Premiere von Stiefels verlorenen Seelen
Ein Hegau-Krimi, der auch politische Wellen schlägt
Singen.Gerd Stiefel als ehemaliger Chef der Kriminalpolizei des Polizeipräsidiums Konstanz hat nach 40 Jahren im Polizeidienst an den verschiedensten Standorten, sogar auf dem Balkan, die Lust am Schreiben entwickelt. Krimis natürlich, die immer auch eigene Familien- und auch Dienstgeschichte aufarbeiten. Schon ein Jahr nach der viel gelobten "SoKo Hegau" über den Mord an einer Immobilienunternehmerin hat Stiefel nun im Rahmen einer Matinee in der Färbe mit dem Förderverein des Theaters und den städtischen Bibliotheken sein ganz neues Buch "Die verlorenen Seelen vom Bodensee" vorgestellt. Dem Ermittler Karl Grimm, der hier seinen zweiten Auftritt hat, öffnet sich in diesem Buch eine ziemlich finstere Welt der Zwangsprostitution, denn in die wird er mitten aus dem Familientag im Strandbad Litzelstetten verschleppt. Ihn erreicht ein Anruf aus Friedrichshafen von der Kripo und alsbald wurde er mit dem Boot an den Tatort über dem Teufelstisch verfrachtet, wo "Lacrima" aus Rumänien mit ihrem Kind getötet aufgefunden wird.
Die Frau war über einen "Loverboy" mit 18 Jahren aus einem Dorf in Rumänien verschleppt worden, landete auf ihrer Odyssee durch die Bordelle und "Laufhäuser" irgendwann in Zürich. Ihre Flucht aus dem Martyrium endete hier auf dem Boot im Überlinger See, bringen die Recherchen mit immer mehr Details auch bei den Ermittlungen ans Tageslicht. Ihre Zuhälter handelten getreu ihrer mafiösen Strukturen und brachten sie "zum Schweigen" über Killer, die auch nie "Nein" sagen dürften, ohne damit ihrem Leben ein frühes Ende zu setzen. Stiefel musste an diesem Vormittag gar nicht viel lesen. Den Polizei-Dienstjargon kennt er aus 40 Jahren und auch wenn da drauf steht, dass die Geschichte natürlich frei erfunden ist, so schreibt der Mann aus der Erfahrung vieler Fälle, die er hier zu diesem Drama zusammensetzt.
Fragen zur Würde des Menschen
Allerdings kam Stiefel an diesem Vormittag in der fast bis auf den letzten Platz besetzten Färbe gar nicht so richtig zum Lesen, denn der Moderator der Matinee, der Kulturjournalist Siegmund Kopitzki hatte dieses Buch ja schon genau gelesen, wie er immer wieder deutlich machte. Er eröffnete eine ganz andere Diskussion, die diesem Vormittag einen nicht weniger dramatischen Zug gab: die über Zwangsprostitution. Denn, keine Frage, das hat dem Polizisten wie dem Autor Stiefel auch auf den Nägeln gebrannt, als er sich dieses Thema der "Verlorenen Seelen" vorgenommen hatte.
Zürich sei ja gar nicht so ein Hotspot der Sexarbeit, das sei Konstanz in den 1970ern viel mehr gewesen, meint Stiefel auf die Frage, weshalb diese Spur des Leids genau in diese Stadt der Reichen führt.
Und das geht so weiter, denn gerade Deutschland sei durch die aktuelle Gesetzeslage seit 2017 der Hotspot schlechthin in Europa geworden. Bundesweit rund 28.000 "offiziell" und gewerblich gemeldeten Prostituierten in Deutschland stellt er 400.000 Frauen entgegen, die das schwarz machen, und von denen vermutlich die wenigsten dies freiwillig tun.
Das ist dann wieder abseits des Buchs, das Stiefel hier sogar zum Artikel 1 des Grundgesetzes greift, mit der unantastbaren Würde des Menschen, die er hier keineswegs gewahrt sieht. Denn von Würde könne man bei den Arbeitsverhältnissen dieser Menschen, meistens sind es Frauen, manchmal sogar noch Kinder, nicht sprechen, abgesehen vom wirtschaftlichen Druck, der in dieser Branche eines der lebensverachtenden Prinzipien ist.
Das Buch lohnt sich natürlich wirklich zum Lesen. Politisch aktiv kann man danach werden. Denn erstmal soll es ja ein Krimi sein.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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