Diskussion mit Detlef Lohmann von Allsafe
Teilen statt neu produzieren, Mitarbeitende beteiligen und Win-Win als Grundwert
Detlef Lohmann ist CEO bei Allsafe in Engen, einem Unternehmen, das Stangen und Balken zur Ladungssicherung im Straßenverkehr produziert. 2008 ist Lohmann einer der Vorreiter zum Thema New Work gewesen, jetzt wirbt er für einen neuen gesunden Weg zu wirtschaften und für mehr Win-Win in der Wirtschaft. Ich habe mit ihm etwas tiefer darüber diskutiert, wie das, für das Detlef Lohmann wirbt, mehr werden kann in der Welt und wie er es selbst umsetzt.
Diskussion mit dem Engener Unternehmer und Buchautor Detlef Lohmann
Wochenblatt: Sie haben dieses Jahr das Buch »Mit gutem Gewissen« veröffentlicht. Es ist ja relativ mutig, wenn ein Anteilseigner und CEO, der etwas produziert in seiner Firma und damit aktiver Teil dieser Gesellschaft ist, die nun einmal viele Ressourcen verbraucht und in der Geld der Wert Nummer eins ist, ein Buch schreibt mit dem Untertitel »Der gesunde Weg zu wirtschaften«. Ich falle mit der Türe ins Haus: Was ist für Sie vielleicht sogar ergänzend zum Buch zusammengefasst »der gesunde Weg zu wirtschaften«?
Detlef Lohmann: »Drei Dinge. Ein Aspekt ist, alle Stakeholder (Anspruchsberechtige, Teilhaber, Anm. d. Verf.) im Blick zu haben und zu berücksichtigen. Nicht nur Geldgeber, Mitarbeiter, Kunden, sondern auch die Lokalität, die uns umgibt. Nur, wenn wir für alle Stakeholder echten Nutzen stiften, haben wir eine Daseinsberechtigung.
Das wurde zumindest in den letzten 20 bis 25 Jahren bei vielen kapitalorientierten Gesellschaften vergessen oder es ist in den Hintergrund gerückt. Dazu gehört Teilhaben.«
Wochenblatt: In Ecuador und Bolivien wurden Flüsse und Wälder zu juristischen Personen gemacht und sind so wirklich Teilhaber. Wie sehen Sie Möglichkeiten, dass die Natur an Bord kommt?
Detlef Lohmann: »Das ist der zweite Aspekt. Zu schauen, dass wir die Ressourcen, die wir nutzen, so sparsam es irgend geht nutzen. Aber nicht nur im Sinne von Kostenoptimierung oder Gewinnmaximierung, sondern auch im Sinne von: Brauchen wir diesen Rohstoff wirklich? Muss er von so weit her kommen? Und der dritte Aspekt ist: Wie lange können wir das in dem System des Kapitalismus sagen. Wir müssen Wachstum haben und das in einer beschränkten Welt betreiben. Und braucht es dort nicht ein Stück umdenken?
Wann ist genug genug?
Wann ist genug genug? Ist Geld der einzige vernünftige Gradmesser für Lebensqualität auf der Welt? Dem müssen wir uns kritisch stellen. Ich gehe da auch einen Paradigmenwechsel ein: Warum muss ich endlos wachsen? Gibt es nicht auch andere Dinge, um ein Unternehmen am Laufen zu halten? Zumindest haben wir keine Wachstumsstrategie per se. Bei mir steht nicht in der Strategie drin, wir wollen jedes Jahr soundsoviel wachsen. Unsere Strategie ist, wir wollen dauerhaft überleben. Das ist etwas ganz anderes. Dann muss man sich wandeln, vielleicht auch einmal schrumpfen.«
Wochenblatt: Jetzt ist ja Wachstum ein Teil des Menschseins. Wir wollen ja wachsen, vor allem an Selbstwert, das ist ein psychologisches Grundbedürfnis. Was soll wachsen, wenn es nicht das Geld ist? Wenn ich mit Rauchen aufhören will, muss ich mir überlegen, was nehme ich denn dann. Was nehmen wir denn dann?
Detlef Lohmann: »Was kann wachsen? Was sicherlich fast unbegrenzt wachsen kann, ist die Fürsorge für den anderen. Das, was uns als Menschen ausmacht, nämlich Teil einer Gemeinschaft zu sein und einen sinnvollen Beitrag in dieser Gemeinschaft zu leisten. Der muss ja nicht immer mit Geld vergütet werden, sonst hätten wir ja nicht so viel Freiwilligenarbeit. Wenn ich mich mehr verantwortlich fühle mit den Menschen hier und in anderen Regionen und mich erst mental und dann durch Tun, engagiere, dann wachse ich auch.
Wochenblatt: Der Philosoph Peter Sloterdijk hat die Tage in einem Interview sinngemäß gesagt, dass das, was wir jetzt gerade spüren, dass die Vollnarkose des Konsums und der scheinbar allumfassenden Sicherheit nachlässt und deshalb fühlten wir uns gerade, wie wenn wir nach einer Operation aufwachen.
Detlef Lohmann: »Das kann ich verstehen, ja.«
Wochenblatt: Sie haben in Ihrem Buch zwischendrin auch zum Thema Ausbeutung geschrieben. Und dass wir Deutschland bereits ein Stück deindustrialisiert haben, nicht durch grüne Politik, sondern durch die Globalisierung, durch die kostenorientierte Verlagerung von Produktion in Billiglohnländer beispielsweise.
Detlef Lohmann: »Nicht nur in billigere Länder, sondern auch in weniger regulierte Länder.«
Aber wie geht Gerechtigkeit dann wirklich?
Wochenblatt: Was tun wir damit? Sie sagen, es muss ja nicht immer mit Geld vergütet werden, womit wir beim Thema Gerechtigkeit sind. Beispielsweise in der Pflege, wo wir die Pflegekräfte schlussendlich mit ihrer so wichtigen Aufgabe in einem nicht mehr richtig funktionierenden System alleine lassen. Haben Sie Ideen, wie wir das anders hinbekommen können? Wie wir die Arbeit nicht einfach immer dahin schieben, wo es für uns am bequemsten ist und uns dann wundern, dass es da schlechte Arbeitsbedingungen gibt: Kinderarbeit, unverantwortlichen Umgang mit dem Lebensraum?
Detlef Lohmann: »Zum Gesundheitssystem: da gibt es ja schon gute Beispiele. Da ist in den Nierlanden Buurtzorg ja schon lange erfolgreich, die die ganze ambulante Pflege systemisch anders organisiert hat.«
Wochenblatt: Stichwort Reinventing Organizations – ein Buchtipp, vielleicht zu Weihnachten, beim örtlichen Buchhandel erhältlich …
Detlef Lohmann: »Ja. So etwas benötigen wir an vielen Stellen. Aber wir tun uns schwer, so etwas in Deutschland zu adaptieren.«
Wochenblatt: Was ist für Sie der wichtigste Punkt in dem Pflegeprojekt Buurtzorg in den Niederlanden?
Detlef Lohmann: »Der wichtigste Punkt ist für mich, dass man sich als erstes von Mensch zu Mensch um die Menschen dort gekümmert hat und im zweiten Abschnitt geschaut hat: kostet das mehr oder weniger. Das Ziel war nicht unbedingt, mehr Profit zu machen, billiger eine Dienstleistung zu bringen. Sondern der Gründer wollte ein System aufbauen, dass den Gepflegten und den Pflegenden hilft.«
Wochenblatt: Herausgekommen ist, wenn ich das richtig verstanden habe, dass die Menschen, die pflegen, quasi direkt entscheiden und sich von denen beraten lassen müssen, die von dieser Entscheidung noch betroffen sind.
Detlef Lohmann: »Ja, da arbeitet man in sehr vielen kleinen autarken Teams, bei denen sehr viele Entscheidungen, die wir zentral treffen, dort getroffen werden, wo der Bedarf entsteht. Da entscheidet der Pfleger, wie lange er jetzt für etwas braucht. Die bekommen dort ganz menschenwürdige Dinge hin, besser als wir mit unserer Durchreglementierung. Ich glaube, wir können auch Geld verdienen, ohne dass wir als erstes auf das Geld schauen. Natürlich brauchen wir auch eine Rentabilität, wir müssen ja die Menschen, die wir beschäftigen auch bezahlen.«
Wochenblatt: Ich habe dort verstanden, dass das Menschenbild ein anderes ist. Entschieden wird vor allem dort, wo die Aufgabe zu erledigen ist. Dazu gehört ja das Vertrauen, dass Menschen schon einen Weg finden und finden wollen, der gut ist, auch miteinander. Wenn die Aufgabe klar ist.
Detlef Lohmann: »Jetzt haben wir den Druck von oben, weil eine Dienstleistung an Menschen komplett durchmonetarisiert wurde. Das ist nicht menschengerecht. Die menschliche Arbeit wird wie eine industrielle Ressource gesehen. Das geht gar nicht. Das widerspricht mir auch komplett.«
Wochenblatt: Was ist der Unterschied zu dem, was jetzt in den Niederlanden passiert?
Detlef Lohmann: »Zum einen der gesunde Menschenverstand. Und die intrinsische Motivation, anderen helfen zu wollen. Da ist Win-Win drin, da ist Sinn drin, was wir hier oft gar nicht zulassen. Solange wir hier, politisch gewollt, so stark reglementieren im gesamten Gesundheitssystem, Maschinenleistung so viel besser vergüten wie Händchen halten und Ansprache und Fürsprache, ist etwas falsch in der Gesellschaft.«
Wochenblatt: Da stimme ich zu.
Detlef Lohmann: »Ich habe es selbst erlebt, als es mir gelungen ist, im Krankenhaus zu einer Pflegenden eine Beziehung so aufzubauen, dass sie mir vor der Operation eine halbe Stunde gegeben hat, dass ich dann auch wirklich einschlagen konnte. Wenn man das einmal erfahren hat, weiß man, wie wichtig das ist.«
Wochenblatt: Wenn ich mit Menschen rede, höre ich derzeit oft so etwas Ähnliches, wie Sie sagen. Wahrscheinlich, weil uns der gesunde Menschenverstand oder sogar das Gewissen (womit wir bei Ihrem Buchtitel wären) das auch so flüstert, dass da in unserer Welt gerade etwas nicht stimmt. Und trotzdem leben wir in dieser Welt und machen weiter. Jetzt gibt es da so eine Firma in den Niederlanden und Goretex hat auch so ein Führungsmodell. Wie machen wir das denn jetzt hier im Hegau? Erzählen Sie, was Sie selbst dort, wo Sie es können, tun …
Hierarchien abbauen, dichter an die Aufgabe ran
Detlef Lohmann: »Die Pflegenden zum Beispiel können ja selbst wenig tun. Ich habe aber da als Patient geschaut, dass ich dem Krankenhaus Zeit einspare, die ich dann zurückbekommen habe.
Ich kann Hierarchien abbauen, das haben wir auch getan. So haben wir Teams geschaffen, die möglichst direkt Kundennutzen schaffen. Die Menschen lassen wir so dicht wie möglich am Kunden arbeiten, mit kleinen Projektteams. Wenn ich Akquise mache, ist ein Akquiseteam komplett zusammen mit Controller, jemand aus der Qualität beim Kunden. Dazu braucht das Team noch einen Koordinator, aber keinen hierarchisch Vorgesetzten. Das Team weiß dann selbst, was notwendig ist, was Verschwendung, so muss auch nichts protokolliert werden, was nicht protokolliert werden muss.
Gerade in der Pflege geht es ja darum, dass die Menschen wieder gesund werden und nicht darum, was dokumentiert ist.«
Wochenblatt: Die Realität ist ja aber, dass diese Dokumentation zu erfolgen hat. Das entscheidet das System aus Kassen, Regierung etc
Detlef Lohmann: »Ich habe kein Patentrezept für die Rettung dieser Welt. Ich habe ein kleines Beispiel, wie wir es besser machen können. Bei unserer Firma Allsafe, dort können wir etwas tun. Hierarchieärmeres Arbeiten, da war ich sicher einer der Vorreiter im Jahr 2008. 2012 ist mein Buch erscheinen (der nächste Buchtipp: Und mittags geh ich heim: Die völlig andre Art, ein Unternehmen zum Erfolg zu führen).«
Wochenblatt: Das heißt, man kann Biotope schaffen?
Detlef Lohmann: »Ja, so ähnlich wie mit dem hierarchieärmeren Arbeiten, stelle ich mir jetzt vor, kann das auch mit dem gesunden Weg zu wirtschaften funktionieren. Ich weiß auch, dass viele Mittelständler so ticken, wie ich das schreibe in meinem Buch.
Ich bin vielleicht einer, der sich traut, auf die Straße zu stehen und darüber zu sprechen.
Die Kapitalgeber überzeugen
Natürlich muss man überlegen, wo die Macht ist. Die Macht ist beim Kapital. Und solange das Kapital bestimmt, kann ich auf lokaler Ebene wenig ändern. Auch ich bin Teil einer Kapitalgesellschaft, habe einen Hauptgesellschafter und deren Ziel ist es, mit Geld noch mehr Geld zu verdienen. Mit dem neuen Buch aber habe ich die Chance, an die Führungsebene der Kapitalgesellschaft heranzukommen, genutzt. Wenn es gelänge, dass die Kapitalgesellschaft das für all ihre Unternehmen unsetzten, die sie hätten, dann hat das größere Auswirkungen, dann sind das einige 1.000 Firmen weltweit. Das ist weit gedacht, aber ich habe es geschafft, das Buch in seiner englischen Übersetzung im Top-Management zu platzieren. Und dafür habe ich 5.000 Bücher gedruckt.«
Wochenblatt: Das nächste Buch handelt dann vielleicht von Ihren Erfahrungen … Ich habe jetzt aber noch eine etwas kritische Nachfrage: Lassen Sie uns mal kurz über Geld reden. Jetzt kann man versuchen, das Kapital zu überzeugen, dass es sparsamer geht, wir machen aber mit unserem Selbstbetrug, mit so etwas wie CO2-Ausgleich, weiter. Also: Wir bieten dem Kapital ein paar tolle Dinge an und dann wird das Kapital sagen: Das mache ich, wenn ich mehr verdiene. Oder gibt es da etwas, wo dann Anteilseigner sagen würden, das ist gut, dafür lohnt es sich zu verzichten, weil wir für uns und unsere Nachfahren die Welt schöner machen?
Detlef Lohmann: »So naiv, wie Sie das gerade beschreiben, bin ich nicht. Ich glaube nicht, dass sich das anonyme Kapital so viel anders verhält. Bei mir steckt im Grundsatz noch eine Familie dahinter, die sich einer Generationsverantwortung stellt. Denen das als Menschen als attraktives Ziel nahezubringen, das könnte indes funktionieren. Anonymen Aktionären das schmackhaft zu machen, die ja nur ihr Geld investieren, um noch mehr Geld zu bekommen, das wird nicht funktionieren.«
Wochenblatt: Eigentlich müssten diese Menschen ja als einzelne Menschen die Idee bekommen, in etwas zu investieren, von was sie selbst nicht mehr profitieren, sondern die nachfolgenden Generationen.
Detlef Lohmann: »Genau, das funktioniert vielleicht überall dort, wo ich einzelne Menschen erreichen kann: Die wissen nämlich, dass man sich nur jeden Tag satt essen und nicht mehr trinken kann, als man durstig ist. Auch Luxus ist ja endlich. Dass die, die ums Überleben kämpfen, um mehr Geld kämpfen, das gilt es zu respektieren, das ist ja natürlich. Aber bei all denen, die das nicht mehr brauchen, die können andere Ziele haben. Und so eine Familie (Axen Johnson) hat das ja schon erkannt. Sie haben Nachhaltigkeitsziele, Foundations, sie wissen nur noch nicht, wie sie es umfassender hinbekommen. Und sie wissen, da gibt es einen aus ihrer Sicht sperrigen Unternehmer, der auch monetär erfolgreich ist, denn dem muss ich genügen …«
Wochenblatt: … wenn man die ganz Reichen auf der Welt anschaut, dann kann man ja beobachten, dass die erst ganz viel Geld verdienen, um dann in den letzten Lebensjahren generös darauf zu verzichten oder es in soziale oder Gesundheitsprojekte oder ökologische Stiftungen zu investieren. Eine Art modernes Heldentum. Erst nimmt man die Ressourcen, dann gibt man sie unter maximaler Öffentlichkeitswirkung zurück und wird so zum Helden. So könnte man ja feststellen, dass es also gar nicht ums Geld geht …
Detlef Lohmann: »Ich glaube, da sollte man ansetzen und vielleicht ein paar Tage früher auf die Idee kommen: Ich kann ja auch Unternehmen ganz anders führen und ganz anders betreiben und muss dann nicht den Ballast der 100 Milliarden gegen Ende des Lebens verteilen. Das ist ja auch eine Schizophrenie: Da wurden von diesen Unternehmen, sei es jetzt Microsoft oder Amazon, ganz wenig Steuern bezahlt und dann muss das Geld wieder sinnvoll unter die Menschen gebracht werden. Das hätte man ja sinnvoller organisieren können.«
Wochenblatt: Ja, aber unter Berücksichtigung des Individuums und seiner psychologischen Vorlieben, ist das in gewisser Weise ja auch heldenhaft, sich erst das Geld vom Steuerzahler und aus den Märkten zu holen und es dann in großzügiger Manier als eine Art Über-Robin-Hood wieder an die Armen zu verteilen.
Detlef Lohmann: »Klar, aber ich frage mich schon, ob wir da nicht den falschen Propheten huldigen. Es gibt die Liste der 100 Reichsten. Warum gibt es nicht die Liste der 100 besten Steuerzahler?
Wir haben natürlich falsche Anreizsysteme geschaffen.«
Wochenblatt: Was wären denn richtige Anreizsysteme?
Gemeinwohlbilanz, was ist das?
Detlef Lohmann: »Ein System haben wir ja mit der Gemeinwohlbilanz, bei der wir nicht direkt dabei sind, aber wir nutzen Systemteile daraus. Aber da könnte man darauf hinwirken, dass das verpflichtend wird.«
Wochenblatt: Was wird da gemessen, damit sich unsere Leserinnen und Leser etwas darunter vorstellen können?
Detlef Lohmann: »Wie groß sind die Gehaltsunterschiede, spielt eine Rolle, also was verdient der Ärmste und der Reichste im Unternehmen. Wie fair werden Lieferanten bezahlt? Wie viel Schaden verursacht ein Unternehmen durch den Verbrauch natürlicher Ressourcen? Und das Thema Führung wird sehr intensiv betrachtet inklusive der Themen Diversity und Vielfalt.«
Bei uns ist ein Thema, dass wir bis zu 25 Prozent des Gewinns vor Steuern an die Mitarbeitenden als Sonderzahlung auszahlen. Das sind dieses Jahr 3,5 Millionen Euro für rund 200 Köpfe.«
Wochenblatt: Das hat dann ja auch Folgen für den laufenden Betrieb …
Detlef Lohmann: »Ja. Deshalb nehmen wir zum Beispiel manche Kunden nicht an. Bevor jemand unser Kunde wird, wird er Interessent. Das hilft.«
Wochenblatt: Das kann ich sofort fühlen …
Detlef Lohmann: »Kunde wird der, mit dem wir glauben, dass wir gegenseitig Nutzen haben. Damit ist der Druck weg. Durch die Fairness, die wir gegenüber den Lieferanten haben, hatten wir in der Coronazeit auch nie Lieferkettenprobleme. Wir wussten frühzeitig Bescheid, wenn es eng wurde.
Die Mitarbeitenden können sich seit 2004 auch über Genussscheine am Unternehmen beteiligen. Und da war es mir auch wichtig, dass die Genussscheine hochrentierlich sind. So werden Menschen zu kleinen Kapitalisten bei uns und zu Interessenträgern. Wir zahlen 30 bis 35 Prozent Dividende im Jahr. Es zählt dabei viel mehr, dass die alle dabei sind als hohe Renditen.«
Wochenblatt: Es geht also um Win-Win in alle Richtungen. Und etwas sarkastisch gesagt: Zum Schluss geht es doch wieder um Geld?
Detlef Lohmann: »Zweimal ja. Ich kann mich ja nur systemkonform verhalten. Es würde nicht anders gehen.
Die Erkenntnis, dass es nicht um Wachstum geht, können nur Menschen erlangen, die viel Einfluss haben, und deshalb muss ich an die Mächtigen kommen. Die könnten dann über ihre Vorbildfunktion auch etwas bei den anderen bewirken. Das wäre der nächste Schritt.«
Um was es beim CO2-Sparen wirklich gehen würde
Wochenblatt: Sie haben in Ihrem Buch erzählt, wie Sie analysiert haben, an welchen Punkten wie viel CO2-Ausstoß entsteht. Und dabei sind Sie darauf gekommen, dass der größte Teil durch Verkauf und Weiterverkauf entsteht. Weit über 90 Prozent. Was müssen wir denn dann ändern? Wieder mehr lokal produzieren? Momentan geht es ja eher in die Richtung, dass aus Macht- und Geldgründen die Waren und Güter immer weitere Wege machen und immer noch mehr Zwischenhändler und Plattformen zwischen Produktion und Endabnehmern hängen. Auch wenn derzeit die Amerikaner wieder vermehrt eigene Chipfabriken bauen wollen, um von den Chinesen unabhängiger zu werden.
Detlef Lohmann: »Die Stangen und Balken, die wir produzieren, kauft niemand, weil er damit Status gewinnt. Sondern die werden benötigt, um Ladungssicherungsaufgaben beim Transport auf der Straße zu gewährleisten. Dort ist unser Gedanke, dass wir vermehrt statt immer mehr zu produzieren, die Produkte einsatzbereit halten und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort dem Kunden zur Verfügung stellen. Nutzen statt besitzen, reparieren statt produzieren. Das würde für Adidas heißen, dass Schuhe wieder neu besohlt werden können. Unser Gedanke ist, wir sammeln die Stangen und Balken wieder ein, reparieren sie und liefern sie wieder aus. Wir würden natürlich eine Menge bewirken, wenn wir mal fünf Jahre keine Autos mehr produzieren würden, anstatt dessen uns Autos teilen und reparieren.«
Wochenblatt: Was hat das Wort Dankbarkeit für Sie mit dem zu tun, über was wir diskutiert haben?
Detlef Lohmann: »Ich glaube, es ist beides: Demut und Dankbarkeit ist eine Wortgemeinschaft. Ich bin dankbar, dass ich in so einer Gesellschaft wie dieser hier geboren bin und die Chance hatte, mich hier zu entfalten. Und ich bin demütig, weil ich über die Grenzen meiner Einflussmöglichkeiten und des Systems weiß.«
Wochenblatt: Danke Ihnen für diese engagierte Diskussion für eine bessere Zukunft.
Autor:Anatol Hennig aus Singen |
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