Erkältungswelle stellt Kinderklinik auf die Probe
Am Anschlag auch wegen dem Personalmangel

Bundesweit sind wegen der starken Welle an Infektionen mit dem RS-Virus Kinderkliniken überfüllt. In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung mild, bei fünf bis zehn Prozent, vor allem der unter zweijährigen Kinder, ist eine klinische Behandlung erforderlich, weil die kleinen Kinder viel engere Atemwege haben als Erwachsene. | Foto: Katarzyna Bialasiewicz Photographee.eu_adobe.stock.com
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  • Bundesweit sind wegen der starken Welle an Infektionen mit dem RS-Virus Kinderkliniken überfüllt. In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung mild, bei fünf bis zehn Prozent, vor allem der unter zweijährigen Kinder, ist eine klinische Behandlung erforderlich, weil die kleinen Kinder viel engere Atemwege haben als Erwachsene.
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Singen. Es geht jeden Tag durch die Nachrichten: Weil sich das RS-Virus in diesem Herbst, wie übrigens auch bereits im letzen Herbst, rasant ausbreitet und vor allem die jüngsten Kinder gesundheitlich stark bedroht, sind nicht nur die Praxen von Haus- wie Kinderärzten in diesen Tagen extrem beansprucht, auch die Kliniken kommen vielerorts an ihre Grenzen, müssen die kleinen Patienten zum Teil in andere Kliniken verlegen. Auch im Hegau-Bodensee-Klinikum Singen sagt der leitende Arzt Prof. Dr. Andreas Trotter: „Wir sind immer wieder mal am Anschlag.“
Denn es ist nicht nur das RS-Virus, sondern auch andere Erkältungen, Grippe wie Magen-Darm-Infekte, die hier für voll belegte Betten sorgen. „Das war im letzten Herbst sogar schon ab Ende August so, dieses Jahr hat die Erkältungswelle im Oktober massiv eingesetzt und wird so wohl auch noch bis zum März weitergehen“, befürchtet er. 
Den Andrang der letzten beiden Jahre sehen viele Experten als Folge der Corona-Isolationen. „Das Problem für uns ist weniger die Infektionswelle, sondern dass wir aufgrund des Personalmangels schon länger nur ungefähr 20 der eigentlich 30 hier zur Verfügung stehenden Betten auch belegen können.“

Bei Überbelegung drohten sogar Strafzahlungen

Die Zahl der Patienten in der Singener Kinderklinik, die mit schweren Verläufen des RS-Virus behandelt werden müssen, schwankt stark und täglich. „In der letzten Woche waren es einmal sogar elf der kleinen Patienten, was bei 20 Betten schon eine kritische Zahl ist, dann waren es mal wieder nur vier, die hier in der Klinik behandelt werden mussten“, sagt Andreas Trotter im Gespräch mit dem Wochenblatt. Man sei im Austausch mit den Kinderkliniken in Konstanz wie Villingen, um im Notfall schnell reagieren zu können. Letzte Woche gab es da zum Beispiel einen Hilferuf aus Ravensburg auf der Suche nach freien Betten, die dann bei fünf Kliniken anfragen mussten, ohne Erfolg.

Personaluntergrenzen ausgesetzt

Denn nicht nur gegen das Virus, sondern auch gegen die Verordnungen der Personalbemessung für die Kliniken müssen die Ärzte hier ankämpfen. Die besagen, dass tagsüber eine ausgebildete Kinderpflegekraft für sechs Kinder, nachts für neun Kinder zuständig ist. Deshalb schwankt die Zahl der belegbaren Betten auch ständig, sie ist vom einsatzfähigen Personal abhängig. „Unter normalen Umständen müssten wir sogar Strafen zahlen, wenn wir diesen Personalschlüssel unterschreiten würden“, macht Andreas Trotter das Fingerspitzengefühl deutlich, das hier in dieser herausfordernden Zeit nötig ist. „Wir sind heilfroh, dass diese Personaluntergrenzen in der aktuellen Lage so gemildert sind, dass wir keine Strafe zahlen müssen, wenn wir mal ein Kind mehr aufgenommen haben.“ Freilich müsse die Ausnahmesituation auch nachgewiesen werden.

Infektion verläuft meist mild

Vor allem die kleinsten Kinder seien von der Infektion betroffen. „Man muss auch ganz klar sagen, dass auch nur fünf bis zehn Prozent der kleinen Kinder einen schweren Verlauf erleiden“, kritisch sei das dann für die Kinder unter zwei Jahren, noch kritischer bei Babys unter sechs Monaten. Für Kinder mit hohem Risiko, sehr früh geborene Kinder oder solche mit angeborenen Herzfehlern stehe schon seit Jahren ein Impfstoff zur Verfügung, der aber monatlich über die Erkältungssaison aufgefrischt werden müsse. Ein neuer Impfstoff, der dann den Winter über halte, sei erst in der Erprobung. Die Komplikationen rührten daher, dass die ganz kleinen Kinder eben noch viel kleiner ausgebildete und daher engere Atemwege hätten, und dass bei Kindern solche Erkrankungen auch innerhalb sehr kurzer Zeit auftreten. Oft kämen die Eltern dann mit ihren kleinen Patienten auch nachts im Krankenhaus in der Notaufnahme an. Auf der anderen Seite erholen sich die Kinder dann auch relativ schnell von den Schüben. „Was wir gerade erleben, ist da schon eine endemische Situation“, sagt Andreas Trotter. Aber ungewöhnlich für die Jahreszeit sei sie auch nicht.

Politik muss die Kliniken stärken

Der Leiter der Singener Kinderklinik bleibt bei der Politik. Denn das größere Problem, welches das Gesundheitssystem so schnell an seine Grenzen bringe, sei einfach, dass aufgrund der Personalsituation eben in den Kliniken nur zwei Drittel der Betten belegt werden könnten. Die in den letzten Tagen vom Sozialminister Manne Lucha gemachten Versprechungen, dass es für jedes erkrankte Kind ein Bett in einer Klinik geben solle, und dafür aber auch anderes Pflegepersonal eingesetzt werden soll, hält Prof. Trotter nicht viel, denn Kinderkrankenpflege erfordere ja bereits eine spezialisierte Ausbildung, weil bei Kindern eben vieles anders sei als bei Erwachsenen. „Und diese Pflegekräfte fehlen dann auch anderswo in der Klinik.“ Das sei zwar gut gemeint, aber eben auch nicht wirklich hilfreich. Die Wellen habe man vor Corona gehabt, letztes Jahr, und nun wieder. Passiert sei da seitens der Politik substanziell nichts, damit die Kliniken gestärkt werden könnten.
Die beständigen Weckrufe der Ärzte und Klinikbetreiber scheinen freilich nicht ganz ungehört geblieben zu sein, denn am Dienstag wurde nun ja durch Gesundheitsminister Karl Lauterbach eine grundlegende Reform angekündigt, die die Krankenhäuser wesentlich stärken soll in ihrer Gesundheitsversorgung. Andreas Trotter hofft, wie viele seiner Kollegen, nicht im kommenden Jahr vor demselben Problem wieder genauso zu stehen. „Wir stehen das durch, aber wir kommen einfach auch an unsere Grenzen.“

Bundesweit sind wegen der starken Welle an Infektionen mit dem RS-Virus Kinderkliniken überfüllt. In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung mild, bei fünf bis zehn Prozent, vor allem der unter zweijährigen Kinder, ist eine klinische Behandlung erforderlich, weil die kleinen Kinder viel engere Atemwege haben als Erwachsene. | Foto: Katarzyna Bialasiewicz Photographee.eu_adobe.stock.com
Prof. Dr. Andreas Trotter, Leiter der Kinderklinik des Hegau-Bodensee-Klinikums, bräuchte einfach nur mehr ausgebildetes Personal, um bei den jährlich wiederkehrenden Infektionswellen nicht so schnell an die Grenzen zu stoßen. | Foto: swb-Bild: GLKN
Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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