Fünf Orte, 80 Künstler, 500 Werke
Die "Experimentelle" will als internationale Kunstausstellung bekannter werden
Gottmadingen-Randegg. In der Region hat sich die länderübergreifende Kunstausstellung "Experimentelle" längst schon einen Namen gemacht. Ihren Ursprung hat die Experimentelle in Randegg, 2024 feiert sie dort zum inzwischen 22. Mal die Vernissage, am Freitag, 5. Juli, ab 19 Uhr. Seit den 2000ern ist sie stetig gewachsen und hat inzwischen fünf Standorte in vier Ländern. Trotz der Größe und Qualität der Veranstaltung bleibt allerdings die überregionale Bekanntheit hinter dem zurück, was sie erreichen könnte. Mit einer kleinen Neuerung soll sich das ab diesem Jahr hoffentlich ändern.
Zum ersten Mal seit Start der Experimentelle im Jahr 1988 wird diese nun unter einem Motto stehen. Titus Koch, der als Kurator, Gastgeber der Ausstellung im Schloss Randegg, sowie als Mitbegründer der Experimentelle eine zentrale Rolle bei der Ausstellung spielt, berichtete im Mediengespräch, wie es dazu kam. Anstoß gaben die Künstlerin Simone Haack und Sebastian C. Strenger, der bei der Experimentelle maßgeblich mitwirkt. Im Gespräch stellten sie fest, dass die Experimentelle trotz ihrer räumlichen Ausdehnung "viel zu unbekannt ist", so Titus Koch. Mit einem Motto könnte sich das ändern, so die Idee.
Und wie lautet das nun bei dieser Ausgabe? "Kafkaesque" - anlässlich des 100. Todestages des tschechischen Schriftstellers Franz Kafka in diesem Jahr.
Eine künstlerisch-"kafkaeske" Wahrnehmung der Welt
Der Begriff tauchte erstmalig in einem englischsprachigen Text auf und beschreibt eine internationale Strömung, so Sebastian C. Strenger. Auch im deutschen existiert das Adjektiv "kafkaesk", doch eine eindeutige Definition gibt es nicht. Zumeist wird es im Sinne von "auf unergründliche Weise bedrohlich" verwendet, wobei auch diese Bedeutung strittig ist. Mit der Ausstellung und in der begleitenden, 108-seitigen Publikation von Strenger soll zum ersten Mal überhaupt ergründet werden, welche Einflüsse aus den Werken Kafkas und deren Kernthemen sich in der modernen darstellenden Kunst wiederfinden. Von den (bereits vor der Idee eines Mottos) ausgewählten KünstlerInnen seit der Nachkriegszeit bis heute werden Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen und mehr ausgestellt. Strenger findet dabei in seiner schriftlichen Ausarbeitung diverse Verbindungen. Etwa in der Kunstrichtung des "Neuen Magischen Realismus" mit Werken von Simone Haack, bei der sie "sich zwar der Mittel des Realismus bedient, aber ohne dabei Realität abzubilden". Hier entstehe auch das kafkatypische, unergründliche Gefühl der Bedrohung. Aber auch die Suche nach Sinn angesichts technischer Moderne oder nach Identität finden sich als Motive des Schriftstellers auch in den Ausstellungsobjekten wieder. Für 15 Euro gibt es das Begleitbuch zur Experimentelle zu erwerben, in der es zahlreiche weiterführende Gedanken Strengers zur Ausstellung und dem Thema nachzulesen gibt.
Die Experimentelle ist ein Projekt, das von zahlreichen Ehrenamtlichen umgesetzt wird, unter anderem den Mitgliedern des Vereins "Förderkreis für Kultur und Heimatgeschichte Gottmadingen" (kurz: FöKuHei). Von ihrem Engagement lebt die Veranstaltung, das zeigt sich auch in der Geschichte und dem Wachstum der Experimentelle: Persönliche Kontakte waren bei der Ausweitung auf mehrere Standorte immer im Spiel. Die internationalen Partner wollten dabei oft aufgrund ihrer Begeisterung für das Projekt mit einsteigen. Diese Begeisterung trifft auch auf die teilnehmenden Künstler zu, ist beinahe Voraussetzung, so lässt Titus Koch durchblicken: "Jeder Künstler der ausgestellt wird, kennt das Projekt."
Begleitet wird die Ausstellung in Randegg zudem von einem vielfältigen kulturellen Programm, mit dem Musiker-Duo "Mackefisch" am Samstag, 27. Juli ab 20 Uhr (Eintritt 20 Euro), der Poetry Slamerin und Autorin Katinka Buddenkotte am Samstag, 17. August ab 20 Uhr (Eintritt 15 Euro), der Musikgruppe "Fräulein Hona" zusammen mit "Hands&Bits" am Samstag, 31. August, ab 20 Uhr (Eintritt 20 Euro), sowie bei der Finissage am Sonntag, 8. September ab 11 Uhr mit der "Feierware Jazzband".
"Kunst sprengt halt doch Grenzen"
Unter den Ausstellenden befinden sich "Vielfachtäter", aber auch neue Künstler. Für 2024 habe es rund 250 Bewerbungen gegeben, zu Hochzeiten gab es mehr als 300 Stück, berichtete der Organisator. An den fünf Standorten sind jeweils die Werke verschiedener KünstlerInnen zu sehen, mit dabei sind auch Personen aus Ländern, wie Japan, Südafrika und Neuseeland.
Die Ausstellungen finden an den fünf Austragungsorten leicht zeitversetzt statt, sodass insbesondere die Eröffnungen nicht miteinander konkurrieren. Hier finden die Ausstellungen statt:
Amstetten (Österreich) – Schloss Ulmerfeld: Vernissage am Donnerstag, 13. Juni, 19 Uhr
geöffnet vom 14. Juni bis 1. September
Bad Schussenried (Landkreis Biberach) – Kloster Schussenried: Vernissage am Freitag, 21. Juni, 18 Uhr
geöffnet vom 22. Juni bis 15. September
Gottmadingen (Landkreis Konstanz) – Schloss Randegg: Vernissage am Freitag, 5. Juli, 19 Uhr
geöffnet vom 6. Juli bis 8. September
Sélestat/Schlettstadt (Frankreich) – Saal Sainte-barbe: Vernissage am Freitag, 19. Juli, 19 Uhr
geöffnet vom 20. Juli bis 25. August
Thayngen (Schweiz) – Kulturzentrum Sternen: Vernissage am Freitag, 27. Juli, 19 Uhr
geöffnet vom 28. Juli bis 15. September
Zusammenwachsen als eine Region
Seit 2002 ist Thayngen bei der Experimentelle dabei, Ausgangspunkt war die enge Zusammenarbeit des Kulturvereins Thayngen mit FöKuHei, berichtete Andreas Schiendorfer, Ko-Präsident Stiftung Kulturzentrum Thayngen. Diese damals erste Ausstellung stellt auch den Ausgangspunkt für ein Kulturzentrum Sternen dar. Doch die Zukunft dessen sei ungewiss, berichtete Paul Ryf, Ausstellungsverantwortlicher und Vorstandsmitglied des Kulturvereins Thayngen Reiat. Die zugehörige Stiftung bemühe sich um Mittel für einen notwendigen, jedoch millionenschweren Umbau.
Zusätzlich zu den Werken im Kulturzentrum gibt es im Erlenhof Thayngen noch Skulpturen zu sehen, unter anderen fünf große Skulpturen von Armin Göhringer. Dort findet auch am 1. September eine Konzertmatinee mit klassischer Musik statt.
Geschichte der Experimentelle
Die Experimentelle hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kultur und Kunst der Moderne eine Plattform zu geben. Durch die verschiedenen Veranstaltungsorte soll nicht nur das Interesse an Kunst und Kultur bei Menschen geweckt werden, die sonst vielleicht nicht damit in Kontakt kommen würden. Auch die Neugier an den Gastgeber-Regionen wolle man wecken, so die Organisatoren. Weil für die Austragungsorte bewusst keine Museumsräume gewählt werden, sind die Möglichkeiten teils eingeschränkt, erklärte Bernhard Gassner, erster Vorsitzender von FöKuHei. Eine spezielle Klimatisierung wie für Fotografien nötig gebe es etwa selten. Andere moderne Darstellungsformen, wie etwa Videoinstallationen, seien durch ihren finanziellen Mehraufwand bei der Experimentelle nicht vertreten.
Die Kosten für die Veranstaltung in diesem Jahr belaufen sich auf knapp 100.000 Euro. Getragen werden diese von unterschiedlichen Unterstützern, wie dem Land Baden-Württemberg, den Landkreisen Biberach und Konstanz, oder den Austragungsorten. Zum ersten Mal ist die Werner und Erika Messmer Stiftung aus Radolfzell als Sponsor dabei, weiter die Gottmadinger Anneliese-Bilger-Stiftung, die Volksbank, sowie die Sparkasse Engen-Gottmadingen.
Autor:Anja Kurz aus Engen |
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