Bürgermeisterwahl, 2. Kandidatenvorstellung
Tengen hat die Qual der Wahl
Tengen. Nun hat Tengen die Qual der Wahl: Über 3.800 Wahlberechtigte entscheiden am Sonntag, 19. März im zweiten Durchgang, wer von acht Kandidat(in)en neuer Bürgermeister(in) der Randenstadt wird. Mehr als 800 BürgerInnen waren auch bei der zweiten Kandidatenvorstellung am Montagabend in der proppevollen Randenhalle, um sich ein Bild von drei bisherigen und fünf neuen Bewerbern zu machen. Für viele BürgerInnen war anschließend klar, wo sie ihr Kreuzchen am Wahltag machen werden, wie sie gegenüber dem WOCHENBLATT versicherten. Spannend bleibt es allemal – denn angesichts der starken Konkurrenz wird am Sonntag mit einem knappen Rennen gerechnet, mit der Gefahr, dass sich die Bewerber(in) gegenseitig die Stimmen wegschnappen.
Vorab appellierte Bürgermeister Marian Schreier als Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses an die BürgerInnen, „das große demokratische Recht“ zu nutzen und zur Wahl zu gehen. „Im zweiten Wahlgang geht noch mehr“, ist er sicher und hofft, dass die Quote von 58 Prozent aus dem ersten Wahlgang am Sonntag weiter erhöht wird.
In der Vorstellungsrunde hatte jeder der Bewerber(in) zehn Minuten die Möglichkeit, sich und seine Ideen für die Stadt vorzustellen. Sven Müller, Heiko Strauß und Markus Bauermeister präsentierten sich dem Publikum zwar mit mehr Fachkenntnis als vor zwei Wochen und zählten ihre wichtigsten Vorhaben im Falle ihrer Wahl auf, blieben aber meist konkrete Vorschläge zur Umsetzung schuldig.
Folgende Schwerpunkte möchte Sven Müller unter anderem setzen: Investitionen in die Kinderbetreuung, sichere Trinkwasserversorgung (mehr Kontrollen am Binninger See zum Schutz der Wasserqualität), Erhalt von Streuobstwiesen und Ausbau der Mosterei in Beuren, gesellschaftliche Teilhabe über die Förderung der Vereine sowie barrierefreier Zugang zu öffentlichen Gebäuden. Im Schloss Blumenfeld kann sich Müller Konzerte, Theater und Ausstellungen vorstellen und er würde das Gewerbe fördern. „Ich möchte ein Bürgermeister für alle sein“, unterstrich er abschließend.
Heiko Strauß will sich mit seiner Bewerbung einen Kindheitstraum erfüllen und Bürgermeister von Tengen werden. Er gestand ein, dass die Kritik aus der ersten Runde berechtigt gewesen sei, erkenne in seiner zweiten Präsentation aber eine deutliche Verbesserung. Seine Ziele sind die Umsetzung der neuen Feuerwehrwache, ein Freizeitzentrum für die Jugend sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Auch Markus Bauermeister betonte, seit seinem ersten Auftritt in der Randenhalle viel gelernt zu haben. Langfristig möchte er Tengen energieautark machen, die Verwaltung optimieren, die Bürokratie im Handwerk verringern, die Gemeinschaft stärken und für mehr Nachwuchs sorgen – was ihm einige Lacher aus dem Publikum bescherte.
Zum ersten Mal präsentierte sich Fabian Kern auf dem Podium und machte deutlich: „Wenn ihr mich wählt, werde ich die Aufgaben annehmen, aber auch die Interessen meiner Familie berücksichtigen“. Für ihn haben die Energie- und Mobilitätswende oberste Priorität. Zwar stehe Tengen mit Windpark und Solarfeldern gut da, doch das reiche noch nicht, fasste Kern zusammen. Bei der Mobilität brauche es dringend Veränderungen, zum Beispiel Car-Sharing, Fahrgemeinschaften, mehr ÖPNV-Fahrer und den Ausbau der E-Ladestationen sowie des Radnetzes. Weitere Themen wie Bürgerbeteiligung, Digitalisierung sowie Wohnraumbeschaffung folgten auf Kerns Agenda.
Heimrecht hatte Gertrud Homburger und unterstrich ihre Ambitionen mit den Worten: „Ich möchte Ihre neue Bürgermeisterin werden“. Tengen sei ihre Heimat, der sie sich sehr verbunden fühle. Diese möchte die Tengenerin mit guter Sachpolitik basierend auf dem Leitbild 2030 in die Zukunft führen - natürlich mit dem Blick auf die finanzielle Machbarkeit. Dafür habe sie als langjährige Gemeinderätin und stellvertretende Bürgermeister auch die notwendige Qualifikation. Als ihre wichtigsten Projekte führte sie den Bau der Schulmensa auf, den Hochwasserschutz in Watterdingen, das neue Feuerwehrhaus, ein Baugebiet in Büßlingen und eine neue Einsegnungshalle in Tengen. Die Förderung von Gewerbe und Handwerk liegt der 59-Jährigen ebenso am Herzen wie das Schloss Blumenfeld, der Stadtwald und die Landwirtschaft, die für Nahrung und Energie sorge und die Landschaft pflege. Die gut 60 Vereine der Randenstadt machten Tengen erst lebenswert, ist Homburger überzeugt, deshalb gelte es auch, diese zu fördern. „Wir alle zusammen können Großes leisten“, ist Gertrud Homburger sicher.
Als jüngster Kandidat geht Selcuk Gök ins Rennen um den Chefsessel im Tengener Rathaus. Und dies ganz offensiv: „Ich heiße nicht Ritzi, Meßmer oder Maus, bin also nicht von hier. Aber ich kann anpacken, habe die notwendige Qualifikation und als Auswärtiger den unverstellten Blick“. Geboren in Mannheim habe er dem noch amtierenden Bürgermeister eines voraus: „Ich bin kein Schwabe wie Marian Schreier, sondern waschechter Badener“. Auch Bedenken über sein jugendliches Alter von 26 Jahren zerstreute Gök mit Humor: „Seien Sie versichert: Ich werde jeden Tag älter“. Anhand des geplanten Feuerwehrgerätehauses zeigte er die komplexen Abläufe im kommunalpolitischen Alltag auf und betonte: „Ich weiß, wie Verwaltung geht und dieses Wissen möchte ich in Tengen einbringen“. Dabei würde er sich am Leitbild 2030 orientieren, das gemeinsam mit der Bürgerschaft entstanden ist und daher eine gute Basis bilde. Tengen zeichne sich besonders durch ein starkes bürgerschaftliches Engagement aus, was sich im genossenschaftlichen Ärztehaus ebenso widerspiegele wie in den Vereinen und den sozialen Treffpunkten in Watterdingen, Büßlingen und Blumenfeld, lobte Gök. Er sehe Tengen nicht als „Sprungbrett“, so Gök mit einem leisen Seitenhieb auf Amtsinhaber Schreier, sondern würde im Falle seiner Wahl gerne mit seiner Freundin Lena hier sesshaft werden.
Als vierter „neuer“ Kandidat zeigte Thomas Wezstein seinen Werdegang auf und stellte rückblickend mit Augenzwinkern fest: „Tengen hat was ….vor allem in den letzten zwei Wochen für Gesprächsstoff und Schlagzeilen gesorgt“. Die besorgten Mienen nach der ersten Kandidatenvorstellung, viele Gespräche und die darauffolgende Forderung, dass jetzt doch jemand aus dem Gemeinderat das Ruder herumreißen müsse, hätten ihn in seiner Entscheidung für die Neuwahl zu kandidieren bestärkt. Als langjähriger Gemeinderat, Fraktionsvorsitzender der Freie Wähler und Ortsvorsteher in Blumenfeld verfüge er über reichlich Erfahrung in der Kommunalpolitik. In den nächsten acht Jahren möchte er Begonnenes fortsetzen, die erneuerbaren Energien und das Nahwärmenetz ausbauen, die Schulmensa und die neue Ortsmitte gestalten sowie das Gewerbegebiet erweitern und eine solide, sichere Haushaltspolitik führen, um all die Projekte umsetzen zu können. Statt der unechten Teilortswahl möchte er den betroffenen Teilorten über einen Ortschaftsrat Mitsprachemöglichkeiten einräumen und mit ihnen wie auch der Verwaltung und den Bürgermeistern in der Region zusammenarbeiten.
Als Letzter der Kandidatenrunde hatte Roland Weibezahl seine Bewerbung eingereicht und gab Einblicke in seine Visionen für Tengen. Der 53-jährige Immobilienmakler ist in Konstanz geboren, spricht mehrere Sprachen, lebt in Berlin und möchte den europäischen Gedanken am Randen beleben. Vorrangig müsse die Stadt attraktiver werden. Zum Beispiel mit einem bunt blühenden Blumenfeld vom Ortsteil Blumenfeld bis nach Blumberg – dem längsten Blumenfeld Europas. Oder mit einem Meilenwerk für Oldtimer in Wiechs am Randen und einem Wohnmöbelhaus im Schloss Blumenfeld. Städtepartnerschaften und Gemeindekooperationen seien wichtig, um Menschen nach Tengen zu locken, dabei könne die grenznahe Lage ein Vorteil sein.
In der anschließenden Fragerunde wurden die Kandidat(in)en noch zu speziellen Themen befragt, die den Bürgern unter den Nägeln brennen. So wollte Andreas Luckner wissen, wie die ärztliche Versorgung in Tengen gesichert werden könne. Dabei waren sich alle acht Kandidaten über die Bedeutung des Ärztehauses einig. Gertrud Homburger schlug vor, Interessenten bei der Wohnungssuche und der Kinderbetreuung zu unterstützen, Selcuk Gök und Thomas Wezstein wollen die Werbetrommel kräftig rühren und Sven Müller verwies auf ein Stipendium des Landes für Landärzte. Um die Bürgernähe zu verbessern würden Thomas Wezstein und Selcuk Gök eine Bürgersprechstunde einrichten, Sven Müller plädiert für Bürgerspaziergänge und Gertrud Homburger würde im Rathaus ein Bürgersprechzimmer einrichten. Fabian Kern wäre direkter Ansprechpartner für die Sorgen und Nöte und Heiko Strauß würde auf die Bürger zugehen.
Wie sich die Kandidaten die Zusammenarbeit mit der Jugend in Tengen vorstellen, fragte Lina Zeller aus Blumenfeld. Roland Weibezahl würde den Jugendlichen die europäischen Werte vermitteln, Sven Müller als ehemaliger Jugendgemeinderat setzt auf einen regen Austausch und Heiko Strauß auf den Dialog mit dem Nachwuchs. Markus Bauermeister schwärmte vom Erstwählerforum, Gertrud Homburger möchte die Jugendvertretung in Tengen unterstützen und hat selbst Erfahrung mit dem Tengener Jugendtreff. Selcuk Gök will die Jugend einbinden und setzt auf Formate wie „Pizza und Politik“ oder „Zukunft mit dir“ und Thomas Wezstein würde der Jugendvertretung Paten aus jeder Gemeinderatsfraktion zur Seite stellen.
Nach der Fragerunde gab Marian Schreier den Besuchern mit auf den Heimweg: „Vor Ihnen steht der oder die künftige Bürgermeister(in) von Tengen – Sie haben am Sonntag die Auswahl und das ist gelebte Demokratie“.
Hier geht es zum ausführlichen Bericht über den ersten Wahlgang in Tengen:
Autor:Ute Mucha aus Moos |
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