Teil II des Sommerinterviews mit Bürgermeister Rainer Stolz
Der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden

Bürgermeister Rainer Stolz | Foto: Der Stockacher Rathauschef Rainer Stolz blickt optimistisch in die Zukunft. swb-Bild: Archiv/sw
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Stockach. Im zweiten Teil des Sommerinterviews spricht Bürgermeister Rainer Stolz über die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Stadt Stockach.

WOCHENBLATT: Die Corona-Situation hat viele Defizite aufgezeigt, auch was die Digitalisierung an Schulen angeht. Wie sieht es in den Stockacher Schulen aus und wie ist es generell um die Breitbandversorgung bestellt?
Rainer Stolz: Gerade im ländlichen Raum gestaltet sich die Breitbandversorgung etwas schwieriger, weil wir auch viele Weiler haben. Da wird es natürlich ziemlich lang gehen, bis wir eine ordentliche, zeitgemäße Netzabdeckung haben. Denn die werden wir wahrscheinlich nicht mit Glasfaserkabel schaffen, dafür wird es zu teuer werden, also wird man es möglicherweise über Funk machen müssen und da braucht es wieder Genehmigungsverfahren. Das ist ein langer Prozess, deshalb wird es für Schulen so sein, dass man für die Bereiche, die schlechter erschlossen sind, in den Schulen Räume schaffen muss, wo die Schüler ihre Arbeit in der Schule machen können. Wir haben 400 Tablets bestellt im Rahmen der Sondermittel von Bund und Land. Die werden zunächst gerade den Schülern, die zuhause keins haben, zur Verfügung gestellt. Natürlich könnten die Schulen auch schon weiter sein. Das hängt aber auch ein bisschen von der Führung der Schule ab, wie dort die Priorisierung abläuft, denn die ist nicht überall gleich. Jeder Rektor hat unterschiedliche Schwerpunkte.

WOCHENBLATT: In den letzten Wochen »wehrten« sich vermehrt Stockacher Bürger gegen den Bebauungsplan »Goethestraße«. Welchen Stellenwert hat Bürgerbeteiligung in der Kommunalpolitik und kann sie manchmal auch hinderlich sein?
Rainer Stolz: In einer kleinen Stadt wie Stockach haben wir alle ein gutes Verhältnis untereinander, auch wenn wir mal unterschiedliche Positionen haben, die rauskommen dürfen und auch müssen. Das ist ja gerade der Vorteil an einem Bebauungsplanverfahren: dass wir die unterschiedlichen Positionen hören und sie in eine Entscheidung münden, die das berücksichtigt, was gesagt wird. Das sind wichtige Elemente einer diskursiven gemeinderatlichen Beratung. Die Diskussion darüber, schärft das Bewusstsein im Gremium, welche besondere Rolle der Platz an der Goethestraße hat, auch als Hotelstandort. Daher habe ich die Bürgerbeteiligung begrüßt und fand es toll, dass die Fraktionen sich beschäftigt haben. Die Mitglieder haben ihr eigenes Bild der Stadt entwickelt und es angepasst an das, was wir als Plan hatten. Eigentlich soll genau so ein Bebauungsplanverfahren sein. Dass die Bürger andere Vorstellungen zu einem Plan bringen, ist genau das Wesen eines Bebauungsplanverfahrens. Es gelingt uns manchmal eine Vorlage zu bringen, die die Leute insgesamt verstehen und das Gremium auch nicht im Streit diskutieren will, sondern erkennt, dass ein Sachverhalt plausibel ist. Und wenn es nicht so ist, dann ist das auch gut. Wichtig ist, dass wir mit einem einheitlichen Bild der Öffentlichkeit sagen: »So sehen wir unsere Stadt in 20, 30 Jahren.« Das kriegen wir weitgehend hin, finde ich.

WOCHENBLATT: Der Gemeinderat hat die Tiefbauarbeiten für die Außenanlage am Feuerwehrgerätehaus in Seelfingen vergeben und weitgehend umgesetzt. Wie geht es weiter und wie sehen die Pläne für das Gerätehaus in Hindelwangen aus?
Rainer Stolz: Das Feuerwehrgerätehaus in Seelfingen ist weitgehend schon gemacht, sodass wir theoretisch zum Jahresende das Gerätehaus einweihen können, wir werden aber die Einweihungsfeier erst später vollziehen. Die Feuerwehr zieht in den nächsten Wochen ein, was gut ist. Jetzt ist das neue Fahrzeug da, das Gerätehaus ebenfalls, wir haben oben barrierefreie Veranstaltungsräume, die für Seelfingen und Mahlspüren im Tal zur Nutzung bereitstehen. Das ist nochmal ein Qualitätssprung für die beiden Ortsteile. Hindelwangen ist noch ein schwieriger Prozess; laut Architekturbüro kriegen wir das Programm unter, aber eben nur ganz eng. Wir müssen schauen, ob wir nicht Lösungen hinbekommen, die den Bereich der Stellplätze noch etwas entzerren. Wir hoffen, dass wir Ende nächsten Jahres eine stimmige Gesamtplanung hinbekommen, sodass wir die nächsten zwei Jahre an das Thema rangehen können, also 20/21 Planung fertigstellen, 22/23 finanzieren.

WOCHENBLATT: Die Corona-Krise hat uns alle wirtschaftlich schwer getroffen. Wie sehen die Auswirkungen auf den Stockacher Haushalt 2020 aus?
Rainer Stolz: Nächstes Jahr werden wir ein schlechtes Haushaltsjahr haben, aber wir hatten auch im Vorjahr ein strukturelles Defizit von knapp zwei Millionen Euro. Das Defizit liegt derzeit bei rund drei Millionen Euro. Allerdings hat sich der Landes- und Bundesgesetzgeber sehr kommunalfreundlich gezeigt und Entlastungsmöglichkeiten aufgezeigt, die uns direkt durch gleichbleibende Mittelzuteilungen bei den Steuern und indirekt über höhere Anteile des Bundes bei Lasten, die über den Kreis wieder auf die Kommunen zukommen, sodass die Mittel, die der Bund gegeben hat, dem Kreis helfen, dass er Dinge selber leisten kann, weil der Kreis weniger zahlen muss. Wenn der Kreis weniger zahlen muss, dann wird die Kreisumlage geringer. Da sind wir bei etwa acht Millionen im Jahr und wenn das einigermaßen stabil bleiben könnte, wäre das gut. Der Landkreis muss natürlich auch seine Hausaufgaben machen.

WOCHENBLATT:
Wie wird entschieden, welche Projekte verschoben werden?
Rainer Stolz: Sinn der Investitionen von Bund und Land ist, dass wir keine Projekte verschieben müssen. Wir wollen so viel wie möglich von dem, was wir im Haushalt haben, durchziehen. Deshalb habe ich auch bewusst keine Haushaltssperre erlassen. Wir müssen uns anstrengen, dass wir noch schärfer selber auf die Ausgabedisziplin achten und monatlich schauen wie unsere Lage ist und wie wir dastehen. Wenn es dann wirklich gar nicht anders geht, müssen wir irgendeine Maßnahme canceln. Das haben wir bislang noch vermieden und ich gehe nach bisherigem Stand davon aus, dass wir mit den Unterstützungen, die wir in der Zwischenzeit von Bund und Land bekommen haben, sowie der Zuhilfenahme vom Städtetag das einigermaßen schaffen.

WOCHENBLATT: Können Sie der Krise etwas Positives abgewinnen?
Rainer Stolz: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Durchsetzung von Individualinteressen, die wir uns im Laufe der letzten Jahrzehnte angewöhnt haben, auch kontraproduktiv für unser Zusammenleben sein kann. Das wird derzeit in jeder Ausgestaltung deutlich. Wir haben nun die Chance, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, wenn wir wieder mehr daran denken, dass es auch für die Entwicklung des Gesamten positiv sein muss was wir tun. Ich bin keiner der sich Illusionen macht. Menschen neigen dazu, wieder in alte Muster zurückzufinden. Wir müssen als Gesellschaft diese Herausforderung annehmen, gemeinsam der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Langsam geht es wieder aufwärts, wir dürfen uns nicht nur am Negativen festmachen. Wir strengen uns an, wir sind nicht perfekt und müssen lernen, auch mit der fehlenden Perfektion positiv und motiviert an unseren Zielen festzuhalten und nicht enttäuscht sein, wenn es nicht klappt.

- Graziella Verchio

Autor:

Redaktion aus Singen

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