und Logie gegeben. Schon für 1982 hatte sie eine Anweisung gefunden, die an ein ensprechende äusseres Erscheinungsbild der Pflegekräfte mahnte. Daran müsse man freilich noch heute immer wieder erinnern. Sie dankte den Hegne-Schwestern, welche die Professionalierung der Pflegeausbildung unterstützten. Den Mut neue Wege zu gehen habe man.

Schwester Liliane Juchli war einer der Stargäste dieses Festakts. 1953: hatte sie ihre Ausbildung in Zürich begonnen und schnell bemerkt, dass es einen Mangel an theoretischen Grundlagen gab. Damals hatte sie begonnen, ein Pflegetagebuch begonnen und das sei so etwas wie der Anfang einer wissenschaftliche Forschung, es wurde ein Pflegebuch daraus, das damals die erste didaktische Anweisung gewesen ist und als „Das Juchli“ das Standardwerk in der Pflegeausbildung wurde. Bis in die 1960er Jahre habe es nur ein krankheitsorientiertes Modell gegeben erst dann habe man gelernt, wie wichtig die Aktivierung von Patienten in einer ganzheitlichen Pflege sei wie eine Professionalisierung der Ausbildung. Im neuen Jahrtausend stehe man vor vielen neuen Herausforderungen und es gelte, die Zukunft der Pflege in eigene Hände zu nehmen in einer Zeit von an Gewinn orientierten Gesundheitseinrichtungen. Ihr Leitstatz stammt von Leonardo da Vinci: „Binde deinen Karren an einen Stern. Der kehrt nicht im und bleibt nicht stehen.“

Andreas Westerfellhaus, Staatsekretär im Gesundheitsministerium, der selbst ausgebildeter Krankenpfleger ist, und Fan des FC Bayern München, sollte Moderatorin Waltraud Reichle erklären, wie den die Pflege künftig in der Champions League spielen könne. „Pflege kann mehr“ hat er als Motto übernommen. Man habe in der Vergangenheit manche Kompetenz aus politischen Gründen hinten angestellt. Es fehle den Fachkräften und an Berufsautonomie. Und da seien viele anderen Länder in Europa um einiges Voraus in einer Vernetzung von Gesundheitsfachberufen, die heute noch nicht möglich wäre. Der Beruf habe eine sehr hohe Kompetenz. Aber es gelte Pflege mehr sichtbar machen als Teil der Gesellschaft. „Aus der Politik heraus passiert nix, wenn nicht die Pflege auch auf sich aufmerksam macht“, mahnte er. Aber es doch gelungen in den ersten Jahren unter Gesundheitsminister Jens Spahn eine Menge anzustoßen und einem Stellenabbau Einhalt zu gebieten. Wenn der Beruf mehr Wertschätzung erfahren, müsste es doch möglich sein, die 48 Prozent der Pflegekräfte, die ihrem Beruf vorzeitig den Rücken gekehrt hätten, zurück zu bekommen. „Das ist meine Überzeugungsarbeit“, so Westerfellhaus. „jetzt steht die Tür weit offen und es gibt Gestaltungsspielraum, um etwas zu verändern“ in seinem Fazit.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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