Forscher aus Tübingen präsentieren neue Erkenntnisse aus den alten Funden
Lücke zwischen Wolf und Hund wird am Petersfels geschlossen
Engen. Auch wenn die eigentlichen Grabungen an Petersfels und Gnirshöhle bereits 1977 stattgefunden hatten, sind die alten Funde noch heute eine wichtige Quelle für die Forscher. Am Samstag konnte ein neues Ergebnis der Forscher präsentiert werden, mit dem die Lücke zwischen Wolf und dem Hund als neuem Begleiter des Menschen geschlossen werden konnte. Denn Knochenfunde aus der Gnirshöhle belegen, dass dort von Menschen domestizierte Wölfe lebten, vor rund 15.000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit.
Bei der Suche nach dem unterirdischen Wasserlauf der Donau zur Aachquelle haben ein paar junge Höhlenforscher aus Wiechs am Randen in der Gnirshöhle im Brudertal bei Engen Ende 1976 einen Schacht ausgegraben. Ohne es zu merken, zerstörten sie dabei einen kleinen eiszeitlichen Wohnplatz aus der Zeit des Magdalénien. Den Fund eines menschlichen Oberschenkels meldeten sie zwar der Stadt Engen, aber erst ein zufälliger Kontrollgang des Singener Kreisarchäologen zur benachbarten eiszeitlichen Fundstelle Petersfels informierte die zuständige Behörde. Eine Ausgrabung des Tübinger Instituts für Urgeschichte unter Leitung von Dr. Gerd Albrecht versuchte im Frühjahr 1977, die archäologischen Reste zu bergen.
Der Höhlenverein hatte einen Durchgang zu einem hinteren Höhlenteil geschaffen, der seit dem Ende der Eiszeit verschlossen war. Während der Besiedlung in der Eiszeit waren – zum Glück für die Archäologen – durch einen kleinen Spalt Abfälle, aber auch verlorene Objekte der Bewohner in diesen tiefer liegenden Höhlenteil gerutscht, der damals nicht zugänglich war.
Auf der Oberfläche dieses kleinen Schuttkegels, der viele Funde enthielt, lag der recht vollständige Unterkiefer eines Wolfes. Es wurde gleich vermutet, dass es sich um eine frühe domestizierte Form, also um einen Hund handeln könnte.
In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es nicht die leiseste Ahnung, mit welchem operativen Besteck heutige Fundanalysen ausgestattet sind. Nicht einmal eine Datierung des Kiefers durch 14C war damals möglich, man benötigte für eine Probe mindestens 100 g Knochenmaterial. Also beschränkten sich alle Aussagen auf morphologische Merkmale, wie die Größe des Kiefers oder die ‚Kulissenstellung‘ der Zähne.
Im November 2017 bekam Dr. Susanne Münzel den Zuschlag von Prof. Dr. Claus-Joachim Kind a.D. (LDA) für die Faunenauswertung der Gnirshöhle, die seit den Grabungen in den 1970ern nicht ausgewertet worden war. Relativ schnell kam dann die Idee, daraus ein interdisziplinäres Projekt zu machen und die klassischen archäozoologischen Methoden wie Morphologie und Metrik (Dr. Susanne Münzel) mit der Genetik (Saskia Pfrengle, MSc) und stabilen Isotopen (Dr. Chris Baumann) zu verbinden, um eine Synergie der Fächer zu bewirken. So dass hier die Vertreter dreier verschiedener Arbeitsgruppen zusammenkamen, nämlich der Archäozoologie (unter der Leitung von Prof. Nicholas Conard und PD Dr. Britt Starkovich, Uni Tübingen), der Paläogenetik (unter Prof. Dr. Dr. Verena Schünemann, Uni Zürich) und der Biogeologie (unter Prof. Dr. Hervé Bocherens, Uni Tübingen).
Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand der Caniden-Unterkiefer (GN-999) aus der Gnirshöhle I, der relativ klein erscheint, aber metrisch immer noch zu den kleinen Wölfen gerechnet werden könnte. Auch die sogenannte ‚Kulissenstellung‘ der Zähne (d.h. die Zähne stehen versetzt und nicht in einer Reihe hintereinander) ist inzwischen auch bei Wölfen beschrieben worden. Diese ‚Kulissenstellung‘ der Zähne entsteht durch eine Verkürzung der Schnauze, die typisch für den Beginn der Domestikation bei Hunden ist.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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