Wenn Geschichte lebendig wird
Interessante Einblicke in die Rielasinger Ortshistorie

Großes Interesse gab es an der ersten Exkursion zum Gemeindejubiläum im Ortsteil Rielasingen mit dem Ortshistoriker Ottokar Graf. | Foto: Uwe Johnen
  • Großes Interesse gab es an der ersten Exkursion zum Gemeindejubiläum im Ortsteil Rielasingen mit dem Ortshistoriker Ottokar Graf.
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Rielasingen-Worblingen. Wenn ein Dorf sich erinnert, kann das sehr lebendig, überraschend und sogar unterhaltsam sein – das zeigte sich eindrucksvoll am vergangenen Sonntag beim Auftakt zur Veranstaltungsreihe »50 Jahre Rielasingen-Worblingen«. Unter dem Motto »Wie sich ein Ortsbild verändert« nahm Ottokar Graf, Vorsitzender des Heimat- und Museumsvereins, knapp 50 interessierte Bürgerinnen und Bürger mit auf eine eindrucksvolle Zeitreise durch Rielasingen – in Worten, Geschichten und Gedanken.

Treffpunkt war der Platz vor der Pfarrkirche St. Bartholomäus. Doch bevor die Exkursion überhaupt starten konnte, hielt es den leidenschaftlichen Heimatforscher nicht draußen – sondern drinnen. Spontan lud er die Gruppe in die Kirche und eröffnete dort mit einer rund einstündigen historischen Einordnung. Die Zuhörer lauschten gebannt, als Graf mühelos durch die Jahrhunderte sprang und dabei den Ort vom frühkeltischen Hügelgrab über die Römerstraße bis zur heutigen Verkehrsachse verknüpfte. Beeindruckend nicht nur sein Fachwissen, sondern auch seine Fähigkeit, Vergangenheit und Gegenwart mit einem Augenzwinkern zu verbinden.
Denn Graf dozierte nicht – er erzählte, deutete, verband. Und: Er mahnte. Etwa, wenn er auf die strategisch wichtige, aber kriegsbringende Lage Rielasingens hinwies.

Hier gibt es weitere Bilder von der Exkursion:

Einblicke in die Dorfhistorie

Überhaupt war es dieses Zusammenspiel von fundierter Geschichtskunde, persönlichem Engagement und heiterer Stimmung, das die Führung besonders machte. So etwa, als Graf über die Dorfgesellschaft des Mittelalters sprach: »Die Menschen waren nicht unterdrückt. Alles war öffentlich. Keine geheimen Sitzungen, alles transparent.« Ein Seitenhieb mit Schmunzeln Richtung Rathaus, den der ebenfalls an der Exkursion teilnehmende Bürgermeister Ralf Baumert humorvoll parierte: »Bei uns sind’s nur nichtöffentliche Sitzungen – geheim ist da nix!« Das Publikum quittierte den Dialog mit herzlichem Lachen.

Nicht nur Gebäude, sondern auch Landschaft und Verkehr stellte Graf ins Zentrum seiner Ausführungen. Dabei bedauerte er sichtbar, wie wenig vom alten Rielasingen baulich übrig sei. Dennoch gelang es ihm, den Teilnehmenden das Unsichtbare sichtbar zu machen: die Bedeutung des Schmieds etwa, der im Dorf wichtiger war als Kirche oder Bürgermeister.

Einen besonderen Moment widmete Graf der Rolle des Zollvereins im 19. Jahrhundert. Anschaulich erklärte er, welche wirtschaftliche Bedeutung der Wegfall zahlloser Landeszölle hatte. Ohne diese politische Errungenschaft, so Graf, hätte die Arlener Baumwollspinnerei ihre Baumwolle aus Ägypten gar nicht wirtschaftlich über Hamburg beziehen können. »Die Zölle auf dem Weg hierher wären so hoch gewesen, dass sich niemand Unterhosen hätte leisten können«, sagte er mit einem schelmischen Blick – und erntete viel Gelächter. Die Frage, die sich angesichts heutiger protektionistischer Tendenzen – etwa aus den USA – zwangsläufig aufdrängt, schwebte dabei spürbar im Raum: Was bedeuten offene Märkte und Handelsfreiheit für den Wohlstand von gestern, heute und morgen?

Die kurze Wegstrecke führte über das alte Rathaus, die ehemalige Gerichtslinde, zur heutigen Scheffelschule und schließlich zur Ten-Brink-Schule – nicht ohne einen historischen Exkurs zur Familie Ten Brink, zu der Ottokar Graf hörbar viel zu erzählen wusste. Doch an diesem Punkt musste er sich selbst bremsen: »Wir haben ja noch Arlen und Worblingen vor uns. Da mache ich dann weiter.«

Die Führung war öffentlich, kostenlos und ohne Anmeldung – und damit bewusst offen für alle. Ob alteingesessen oder neu zugezogen: Wer kam, spürte schnell, dass hier nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Gemeinschaft erlebt wurde.
Die nächsten Exkursionen folgen: Am 1. Juni wird Arlen erkundet, am 6. Juli Worblingen. Bereits am Freitag, 11. April, eröffnet im Dorfmuseum die Sonderausstellung »Wir drei sind zusammen eins« – ein weiterer Baustein im Jubiläumsjahr, das nicht nur auf die Geschichte blickt, sondern vor allem auf das, was eine Gemeinde ausmacht: ihre Menschen.

Autor:

Uwe Johnen aus Singen

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