"Lenkpause" am Karsamstag an der Raststätte Hegau
Ein nahrhafter Ostergruß für die gestrandeten LKW-Piloten
Engen. Seit Tagen berichtet die Hessenschau, die Frankfurter Rundschau und der Kraftfahrerkreis Südhessen von gestrandeten LKW-Fahrern aus Georgien und Usbekistan, die für eine polnische Spedition fahren und seit Wochen kein Geld bekommen haben. Sie streiken, um auf die ausbeuterischen Bedingungen aufmerksam zu machen. Das wirkt auch bis in den Hegau hinein.
Weil auch das Essen ausgegangen war und die Fahrer kein Geld mehr hatten, machte sich die Kath. Betriebsseelsorge zusammen mit der Fairen Mobilität auf zum Rastplatz, um die Fahrer mit dem Notwendigsten zu versorgen. An Karfreitag eskalierte die Situation, weil eine paramilitärische Einheit des Arbeitgebers versucht hat, den Streik gewaltsam zu beenden und die Fahrer von den LKWs zu jagen, im Gepäck hatte der Spediteur gleich die Ersatzfahrer, die das Steuer übernehmen sollten. Die Polizei schritt ein und setzte sowohl den Spediteur als auch die martialisch auftretenden Schlägertrupps für kurze Zeit fest.
Unter diesem Eindruck kam am Karsamstag das Netzwerk Kirche und Arbeitswelt im Hegau bei der Rastplatzaktion mit Fahrern in Kontakt, die von schlechten Bedingungen sprachen. So wird zum Beispiel oftmals der Mindestlohn nicht bezahlt, der den FahrerInnen bei der Fahrt auf deutschen Straßen zustehen würde. Standzeiten um auf neue Lade-Aufträge zu warten sind das „Freizeitvergnügen“ der Fahrer. Zusammen mit Arbeitnehmerseelsorgerin Heike Gotzmann und Dekan Matthias Zimmermann, der "Fairen Mobilität" waren 12 ehrenamtlich Mitwirkende am Karsamstag mit dabei, um den Fahrern Wertschätzung und ein Dankeschön für ihre Arbeit zu signalisieren.
„Ich fahre schon seit über 30 Jahren LKW und noch nie hat mir jemand für meine Arbeit gedankt“, so der Originalton des ukrainischen Fahrers Yegor Strelchenko. Und weiter führt er aus: „Ich habe meine Familie seit über einem Jahr nicht gesehen, jetzt stehe ich hier und darf erst am Montag spätabends weiterfahren. Wir Fahrer müssen hier irgendwie die Zeit totschlagen.“ An den Wochenenden telefoniert er zweimal am Tag mit seiner Familie. Die Kinder sieht er nur auf dem Handybildschirm. Er hat Tränen in den Augen und auch die Osterbesucher des Netzwerks sind gerührt von der Einsamkeit des Mannes, die spürbar und greifbar für alle wird.
"Wir reichten ein kleines Osterpräsent mit Hefeteighasen, gefärbten Eiern, Schokolade", so Heike Gotzmann. Ein kleines Lächeln huscht über sein Gesicht. Dazu gibt es Duschgutscheine, die die FahrerInnen an der Raststätte Hegau Ost und West einlösen können.
Die Bedingungen als Kraftfahrer zu arbeiten sind hart, die viel besungene Trucker-Romantik längst passé. Im Sommer wird es oft unerträglich heiß in den Kabinen, im Winter kalt. Nicht jedes Fahrzeug verfügt über Klimaanlagen. Kochen können die Fahrer nur, wenn das Wetter einigermaßen mitmacht und eine offene Flamme im Freien aufgestellt werden kann.
"Wir kommen an einer Gruppe von Fahrern vorbei, die gemeinsam essen und an einer Bankgruppe sitzen. Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern, verständigen sich mit Händen und Füßen. Zwei haben ihre Motorhauben geöffnet und versuchen ihre Wäsche zu trocknen", so Dekan Matthias Zimmermann. Und: "Es ist nur eine kleine Unterbrechung, die wir den Fahrern bescheren können. Zum Glück unterstützen Ehrenamtliche, die osteuropäische Sprachen übersetzen können, so dass wir zumindest ein bisschen mit den LenkerInnen der Brummis ins Gespräch kommen können."
Als Arbeitnehmerseelsorgerin und als Netzwerk Kirche und Arbeitswelt werden wir auch in weiteren „LENKPAUSEN“ die Anliegen der Fahrer aufnehmen und die strukturelle Ausbeutung gesellschaftlich und politisch thematisieren, kündigen sie an.
Die nächste Lenkpause findet am 24. Juni statt. Wer die Aktion mit eigenem Einsatz unterstützen möchte, kann sich gerne melden bei Heike Gotzmann von der Arbeitnehmerseelsorge unter 07731 87550 oder über heike.gotzmann@arbeitnehmerseelsorge.de
Autor:Presseinfo aus Singen |
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