20 Jahre b.free
Für das Selbstvertrauen, für sich selbst klug zu entscheiden

- Die kongenialen Pioniere, die dem Komasaufen in der Region nicht mehr zuschauen wollten 2004 gestern abend auf der Bühne: Gunter Langbein, Otmar von Bodman, Reiner Wöhrstein, Artur Ostermaier und Manfred Sailer. Und zum Abschluss gab es natürlich eine Festtorte. B.Free wäre ohne zahlreiche Sach- und Geldspenden wie beispielsweise von Randegger, Storz, Firma Baur und den sieben Rotaryclubs im Kreis nicht möglich gewesen.
- Foto: Anatol Hennig
- hochgeladen von Tobias Lange
Kreis Konstanz. Es ist selten, dass ein soziales Projekt, das eigentlich als kurze Kampagne gegen Komasaufen und Alkopops begonnen wurde, zu einem Dauerläufer wird.

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Am ehesten haben Projekte wohl die Chance zu Dauerläufern zu werden, wenn es gelingt, eine Private-Public-Partnership zu installieren, also eine Kooperation zwischen privaten Initiatoren, Umsetzern und öffentlichen Trägern. Mit B.Free ist es gelungen. Dieser Erfolg trägt viele Namen, wie die Festveranstaltung zum Jubiläum gestern Abend im Radolfzeller Milchwerk eindrucksvoll und unterhaltsam zeigte und die Zukunft ist bereits vorbereitet – inhaltlich wie personell.
Doch von vorne: Am Anfang ging das Licht aus. Und es gab im Milchwerk gestern für die rund 150 Gäste erst einmal Eis. Natürlich nicht irgendein Eis, sondern das Eis, das 2018 von B.Free im Konstanzer Herosé-Park mit dem Eis-Startup Froobie konzipiert wurde: B.Froobie. Froobie ist mittlerweile erfolgreich am Markt tätig und ist B.Free, wie man schmecken konnte, süß-fruchtig treu geblieben.
Kommen wir zu den Big Five: Das sind nicht nur stabile Persönlichkeitsmerkmale, sondern auch das Fundament von B.Free: Die Rotarier Manfred Sailer (Altbürgermeister, Engen), Artur Ostermaier (Altbürgermeister, Steisslingen), Otmar von Bodman (Personalleiter a.D.), Gunter Langbein (Chefarzt a.D. Radolfzell) und Reiner Wöhrstein (Fotografenmeister und Geschäftsinhaber, Singen) wollten zusammen vor 20 Jahren mit ihren Rotary-Clubs zum 100jährigen weltweiten Rotary-Jubiläum etwas gegen Alcopops und Komasaufen in der Region bewegen, sind auf Johannes Fuchs im Landratsamt zugegangen und haben ein halbes Jahr später in Uwe Schaffer einen umtriebigen Leiter für eine Lenkungsgruppe gefunden. Landrat Frank Hämmerle hat das Potential erkannt und mit den Initiatoren daraus eine Public-Private-Partnership gestaltet.
Doch es gab ein Problem: Eher ältere Serviceclubmitglieder wollten mit ihrer Kampagne junge Menschen erreichen. Reiner Wöhrstein brachte Matthias Wengenroth ein, der die Zielgruppe unter anderem mit Werbespots tatsächlich erreichte, die ohne Cineplex- und Cinestar-Kinounternehmer Detlef Rabe keine Reichweite gehabt hätten und Stefan Gebauer wurde als Geschäftsführer von B.Free zum Scharnier zwischen den Netzwerken, in denen junge Leute erreichbar waren und den Rotariern. Auf Gebauer folgte ein Jahr lang Waltraud Schwarz und dann Johannes Fuchs.
Das alles arbeiteten Phillipp von Magnis, der die letzten Jahre als rotarischer B.Free-Sprecher fungierte, und Barbara Burchardt mit den Gästen auf der Bühne unterhaltsam und quicklebendig heraus und dabei wurde auch der Kern von B.Free klar: Auch wenn die Öffentlichkeitswirkung vor allem in den ersten Jahren phänomenal war, wie auch ein Zusammenschnitt der Werbefilme und eine Zusammenfassung der 20 Jahre vom Fotografen Hans Noll eindrucksvoll zeigte, ging es doch eigentlich vor allem um erfolgreiches Netzwerken.
Das Ziel war nicht etwa asketische Abstinenz, sondern wie Magnis es formuliert: „Das Selbstbewusstsein von jungen Leuten zu stärken, selbst für sich zu entscheiden und nein sagen zu können, wo es nicht gut tut.“ Das wurde mit Spielen, mit Suff-Simulationen, natürlich mit dem Saftladen, dessen Gesicht der mittlerweile verstorbene Stefan Kleinmann lange Jahre war, mit Workshops mit (Fastnachts-)Vereinen und vielen anderen kleinen Projekten erreicht. Und heute? Das Phänomen Komasaufen ist weniger geworden, die Jugend geht nicht nur in der Region größtenteils bewusster mit Alkohol um.
Weg ist die Suchtproblematik damit natürlich nicht, ist doch die Sehnsucht nach Dopamin und Serotonin ein menschliches Kontinuum, aber sie hat sich verlagert. Und die Veranstaltung gestern zeigte, wie gut B.Free dafür aufgestellt ist: Der Kern „Eigenverantwortung durch Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins zu stärken“ und dafür „Netzwerke zu schaffen und zu pflegen“ ist gut entwickelt, die neue Generation kam im dritten Teil der Veranstaltung gestern auf die Bühne: Der Kreisjugendpfleger und neue B.Free-Geschäftsführer Georg Fleischmann (für Johannes Fuchs) und die neue B.Free-Sprecherin Andrea Duffner (für Philipp von Magnis) stellten zusammen neues Logo und neue Webseite vor.
Die neuen Suchtthemen sind: Cannabis, das für die Gehirne von Heranwachsenden mehr Risiken birgt, als sich viele bewusst sind („Cannabis ist kein Brokkoli“) und Medienkonsum. Dabei geht es nicht um exzessives Wochenblatt-Lesen, sondern um die Bandbreite von Fake-Vorbildern auf Social Media bis hin zu digitaler Gewalt, zum Beispiel mit expliziten privaten Videos, die genutzt werden, um Mitschülerinnen und –schüler öffentlich zu beschämen. Landrat Zeno Danner steht dabei für die Fortführung der Private-Public-Partnership.
PS. Welche Bedeutung B.Free aufgebaut hat, zeigt alleine eine kleine Recherche im Wochenblatt-Onlinearchiv unter https://www.wochenblatt.net/s/suche. „Elektronisch abgeregelt“ gibt es dort 100 Treffer.


Autor:Anatol Hennig aus Singen |
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