Sanierungsfahrplan für Stadt Radolfzell
Die Klima-Vorbildfunktion wird ganz schön teuer
Radolfzell. Der Weg zur klimaneutralen Stadt Radolfzell wird auch die Kommune selbst vor riesige Herausforderungen stellen, denn mit ein paar Solarflächen ist es ja längst nicht getan. In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik wurde nun unter der Federführung von Dezernatsleiterin Angelique Augenstein eine Studie zum energetischen Sanierungsaufwand städtischer Gebäude durch den neuen Energiemanager der Stadt, Karl Zeller, vorgestellt, die es wahrhaftig in sich hat: Denn rein nur die energetischen Sanierungen, die erst mal grob anhand der Gebäudedaten und des Verbrauchs geschätzt wurden, ergeben bis zum Jahr 2035 ein Investitionsvolumen von 45 bis 50 Millionen. "Wenn da noch was anderes an den Gebäuden saniert werden müsste, dann müsste man das noch dazu rechnen", meinte Zeller in seinem rund 70-seitigen Bericht, der für die Sitzung auf zehn Seiten zusammengefasst wurde. Besonders auffällig ist für den Energiemanager schon auf den ersten Blick der hohe Gebäudebestand von 146 Gebäuden in kommunaler Hand. Der Durchschnitt der Städte der Größenordnung von 30.000 Einwohnern würde bei rund 60 bis 70 Gebäuden, also bei weniger als der Hälfte liegen. Angesichts der Vielzahl der Gebäude und der dann damit verbundenen Verfahren und Vorgänge, machte Zeller den Vorschlag, dass es vonnöten sei, hier gar entweder eine Stelle für einen Fördermittelbeauftragten zu schaffen oder einen externen Berater damit zu beauftragen, um möglichst viele Förderungen für angestrebte Sanierungen herauszuholen.
"Das ist ein herausforderndes Arbeitspaper", befand Gemeinderat Norbert Lumbe (SPD) nach der Vorstellung des Zahlenwerks. Thilo Sindlinger von der Freien Grünen Liste (FGL) rechnete gleich schon mal auf den Gebäudebestand in der gesamten Stadt hoch, von dem die Stadt selbst einen Anteil von 3,1 Prozent habe. Er sieht hier einen Investitionsbedarf von rund 1,6 Milliarden Euro in der ganzen Stadt, um in Richtung Klimaneutralität zu kommen. Siegfried Lehmann (FGL) führte an, dass die Stadt durch die Investitionen natürlich in zunehmenden Maß auch Kosten sparen könne, wenn man nur an die drastische steigende CO₂-Bepreisung denke, die viele in ihren Kalkulationen noch nicht drin hätten. Lehmann hob in der längeren Diskussion auch auf das Thema Contracting für energetische Sanierungen ab, die die Rechtsaufsicht im Fall der Ratoldusschule abgelehnt habe, was aber bei anderen Projekten der Stadt Radolfzell einiges sparen könnte. Christoph Stadler (CDU) begrüßte diese erste Analyse: Auf so was habe man eigentlich seit Jahren gewartet, meinte er.
Im Kleinen anfangen
Der nun vorgelegte Plan ist natürlich längst noch kein "Fahrplan". Der muss erst einwickelt werden, zumal die Stadt diese energetischen Sanierungen erst ab 2028, dann in Tranchen von 6 bis 8 Millionen Euro jährlich bis 2035, umsetzen will, was schon einen gewaltigen planerischen Vorlauf bedeutet. Zeller hatte aber auch einen Plan mit "Sofortmaßnahmen" entwickelt, bei dem mit relativ kleinen Investitionen und Justierungen an bestehenden Anlagen schon zwischen 13 und 21 Prozent an Wärmeenergie eingespart werden könnten. Das Radolfzeller Rathaus wie die Ortsverwaltung Markelfingen, das TKM Milchwerk, der Werner Messmer-Kindergarten oder die Kita Metzgerwaidring, die Villa Finck oder das Verwaltungsgebäude in der Poststraße fünf wären einige der Kandidaten, bei denen die Stadt mit einem sehr geringen Budget auch ab 2025 schon loslegen könnte, ist die Empfehlung des Energiemanagers.
Die großen "Energieschleudern" sind natürlich den Gemeinderäten auch bekannt, wie etwa das erst kürzlich erworbene Gebäude des Spitals zum heiligen Geist, oder zum Beispiel das Sernatinger Haus oder der CDC-Pavillon.
Die Schule Böhringen steht mit Turnhalle schon für 2025 in der Planung, die Sonnenrain- und Teggingerschule für 2028. Das werde man aber auch nur eins nach dem anderen machen können, wie bei den aktuell anstehenden Hallensanierungen. Was für Radolfzeller Verhältnisse ungewöhnlich ist: Der vorgestellte Bericht wurde einstimmig gutgeheißen.
Angelique Augenstein kündigte für eine der nächsten Sitzungen die Vorstellung der Pläne für eine "klimaneutrale Verwaltung" an. Auch das ist ein Baustein des Klimaschutzkonzepts der Stadt.
Neue Diskussion um Villa Bosch
Auch in dieser Sitzung kam eine Diskussion um die Villa Bosch auf, über die man vonseiten der Stadt offensichtlich wenig Daten zu Energieverbrauch und Sparpotenzial habe. Die habe eigentlich schon jeder Oberbürgermeister wieder loswerden wollen, wurde in der Sitzung bemerkt. Auch hier kam eine Diskussion darüber auf, dass man das Angebot an Ausstellungen ja eigentlich künftig auch in den Räumen der bisherigen Sparkasse am Münsterplatz zeigen könnte und so einen Ballast los wäre, zumal sich an dem Gebäude auch außen inzwischen Sanierungsbedarf zeige. Die Villa Bosch ist derzeit freilich noch aufgrund der Lage der Räumlichkeiten eines der Aushängeschilder Radolfzeller Kultur am See.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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