Kreisjägermeister Kurt Kirchmann aus Mühlingen zieht Bilanz
Wenn der Keiler plötzlich angreift...
Mühlingen. Sogar das Armband seiner Uhr ist jägergrün. Klar. Kurt Kirchmann aus Mühlingen steht zu seiner Profession und Passion: Er ist Kreisjägermeister. Ehrenamtlich. Doch das sei ein Fulltime-Verwaltungs-Job, erklärt der 68-Jährige, der am Freitag, 23. März, um 19 Uhr erstmals in dieser Funktion die Jahreshauptversammlung des Kreisvereins Badische Jäger Konstanz in der Gaststätte »Dornsberg« in Eigeltingen abhält. Eine Wahl steht nicht an: Im März 2017 wurde Kurt Kirchmann als Nachfolger von Dr. Karlheinz Störzer für vier Jahre zum Kreisjägermeister bestellt und ist seitdem der Vertreter der gut 750 Mitglieder.
Sein beruflicher Werdegang ist kurvenreich: Kurt Kirchmann ist gelernter Kfz-Mechaniker, doch er arbeitete auch als Automobilverkäufer, Rettungssanitäter, Verantwortlicher für den Fuhrpark des Badenwerks in Stockach und nach dessen Fusion in der technischen Verwaltung der EnBW in Tuttlingen. Viele Jobs in einem umtriebigen Berufsleben, doch sein Weg im Ehrenamt ist gradlinig verlaufen - 1971 machte Kurt Kirchmann seinen Jagdschein, und seither ist das Waidwerk für ihn Hobby und Erfüllung zugleich. Auch in seiner pädagogischen Ausrichtung. Seit 26 Jahren ist er an Schulen unterwegs, um jungen Menschen die Natur, die Tiere und den Umgang damit zu vermitteln. Er sei bereits fester Bestandteil des Unterrichts und werde zu Schuljahresbeginn immer miteingeplant, versichert der Vater von vier Kindern mit berechtigtem Stolz, und auch nach seiner Bestellung zum Kreisjägermeister wollte er »die Schulen nicht hängen lassen«. Und so hat er beides parallel gemacht - Naturpädagogik und Jägerei. Ein oft auch zeitlich schwieriger Spagat, wie er betont.
Aber es gibt auch Verbindungen. Die durch die Naturpädagogik geknüpften Kontakte kann er für sein Amt nutzen, denn der Umgang mit Behörden macht einen Großteil seines Einsatzes aus. Dabei könnte der Rentner seinen Ruhestand ohne Verpflichtungen als Privatmann in Wald und Flur genießen. Doch das sei seine Sache nicht, betont Kurt Kirchmann, denn seine Familie sei schon immer im Vereinsleben engagiert gewesen. Da wollte er nicht aus der familiären Tradition ausscheren. Und dass er zum Ansprechpartner in vielen Fragen etwa zu Biberschäden oder Wildtieren geworden ist, nimmt er mit einer Geduld und Ruhe hin, die seinem unangepassten Wesen sonst fremd ist. Aber er ist ist da, wenn er gebraucht wird. Auch wenn es mal brenzlig wird. Die Afrikanische Schweinepest, die sich, durch Speisereste und ungekochte Wurst übertragen, von Osteuropa nach Westen ausbreitet, hat ihn in den letzten Monate gut beschäftigt. Ein Ausbruch im heimischen Wild- und vor allem Hausschweinebestand hätte dramatische wirtschaftliche Folgen für die Landwirtschaft, erklärt Kurt Kirchmann. Darum wurde im Ministerium für Ländlichen Raum in Stuttgart ein Zwölf-Punkte-Plan entworfen, der auch das Beseitigen von totem Wild als Infektionsquelle, strengere Biosicherheitsmaßnahmen in der Landwirtschaft und Informationskampagnen zur Prävention vorsieht.
Kurt Kirchmann ist mit vollem Körpereinsatz an der Basis mit dabei. Auch wenn selbst ihm, dem erfahrenen Waidmann, dabei manchmal angst und bange wird. So wurde er im Wald von einem wütenden Keiler umgerannt und »flog richtig durch die Luft«. Da habe er in schlimmen, sich langsam dehnenden Sekunden um sein Leben gefürchtet - er sei aber einigermaßen glimpflich davon gekommen.
Den Wolf aber sieht Kreisjägermeister Kurt Kirchmann aus Mühlingen auf dem Vormarsch, wie er im WOCHENBLATT-Interview verriet. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis wieder ein Tier in der Region auftauchen würde. Ungefähr 700 Exemplare würden in Deutschland leben, und eines dieser Wildtiere könne bis zu 100 Kilometer in einer Nacht zurücklegen. Sein Patentrezept für den Fall eines weiteren Auftauchens in der Region: »Der Mensch muss lernen, mit Wolf umzugehen, und der Wolf muss lernen, mit dem Menschen umzugehen.«
Bei einer Begegnung sei es ratsam, ganz ruhig stehen zu bleiben. Der Wolf, so Kurt Kirchmann, ist in Europa ein geschütztes Tier, das nur mit einer Sondergenehmigung erschossen werden darf. Ebenso wie der Biber. Die Schäden durch den emsigen Nager in der Natur und der Landwirtschaft seien aber in der Region zurückgegangen, da die Population durch Verkehrsunfälle reduziert wurde. Und dann blickt Kurt Kirchmann auf seine Uhr mit dem jägergrünen Armband. Zeit für den naturpädagogischen Besuch einer Schule. Für Kurt Kirchmann Passion und Profession.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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