Dialog mit MdB Seitzl und Mesarosch
30 Gesetze in einem Jahr - Stadtwerke werden überfordert

In großer Runde tauschten sich am Mittwoch die beiden Bundestagsabgeordneten Dr. Lina Seitzl (vierte von links) und Robin Mesarosch (siebter von rechts, hinten) mit Vertretern der Stadtwerke im Landkreis aus. Als "Hausherren" waren auch der Geschäftsführer der Stadtwerke Radolfzell, Tobias Hagenmeyer (siebter von links), sowie Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender Simon Gröger (erster von rechts) dabei.  | Foto: Anja Kurz
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  • In großer Runde tauschten sich am Mittwoch die beiden Bundestagsabgeordneten Dr. Lina Seitzl (vierte von links) und Robin Mesarosch (siebter von rechts, hinten) mit Vertretern der Stadtwerke im Landkreis aus. Als "Hausherren" waren auch der Geschäftsführer der Stadtwerke Radolfzell, Tobias Hagenmeyer (siebter von links), sowie Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender Simon Gröger (erster von rechts) dabei.
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Landkreis Konstanz/Radolfzell. Das Energiewesen rund um Gas, Strom und Wärme war in den letzten Monaten und Jahren gefordert, wie kaum ein anderer Bereich. Insbesondere die Energiekrise in Folge des Ukrainekriegs und eine befürchtete Energiemangellage führte zu vielen Unsicherheiten. Auch Energieversorger, wie die regionalen Stadtwerke, standen oft vor vielen Fragezeichen. Nun luden am Mittwoch, 13. September, die SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Lina Seitzl(Konstanz) und Robin Mesarosch(Zollernalb-Sigmaringen) zu einem Dialogformat mit Vertretern der lokalen Stadtwerke ein.

Von den Stadtwerken Radolfzell gab es als Hausherrn der Veranstaltung zunächst noch einen Rundgang. Schon bei der ersten Station der Tour, dem Kundencenter, wurden Themen des späteren Dialogs aufgegriffen: Die Abteilung sei seit der Energiekrise überlastet, berichtete Vertriebsleiter Joachim Kania. Kundenanfragen hätten sich zeitweise verzehnfacht, noch immer liege man auf hohem, fünffachem Niveau verglichen mit der Zeit zuvor. Um möglichst alles beantworten zu können, müsse das Kundencenter mittwochs geschlossen bleiben. 

Vor den Plänen zum Neubau der Stadtwerke Radolfzell, von links: Dr. Lina Seitzl (MdB), Lars Kiesling (Leiter Anlagen und Netze, Stadtwerke Radolfzell), Robin Mesarosch (MdB) und Tobias Hagenmeyer, Geschäftsführung der Stadtwerke Radolfzell. | Foto: Anja Kurz
  • Vor den Plänen zum Neubau der Stadtwerke Radolfzell, von links: Dr. Lina Seitzl (MdB), Lars Kiesling (Leiter Anlagen und Netze, Stadtwerke Radolfzell), Robin Mesarosch (MdB) und Tobias Hagenmeyer, Geschäftsführung der Stadtwerke Radolfzell.
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Austausch in großer Runde

"Es wird nicht mehr wie vorher", sagte Tobias Hagenmeyer, Geschäftsführer der Stadtwerke Radolfzell zum Beginn der Runde mit den anderen Stadtwerken im Landkreis: Dafür seien die Preissprünge und Unsicherheiten der letzten Monate weiter zu präsent. Ohne russisches Gas im Speicher, wie noch 2022, hoffe er für die Energieversorger auf einen weiteren, milden Winter. Zum Austausch anwesend waren Vertreter der Stadtwerke Radolfzell, Engen, Konstanz, Stockach und Steißlingen, sowie des Elektrizitätswerks Aach und der ThüGa Energienetze aus Singen. Radolfzells Oberbürgermeister Simon Gröger ergänzte auf politischer Seite die beiden Bundestagsabgeordneten. 

Lina Seitzl und Robin Mesarosch stellten sich in ihren Funktionen jeweils kurz vor. Mesarosch ist Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie und wurde deshalb von Seitzl in die Runde eingeladen. In diesem Ausschuss seien in der aktuellen Legislaturperiode bisher die meisten Gesetze durchgekommen, die für die Energieversorger oft von hoher Bedeutung sind.
Bezogen auf die Ziele zum Klima- und Umweltschutz sagte er: "Wir sind gerade an der Stelle, an der es darum geht, das ganze System konsequent umzubauen." Statt um einzelne Projekt, gehe es heute darum, bis 2045 komplett klimaneutral zu werden. "Wir haben nicht mehr den Luxus, die Dinge in die Zukunft zu schieben."

Dennoch gebe es Widersprüche: "Wir sind noch nicht da, wo wir sein müssen. Wir sind noch nicht konsequent bei allem." Gebäude und Verkehr seien dabei "vielleicht nicht zufällig die Bereiche, die bisher aufgeschoben wurden". Denn Auflagen, wie das Gebäudeenergiegesetz, würden viele konkret spüren. Mit dem Gesetz könne man auch Lösungen für die Leute finden, so der Abgeordnete. Das verursache viel Arbeit bei den Stadtwerken, räumte er auch in Anbetracht der zuvor gesammelten Eindrücke ein.
OB Simon Gröger nennt den Besuch der Abgeordneten bei den Umsetzern vor Ort "den richtigen Weg". Die Liste der gemeinsamen Themen sei noch lang, doch wichtig sei: "Die Entscheidungen des Klimaausschusses geben Planungssicherheit."

Teure Projekte, die sich erst langfristig lohnen

Die habe für die Stadtwerke teilweise gefehlt, bemängelte Tobias Hagenmeyer. So sei die Dezemberhilfe 2022 zwar eine pragmatische Lösung gewesen. Jedoch nur, bis innerhalb kurzer Zeit eine Preisbremse nach der anderen nachgeschoben wurde, weil die vorigen Schritte nicht ausreichten: Insgesamt 30 Gesetze waren in kurzer Zeit umzusetzen. "Wir sind am Anschlag und rennen nur noch hinterher", sagte Hagenmeyer.

Während Erlösausfälle durch Hilfen abgefedert wurden, galt das für die entstandenen Mehrkosten zur Umsetzung der Maßnahmen nicht. Im Fall der Stadtwerke Radolfzell spreche man dabei von über 100.000 Euro, bemängelt der Geschäftsführer. Diese Summe fehle dann an anderer Stelle. Er lobte das Dialogformat, hätte es sich aber "früher und intensiver" gewünscht. Den Weg zur Klimaneutralität gebe es nicht zum Nulltarif: Allein für Konstanz benötige es für die Umstrukturierung etwa 500 Millionen Euro, so Hagenmeyer.

Hinzu kommt für Dr. Norbert Reuter, Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz, dass sich in diesem Fall die Ausgaben nicht über fünf oder zehn Jahre tragen. Oft seien erst nach drei Jahren erste Umsätze zu erwarten. Der Aufwand für die Konstanzer Altstadt könne erst nach rund 25 Jahren wieder erwirtschaftet werden. Weitere Regulierungen hindern die Umsetzung ebenfalls.
Der Umbau zur Klimaneutralität passiere eben vor Ort, ergänzte Markus Kittl, Leiter Technik und Kommunalmanagement Thüga Energienetze. Für die Projekte brauche es auch Fachkräfte, die Stadtwerke seien als Arbeitgeber aber nicht attraktiv genug. Vermutlich komplexe Vorhaben, wie den Industriepreis, müsse man also mit Personal umsetzen, das "wir eh nicht mehr haben". 

(von links): Tobias Hagenmeyer, Robin Mesarosch, Dr. Lina Seitzl und Simon Gröger | Foto: Anja Kurz
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Eine Lösung für den "unbestreitbaren" Mehraufwand für die Stadtwerke sieht Robin Mesarosch in der Digitalisierung. Viele Gesetze und die daraus folgenden Aufgaben werden so digital lösbar, was die Energieversorger entlaste. Umstellungen brauchen jedoch Monate oder Jahre, bis sie zu spüren seien. Auch dabei werde es neue Gesetze geben. Allerdings sei abzuwägen, in welchen Bereichen es eine genaue Regulierung braucht. Das sei bei der Netzstabilität der Fall, während in den Kommunen teils unnötige Komplexität erzeugt werde. Das beim Bau der LNG-Terminals gezeigte Deutschlandtempo sollte dabei aber generell gelten und nicht "für ein paar Lieblingsprojekte".

Klaus Hoppe ist in Radolfzell zuständig für das Rechnungswesen und Controlling. Die Maßnahmen der letzten Monate waren für viele Stadtwerke begleitet von Steuerfragen an den Bundesfinanzminister Christian Lindner. Beantwortet werden diese in der Regel mit einem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen, das BMF-Schreiben. Die Stadtwerke warten noch auf Antwort. Dabei ist das BMF-Schreiben eine Art Rückversicherung, dass steuerlich betrachtet alles sauber geregelt ist. Ohne bestehe bei einer Finanzprüfung die Gefahr, dass Rückzahlungen, eventuell sogar noch mit Zinsen, verlangt werden könnten. Hier sagte Robin Mesarosch, dass er bei Finanzminister Christian Lindner nachfragen wolle - sicher nicht als Erster, aber es gebe mindestens einen Brief mehr.

Sind "kleine Stadtwerke" überlebensfähig?

Für das "kleine Stadtwerk" in Engen sprach Peter Sartena als Geschäftsführer. Bei maximal 30 Mitarbeitern sei die rechtzeitige Umsetzung der vielen Anforderungen beinahe unmöglich. Dabei gebe es noch andere Aufgaben, wie den Ausbau der Stromnetze. "Wie soll das ein kleines Unternehmen in einer kleinen Stadt schaffen?", fragte Sartena.

Laut Stephan Einsiedler von den Elektrizitätswerken Aach werde die Energiewende durch viele Auflagen förmlich verhindert. Das Verlegen von Leitungen etwa brauche Jahre und das bezahle wiederum der Kunde. Sollte die Industrie sich entscheiden, ihre Energie am Weltmarkt zu kaufen, "gucken wir in die Röhre".

Mit dem Osterpaket habe man beim Ausbau erneuerbarer Energien schon etwas bewirkt, sagte Mesarosch. Doch oft müsse sich ein Gericht wiederholt mit demselben Fall beschäftigen. Das soll verhindert werden: Was einmal entschieden wurde, soll gelten. Lina Seitzl konnte durch ihre Funktion als Berichterstatterin im Umweltausschuss berichten, dass dort an der Standardisierung der Auflagen im Artenschutz gearbeitet werde. Hier gehe man Tierart für Tierart vor, eine Abschwächung gebe es nicht.

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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